Index
L10011 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Burgenland;Norm
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Ing. Harald Strassner in Pöttsching, vertreten durch Dr. Sepp Holzmüller, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Bahngasse 8, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 10. März 2004, GZ. 5-BB-100-278/1-9, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 14. Juni 2002 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 21. März 2002 zur Errichtung eines Bioschweinestalls auf näher bezeichneten Grundstücken der KG Pöttsching, für welche die Widmung "Grünland" ausgewiesen ist, gemäß § 18 Abs. 4 Burgenländisches Baugesetz 1997 (BauG) abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 1. August 2002 Folge gegeben, der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. August 2002 durch Hinterlegung zugestellt, der Bezirkshauptmannschaft wurde dieser Bescheid am selben Tag übermittelt.
Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg beraumte hierauf am 18. September 2002 eine "Büroverhandlung" für den 27. September 2002 an, für welche sachverständige Personen des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, nicht jedoch der Beschwerdeführer geladen wurden. Am 7. Oktober 2002 wurde sodann "zwecks erforderlicher Projektsergänzung" eine "Besprechung" mit dem Beschwerdeführer und dessen Vertreter sowie den Amtssachverständigen für den 18. Oktober 2002 anberaumt. Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer mit "Verbesserungsauftrag gem. § 13 Abs. 3 AVG" vom 24. Oktober 2002, dem Beschwerdeführervertreter zugestellt am 28. Oktober 2002, aufgetragen, die von den Amtssachverständigen für die Beurteilung des Projektes als notwendig bezeichneten Unterlagen bis 25. November 2002 vorzulegen. Nachdem der Beschwerdeführer dieser Aufforderung mit Schriftsatz vom 5. November 2002 nachgekommen war, beraumte die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg mit Ladung vom 12. November 2002 für den 26. November 2002 eine mündliche Verhandlung an.
Mit dem am 14. November 2002 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung eingelangten "Devolutionsantrag" beantragte der Beschwerdeführer, "der Landeshauptmann des Burgenlandes möge anstelle der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg über das Genehmigungsansuchen des Antragstellers vom 21. 3. 2002 entscheiden und diesem eine Baubewilligung zur Errichtung eines Bioschweinestalles … erteilen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dieser Devolutionsantrag von der belangten Behörde (Burgenländische Landesregierung) als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Berufungsbescheid der Burgenländischen Landesregierung sei der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg am 5. August 2002 übermittelt worden. Am 18. Oktober 2002 habe eine Besprechung des Behördenorganes mit dem Beschwerdeführer zwecks Ergänzung der vorgelegten Unterlagen unter Einbeziehung der betroffenen Sachverständigen stattgefunden. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2002 sei dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG ein Verbesserungsauftrag erteilt worden. Diesem habe der Beschwerdeführer dahingehend entsprochen, dass mit Eingabe vom 5. November 2002 ergänzende Unterlagen vorgelegt worden seien. Auf Grund dieser Vorlage sei für den 26. November 2002 eine mündliche Verhandlung anberaumt worden. In Ergänzung seines Devolutionsantrages habe der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 11. März 2003 ausgeführt, dass die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg schon seit längerem vom Projekt Kenntnis habe und die vorgelegten Projektunterlagen vollständig gewesen seien, im Falle einer tatsächlichen Unvollständigkeit der Antragsunterlagen wäre der Verbesserungsauftrag verspätet und keineswegs rechtzeitig erfolgt. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, im Zeitpunkt des Übergangs der Entscheidungspflicht an die Bezirkshauptmannschaft seien die Einreichunterlagen nicht vollständig gewesen. Erst mit 5. November 2002 könne von einer Vollständigkeit der Antragsunterlagen ausgegangen werden, sodass erst mit diesem Zeitpunkt das Ermittlungsverfahren fortgesetzt und eine mündliche Verhandlung anberaumt habe werden können. Zwar sei der Verbesserungsauftrag "erst nach einigen Wochen" erteilt worden, zuvor seien jedoch bereits "Feststellungen hinsichtlich der zu ergänzenden Unterlagen (Besprechungen mit dem Projektwerber sowie den betroffenen Sachverständigen) getroffen worden". Das Verschulden im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG liege daher nicht überwiegend im Bereich der Behörde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid der Burgenländischen Landesregierung stützt sich auf § 73 Abs. 2 AVG. Ihm liegt der an den Landeshauptmann des Burgenlandes gerichtete, beim Amt der Burgenländischen Landesregierung am 14. November 2002 eingelangte Devolutionsantrag zu Grunde.
Die zur Beurteilung der Beschwerdesache maßgeblichen Bestimmungen des AVG und des Burgenländischen Baugesetzes 1997 haben folgenden Wortlaut:
1. Aus dem AVG:
"Zuständigkeit
…
§ 6. (1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
(2) Durch Vereinbarung der Parteien kann die Zuständigkeit der Behörde weder begründet noch geändert werden.
…
Anbringen
§ 13. …
(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
…
4. Abschnitt: Entscheidungspflicht
§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."
2. Aus dem Burgenländischen Baugesetz 1997:
"§ 18 Baubewilligung und Bewilligungsverfahren
…
(9) Über ein Ansuchen um Baubewilligung ist binnen drei Monaten mit Bescheid zu entscheiden.
…"
Angelegenheiten der Gemeinde Pöttelsdorf betreffend Baubewilligung und Benützungsbewilligung für Bauten in Grünflächen wurden gemäß § 51 Abs. 4 der Burgenländischen Gemeindeordnung (nunmehr auf Grund der Kundmachung der Burgenländischen Landesregierung vom 15. Juli 2003 über die Wiederverlautbarung der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl 2003/55: § 58 Abs. 4) mit Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 4. Dezember 1991, LGBl 97, zuletzt geändert mit Verordnung LGBl 1998/68, auf die zuständige Bezirkshauptmannschaft übertragen. Gemäß Art. 101 Abs. 1 B-VG ist die Burgenländische Landesregierung in der hier zu beurteilenden Angelegenheit zuständige höchste sachlich in Betracht kommende Oberbehörde und war daher zur Entscheidung über den hier zu beurteilenden Devolutionsantrag des Beschwerdeführers zuständig.
Der Übergang der Entscheidungszuständigkeit tritt nunmehr (seit der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998), wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 73 AVG hiefür vorliegen, mit dem Einlangen des Devolutionsantrages bei der zuständigen Oberbehörde ein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl. 2003/03/0228). Im Beschwerdefall ist trotz des an den Landeshauptmann gerichteten Antrages zur Entscheidung davon auszugehen, dass der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers an die zuständige Landesregierung gerichtet war, zumal der diesbezügliche Schriftsatz an das Amt der Burgenländischen Landesregierung adressiert war und die Behörden seit der erwähnten AVG-Novelle BGBl. I 158/1998 auch im Verfahren nach § 73 Abs. 2 AVG ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen im Sinne der Anordnung des § 6 Abs. 1 AVG wahrzunehmen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl. 2003/03/0228).
Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht festgestellt habe, durch welches schuldhafte Verhalten er die Behörde in ihrer Entscheidung gehindert haben soll; weiters fehlten Feststellungen darüber, wann die Behörde Feststellungen hinsichtlich fehlender Urkunden getroffen habe und er auf den Verbesserungsauftrag der Behörde erster Instanz reagiert habe. Die belangte Behörde habe nicht begründet, wie sie zur Feststellung gelangt sei, dass im Zeitpunkt der Zurückverweisung der Verwaltungsrechtssache an die Baubehörde erster Instanz die Einreichunterlagen unvollständig gewesen seien.
Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg als zuständige Baubehörde erster Instanz hat über das Ansuchen um Baubewilligung des Beschwerdeführers nicht innerhalb der im § 18 Abs. 9 Burgenländisches Baugesetz 1997 normierten Entscheidungsfrist von drei Monaten entschieden. Die belangte Behörde ging daher zutreffend von der Zulässigkeit des Devolutionsantrages und ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Antrag aus, vertritt aber die Rechtsauffassung, dass die Säumnis der Behörde erster Instanz nicht auf deren überwiegendes Verschulden zurückzuführen ist.
Die belangte Behörde ist bei der Beurteilung des Verschuldens der Behörde erster Instanz zwar von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgegangen, wonach der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 96/07/0218), sie hat es jedoch unterlassen, dem im angefochtenen Bescheid als entscheidungsrelevant bewerteten Verhalten des Beschwerdeführers die Vorgangsweise der Behörde erster Instanz ab Zustellung des (ihre Entscheidung aufhebenden) Bescheides der Burgenländischen Landesregierung vom 1. August 2002 gegenüber zu stellen, weshalb sie zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangt ist.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sieht das Burgenländische Baugesetz 1997 in Abänderung des § 73 Abs. 1 AVG vor, dass über Baubewilligungsansuchen binnen drei Monaten mit Bescheid zu entscheiden ist. Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg hat nach Übermittlung der die Frist für die Entscheidungspflicht auslösenden aufhebenden Entscheidung der Burgenländischen Landesregierung am 5. August 2002 in Erfüllung der ihr von der Berufungsbehörde überbundenen Rechtsansicht am 27. September 2002 (also nach fast 8 Wochen) eine Büroverhandlung durchgeführt, ohne den Beschwerdeführer beizuziehen, und mit dem Beschwerdeführer erst am 18. Oktober 2002 verhandelt, somit nach Verstreichen von mehr als 2/3 der gesetzlich vorgesehen Entscheidungsfrist erstmals zielführende Verfahrensschritte gesetzt. Der für die Erledigung des Baubewilligungsansuchens erforderliche Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 28. Oktober 2002, demnach 8 Tage vor Ablauf der gesetzlichen Entscheidungsfrist zugestellt. Ausgehend von der dargestellten Rechtslage ist bei diesem als unstrittig feststehenden Sachverhalt entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung die Verzögerung der Entscheidung über das Baubewilligungsansuchen des Beschwerdeführers zumindest auf ein überwiegendes Verschulden der Baubehörde erster Instanz im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG zurückzuführen. Die hier vorgenommene Bewertung des Verschuldens der Behörde erster Instanz entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In den Erläuterungen zur AVG-Novelle 1998 Nr. 39 wird nämlich zur novellierten Fassung des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG ausgeführt, dass bei Prüfung des Verschuldens insbesondere darauf Bedacht zu nehmen ist, ob es die (Unter-)behörde rechtswidrigerweise unterlassen hat, unverzüglich einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen. Dafür wurde selbst bei der im AVG vorgesehenen Frist von sechs Monaten für die Entscheidungspflicht der Behörde eine Frist von vier Wochen als Maßstab angenommen (vgl. Anm 12 bei § 73 AVG in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Manzsche Sonderausgabe, 13. Auflage, Seite 137).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Jänner 2005
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Baurecht Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen sachliche Zuständigkeit Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen örtliche Zuständigkeit Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004050120.X00Im RIS seit
16.02.2005Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008