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97 VergabewesenNorm
EMRK Art6 Abs1 / TribunalLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung eines Antrags auf Feststellung der Nichterteilung des Zuschlags an den Bestbieter in einem Vergabeverfahren; keine Zweifel an der Tribunalqualität des BundesvergabeamtesSpruch
Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bund hat - vertreten durch den Landeshauptmann von Vorarlberg - Baumeisterarbeiten zum Neubau des Sondierstollens Dornbirn Nord - Schwarzachtobel des Bauloses der B 200 Bregenzerwald Straße km 0,0 bis km 5,4 ausgeschrieben, wobei sich in Punkt 1. des Erläuterungsberichtes insofern eine Vorgabe fand, als "(d)er
Durchmesser des Sondierstollens mindestens 3,25 m und ... maximal
3,9 m betragen und ... mittels Fräsvortrieb(s) aufgefahren werden"
sollte. Die beschwerdeführenden Gesellschaften haben sich an der Ausschreibung als Bietergemeinschaft beteiligt und ein Angebot gelegt. Der Zuschlag wurde in der Folge jedoch einem anderen Bieter erteilt.
Die beschwerdeführenden Gesellschaften beantragten in der Folge beim Bundesvergabeamt (BVA) die Feststellung, daß wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz (BVergG) und die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei, und begründeten dies damit, daß das Anbot des Zuschlagsempfängers deshalb auszuscheiden gewesen wäre, da einerseits anstatt eines geforderten "Amtsoffert(s)" nur ein "Alternativoffert" erstattet worden sei, und andererseits der angebotene Fräskopfdurchmesser von 3,93 m das ausschreibungsgemäß zulässige Maximum von 3,90 m überschritten habe. Teile der Ausschreibung wären zudem vergabegesetzwidrig gewesen.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2000, Z F-29/99-12, wies das BVA diesen Antrag "gemäß §113 Abs3 BVergG" ab.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK sowie die Verletzung "subjektiver Rechte wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen eines verfassungswidrigen Gesetzes" geltend gemacht wird und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.
Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen. Der dem Verfahren als mitbeteiligte Partei hinzugezogene Bund hat - vertreten durch den Landeshauptmann von Vorarlberg - eine Äußerung erstattet, in der den Beschwerdebehauptungen entgegentreten und beantragt wurde, die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die beschwerdeführenden Gesellschaften argumentieren zusammengefaßt dahin, daß die vom BVA vertretene Auffassung, daß das zugeschlagene Angebot den Ausschreibungsbedingungen über den maximalen Durchmesser des Sondierstollens entsprochen habe, verfehlt sei und eine Auslegung der Ausschreibungsbestimmungen dahin, daß ein Fräskopfdurchmesser von 3,93 m zulässig sei, angesichts der diesbezüglich eindeutigen Vorgaben der Ausschreibung denkunmöglich sei und eine in die Grundrechtssphäre reichende willkürliche Vorgangsweise der belangten Behörde begründe.
Die beschwerdeführenden Gesellschaften behaupten weiters die Verfassungswidrigkeit mehrerer vom BVA angewandter Bestimmungen des BVergG und bezweifeln zudem die gemeinschaftsrechtskonforme Ausgestaltung des vergabespezifischen Rechtsschutzes.
2. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
b) Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).
c) Art6 EMRK verlangt, daß in Angelegenheiten die als civil rights zu qualifizieren sind, ein unabhängiges und unparteiisches Tribunal tätig wird.
3. a) Nicht nur hat der Verfassungsgerichtshof schon bisher gegenüber der Tribunalsqualität des BVA im Sinne des Art6 EMRK keine Zweifel gehegt (vgl. VfSlg. 14.390/1995), solche sind auch aus Anlaß dieses Verfahrens nicht entstanden; ebenso bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Gemeinschaftsrechts-konformität des BVA (vgl. insb. EuGH, Rs. C-103/97, Köllensperger, Slg. 1999 I-0551, und die darin genannten Anforderungen an eine als ein "Gericht" iSd Art234 Abs3 EG einzurichtende erst- und letztinstanzliche Nachprüfungsbehörde).
b) Mit den in der Beschwerde weiters erhobenen Vorwürfen - insbesondere betreffend die Frage der tatsächlichen Ausschreibungskonformität des zugeschlagenen Angebotes - werden keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler geltend gemacht; eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung kann dem BVA nicht vorgeworfen werden, insbesondere ist es nicht denkunmöglich oder willkürlich, wenn das BVA den im zugeschlagenen Anbot angeführten Fräskopf von 3,93 m als im Toleranzbereich liegend akzeptiert hat. Das BVA hat seine Entscheidung - wie aus dem Bescheid hervorgeht - plausibel und nachvollziehbar begründet und diese (wie auch die Verwaltungsakten erweisen) weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt. Ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und insb. die materiell-vergaberechtlichen Fragen mitsamt rechtsrichtig geklärt wurden, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen einen Bescheid des BVA - einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG - richtet, der beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).
c) Wenn die beschwerdeführenden Gesellschaften schließlich weitere Rechtsverletzungen wegen Anwendung von bestimmten für verfassungswidrig erachteten Bestimmungen des BVergG behaupten, so ist ihnen zum einen die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit eines Verfahrens nach §113 Abs3 BVergG vor einer Kollegialbehörde im Sinne des Art133 Z4 B-VG entgegenzuhalten (vgl. etwa VfSlg. 15.106/1998), zum anderen ist darauf zu verweisen, daß die behauptete Verfassungswidrigkeit der Schwellenwertregelung ihre Rechtsstellung im Verfahren vor dem BVA keinesfalls nachteilig betreffen konnte.
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführenden Gesellschaften in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VergabewesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B1657.2000Dokumentnummer
JFT_09989389_00B01657_00