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50 GewerberechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, mit E v 03.03.01, G87/00.Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit ATS 32.200,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck - mit dem festgestellt wurde, daß die von der beteiligten Partei geplante Errichtung und der Betrieb einer Betriebsanlage für Lastkraftwägen und Baugeräte nach Maßgabe der Projektunterlagen und nach Maßgabe der Anlagenbeschreibung die in §359b GewO 1994 festgelegten Voraussetzungen erfülle - gemäß §§356 Abs1, 3 und 4, 359 Abs4 und 359b GewO 1994 idgF iVm §§8, 63 und 66 Abs4 AVG 1991 idgF im wesentlichen deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführer als Nachbarn in einem Verfahren nach §359b GewO 1994 keine Parteistellung und daher auch nicht die Möglichkeit hätten, ein Rechtsmittel gegen einen solchen Bescheid zu erheben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat als belangte Behörde innerhalb der ihm gesetzten Frist die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 3. März 2001, G87/00, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, verfassungswidrig war.
2. Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, wirkt die Feststellung, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
3. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
4. Die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung des §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, begann am 6. Dezember 2000; mit Erkenntnis vom 3. März 2001, G87/00, sprach der Verfassungsgerichtshof - wie erwähnt - aus, daß §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, verfassungswidrig war.
Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 23. Juni 2000 - also vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren - eingelangt; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
5. Die belangte Behörde hat sich - ebenso wie bereits die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck - u.a. ausdrücklich auf §359b Abs4 GewO 1994 berufen und somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung angewendet. Nach der Lage des Beschwerdefalles ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung des §359b Abs4 GewO 1994, idF BGBl. I 63/1997, für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
6. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zu berücksichtigen haben, daß nach dem zitierten hg. Erkenntnis G87/00 den Nachbarn im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren selbst zwar keine Parteistellung zukommt, wohl aber hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen dieses Verfahrens überhaupt vorliegen.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von ATS 2.500,--, ein Streigenossenzuschlag in Höhe von ATS 2.250,-- und Umsatzsteuer in Höhe von ATS 4.950,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B1147.2000Dokumentnummer
JFT_09989389_00B01147_00