TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/21 2003/09/0129

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Veröffentlicht am 21.01.2005
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
24/01 Strafgesetzbuch;

Norm

DO Wr 1994 §18 Abs1;
DO Wr 1994 §18 Abs2;
DO Wr 1994 §76 Abs1 Z6;
DO Wr 1994 §77 Abs1 Z1;
DO Wr 1994 §80 Abs3;
DO Wr 1994 §80;
StGB §107 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Thomas Wagner, Rechtsanwälte in 1160 Wien, Schuhmeierplatz 14, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission der Stadt Wien vom 14. Juli 2003, Zl. MA 2/674266 B, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach der Wiener Dienstordnung 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für die Beamten der Bundeshauptstadt Wien vom 12. Februar 2003 wurde der Beschwerdeführer, der als Sanitätshelfer bei der Wiener Rettung seinen Dienst versehen hatte, wie folgt für schuldig erkannt:

"Herr W ist schuldig:

     I.        Er habe als Beamter im Dienst nicht alles

vermieden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung

als Sanitätsgehilfe der Magistratsabteilung 70 - Rettungs- und

Krankenbeförderungsdienst entgegengebracht werden, untergraben

könnte, da er in Uniform und somit für jedermann als Bediensteter

der Stadt Wien erkennbar in der Silvesternacht vom

31. Dezember 1999 auf den 1. Jänner 2000 ca. um die Mitternachtszeit

     1.        versuchte, sich unbefugt Zutritt zum Silvesterball

des Hotel M in Wien zu verschaffen,

     2.        als Lenker eines Einsatzfahrzeuges den Eindruck

einer Beeinträchtigung durch Alkoholeinfluss erweckte,

     3.        den Sicherheitsbediensteten des Hotel M in Wien, R,

gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen,

indem er zu diesem sagte. 'Wenn ich dich erwische, trete ich dir

den Schädel ein. Ich merke mir dein Gesicht und wenn ich dich

irgendwo erwische, werde ich deinen Schädel eintreten'. und

     4.        gegenüber dem Beamten der Bundespolizeidirektion

Wien, Oberrat Mag. B in den Räumlichkeiten des Hotel M in Wien ein

aggressives und provokantes Verhalten an den Tag legte.

     II.        Er habe die ihm übertragenen Geschäfte unter

Missachtung der bestehenden Rechtsvorschriften und unter

Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt besorgt und als Beamter im

Dienst nicht alles vermieden, was die Achtung und das Vertrauen,

die seiner Stellung als Sanitätsgehilfe der Magistratsabteilung 70

- Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst entgegen gebracht

werden, untergraben könnte, da er in Uniform und somit für

jedermann als Bediensteter der Stadt Wien erkennbar in der

Silvesternacht vom 31. Dezember 1999 auf den 1. Jänner 2000 ca. um

die Mitternachtszeit

     1.        unerlaubt, ohne Einsatz und ohne Mitteilung an die

Leitstelle mit dem Einsatzfahrzeug den ihm zugewiesenen

Ambulanzstandort in Wien, S-Gasse, verließ,

     2.        mit dem Einsatzfahrzeug ungerechtfertigt zum Hotel

M in Wien fuhr,

     3.        mit dem Einsatzfahrzeug ungerechtfertigt zwei

Privatpersonen von dem ihm zugewiesenen Ambulanzstandort in Wien,

S-Gasse, zum Hotel M in Wien beförderte.

     4.        durch das ungerechtfertigte Wegfahren mit dem

Einsatzfahrzeug von dem ihm zugewiesenen Ambulanzstandort in Wien,

S-Gasse, in Kauf nahm, dass allenfalls dort aufhältige Patienten

der Gefahr des Nichtversorgtwerdens ausgesetzt waren,

     5.        den Sanitätsgehilfen H und den Rettungshelfer R

dazu bestimmte, gemeinsam mit ihm die unter Punkt II 1 und II 4 angeführten Dienstpflichtverletzungen zu begehen.

Herr W hat hiedurch die in den nachfolgend zitierten Rechtsvorschriften normierten Dienstpflichten verletzt:

Ad I) § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994

Ad II) § 18 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 Gemäß § 76 Abs. 1 Z 6 DO 1994 in Verbindung mit § 77 Ab. 1

und 2 DO 1994 wird wegen dieser Dienstpflichtverletzungen über den Beschuldigten die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt."

(Wegen weiterer ihm vorgeworfener Dienstpflichtverletzungen wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.)

Die Disziplinarkommission begründete diesen Bescheid damit, dass sie am 21. November 2002 sowie am 12. Februar 2003 eine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, bei welcher der Beschwerdeführer sowie mehrere Zeugen ausgesagt hätten sowie auch vor der Magistratsabteilung 70 und der Bundespolizeidirektion Wien erstattete Zeugenaussagen verlesen wurden seien.

Die Behörde erster Instanz begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass die Verantwortung des Beschwerdeführers und von zwei Zeugen, wonach diese als Sanitäter in der Nähe des Grabens von zwei ihnen unbekannten Personen mit der Behauptung angesprochen worden wären, dass im Hotel M. eine Person umgefallen sei, und dass sie aus diesem Grunde mit ihrem Rettungswagen zum Hotel M. gefahren seien, jeder Lebenserfahrung widerspreche, weil jemand, der über Handy erfahren habe, dass im Hotel M. eine Person umgefallen sei, sich nicht zu Fuß auf die Suche nach einem Rettungswagen mache, sondern sofort die Notrufnummer der Wiener Rettung wähle. Außerdem hätte derjenige, der den Passanten K. über Handy von dem Notfall mitgeteilt haben solle, doch wohl selbst dafür gesorgt, die Rettung zu verständigen. Der aktenkundigen Zeugenaussage des M.L. vom 2. Jänner 2000 vor der Bundespolizeidirektion Wien sei zu entnehmen, dass aus dem vor dem Hotel M. anhaltenden Rettungswagen vier Personen in Uniform und zwei Personen in Zivil (ein Mann und eine Frau) ausgestiegen seien, wobei die Frau eine Sektflasche in der Hand gehalten hätte. Der Mann in Zivil hätte behauptet, dass eine Bekannte einen Tisch bei der gerade stattfindenden Gala reserviert hätte und die Personen geladen wären. Die Rettungsleute hätten nicht den Eindruck gemacht, im Dienst zu sein bzw. etwas im Hotel M. zu tun zu haben. Eine schließlich von der Besatzung der Rettung mitgenommene Frau habe sich zunächst bei einer Straßenbahnhaltestelle und nicht im Hotel aufgehalten.

Die zu Punkt I.3. vorgeworfene Dienstpflichtverletzung erschöpfe sich in der Verwirklichung des Straftatbestandes der gefährlichen Drohung, wegen welcher der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien (mit Urteil vom 12. Dezember 2001 zu einer - bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe von sechs Monaten) rechtskräftig verurteilt worden sei. Auf Grund der Schwere der Dienstpflichtverletzung sei das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beschwerdeführers wesentlich beeinträchtigt, sodass ein disziplinärer Überhang im Sinn des § 80 Abs. 1 DO 1994 vorliege. Gemäß § 80 Abs. 2 DO 1994 sei die Disziplinarbehörde an die Tatsachenfeststellung des Gerichts sowohl in objektiver Hinsicht als auch in subjektiver Hinsicht gebunden

Das in Punkt I.4. dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten ergebe sich vor allem aus der von Mag. B. gegen ihn erstatteten Anzeige vom 2. Jänner 2000, deren Inhalt dieser in der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz bestätigt habe. Gerade von einem Fahrer der Wiener Rettung wäre ein ausgeglichenes und besonnenes Verhalten zu erwarten gewesen, selbst wenn er sich provoziert gefühlt haben sollte.

Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes II.1.-4. hielt es die Behörde erster Instanz für erwiesen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Rettungswagen und den zwei Passanten nur deswegen den ihm zugewiesenen Standort verlassen habe, um mit diesen zur Silvestergala im Hotel M. zu gelangen. Er habe es auch unterlassen, seine Leitstelle mittels Funks oder - im Fall eines Funkloches - mittels Mobiltelefons von dieser Ortsveränderung im Kenntnis zu setzen.

Die festgestellten Sachverhaltsannahmen seien im Wesentlichen mit den bei der mündlichen Verhandlung erstatteten Zeugenaussagen begründet. Dem Beschwerdeführer hätte bewusst sein müssen, dass er durch das unrechtmäßige Verlassen des Standortes S-Gasse mit dem Einsatzfahrzeug in Kauf genommen habe, dass allenfalls dort aufhältige Patienten der Gefahr, von der Rettung nicht versorgt zu werden, ausgesetzt gewesen seien. Dies hätte einem erfahrenen Mitarbeiter der Magistratsabteilung 70, wie dem Beschwerdeführer auch bewusst sein müssen, erst recht bei der großen Menschenansammlung in der verfahrensgegenständlichen Millenniumsnacht.

Zur Strafbemessung führte die Behörde erster Instanz aus, dass bei der Disziplinarstrafe der Entlassung die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes im Vordergrund stehe. Im vorliegenden Fall sei die Entlassung für den Dienstgeber die einzige Möglichkeit, das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zu einem unzumutbar gewordenen Beamten einseitig zu beenden. Dies treffe schon allein auf die unter I.3. genannte Dienstpflichtverletzung zu, wobei die übrigen Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers als Erschwerungsgründe zu werten seien.

Der Beschwerdeführer erhob gegen das Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz Berufung. Im Wesentlichen (mit Ausnahme des Punktes I.3.) bestritt er, die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben. Hinsichtlich des Faktums I.2. habe die Behörde erster Instanz rechtswidrig Zeugenaussagen berücksichtigt, die in der mündlichen Verhandlung nicht vorgekommen seien, insbesondere die Aussage des M.L. Er selbst sowie zwei Zeugen hätten übereinstimmend angegeben, dass sehr wohl zwei Passanten an die Rettungsmannschaft herangetreten seien, einen Notfall gemeldet und als Unglücksort das Hotel M. genannt hätten. Es treffe daher nicht zu, dass er versucht habe, sich unbefugt Zutritt zum Silvesterball des Hotels M. zu verschaffen. Auch das ihm zu Punkt I.3. und 4. vorgeworfene Verhalten sei einerseits nicht derart gravierend gewesen, um einen eine Entlassung rechtfertigenden disziplinären Überhang annehmen zu können, zum anderen habe der Zeuge Mag. B. in seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz angegeben, das Verhalten des Beschwerdeführers sei nicht so dramatisch gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Disziplinaroberkommission der Landeshauptstadt Wien vom 14. Juli 2003 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG insofern Folge gegeben, als der Bescheid der Behörde erster Instanz hinsichtlich des Spruchteiles I.2. behoben wurde. Hinsichtlich der übrigen Spruchteile (außer dem nicht bekämpften Spruchteil I.3.) wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und die mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz verfügte Disziplinarstrafe der Entlassung bestätigt.

Der angefochtene Bescheid wurde in seinem abweisenden Teil im Wesentlichen damit begründet, dass dem Einwand des Beschwerdeführers, die Behörde erster Instanz habe durch die Berücksichtigung von aktenkundigen Aussagen des Zeugen M.L. sowie zwei weiterer Zeugen gegen den in § 103 Abs. 1 DO 1994 normierten Grundsatz, dass bei der Beschlussfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das Rücksicht zu nehmen ist, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist, verstoßen, entgegenzuhalten sei, dass Mag. B. in der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2003 vernommen worden sei und dabei im Wesentlichen auf seine Anzeige vom 2. Jänner 2000 verwiesen habe, wodurch auch diese Gegenstand der Verhandlung geworden sei. Zwar hätten die beiden anderen Zeugen an der Verhandlung nicht teilgenommen, jedoch habe dieser Umstand keine Auswirkungen auf die Entscheidung als solche, weil auch aus den Aussagen der übrigen Zeugen schlüssig und nachvollziehbar der Nachweis der Begehung der angelasteten Dienstpflichtverletzungen geführt werden könne.

Hinsichtlich des Spruchteils I.1. führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer spätestens zu dem Zeitpunkt hätte erkennen müssen, dass er sich unbefugt Zutritt zum Hotel M. verschaffe, als ihm Sicherheitsbedienstete des Hotels mitgeteilt hätten, dass sich im H. keine verletzte Person befinde und daher kein Rettungseinsatz erforderlich sei. Der einvernommene Beamte Mag. B. habe diesbezüglich ausgesagt, dass er die Rettungsleute aufgefordert habe, das Hotel zu verlassen, welcher Aufforderung sie jedoch nicht nachgekommen wären, vielmehr hätte der Beschwerdeführer ihm gegenüber ein aggressives und provokantes Verhalten an den Tag gelegt. Der Zeuge habe in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz zwar angegeben, sich an die konkreten Vorfälle nicht mehr erinnern zu können und dass es schon nicht so dramatisch gewesen sei, er habe jedoch auf seine Anzeige vom 2. Jänner 2000 verwiesen.

Die belangte Behörde schließe sich der Argumentation der Disziplinarkommission an, wonach der vom Beschwerdeführer sowie von zwei Zeugen geschilderte Sachverhalt jeder Lebenserfahrung widerspreche. Jemand, der über Handy erfahren habe, dass im Hotel M. eine Person umgefallen sei, mache sich doch nicht zu Fuß auf die Suche nach einem Rettungswagen, sondern wähle sofort die Notrufnummer der Wiener Rettung. Außerdem hätte derjenige, der die Mitteilung über Handy von dem Notfall gemacht haben soll, doch wohl selbst die Rettung verständigt. Ebenso sei davon auszugehen, dass im Notfall seitens der Bediensteten des M. selbst die entsprechenden Schritte gesetzt worden wären. Diese Ungereimtheiten hätten dem Beschwerdeführer zumindest bewusst gewesen sein bzw. ihm auffallen müssen, da er ein erfahrener und langjährig tätiger Sanitätsgehilfe sei. Der Beschwerdeführer hätte daher bereits zu diesem Zeitpunkt erkennen müssen, dass ein Einsatz nicht vorliege und daher das Verlassen des Ambulanzstandortes nicht gerechtfertigt sei.

Hinsichtlich des Vorwurfs der gefährlichen Drohung sei der Beschwerdeführer vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt worden. Das Vorliegen eines disziplinären Überhangs gemäß § 80 Abs. 1 DO 1994 sei zu bejahen, wie regelmäßig bei Ahndung eines Verhaltens nach § 18 Abs. 2 DO 1994, weil durch die Verwirklichung des Tatbestandes der gefährlichen Drohung der Beschwerdeführer die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, schwerstens beeinträchtigt habe.

Hinsichtlich der Spruchteile II. seien dem Beschwerdeführer die glaubhaften Aussagen von drei Zeugen entgegenzuhalten, selbst wenn ein "Funkloch" vorhanden gewesen sein sollte, hätte der Beschwerdeführer durch die Verwendung von Privathandys oder durch Einsatz eines Botens seine Leitstelle vom Einsatz verständigen können. Der Beschwerdeführer habe somit in Kauf genommen, dass im Bereich des ihm zugewiesenen Einsatzortes aufhältige Patienten der Gefahr eines Nichtversorgtwerdens ausgesetzt würden.

Zusammenfassend gelange die belangte Behörde daher zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer sowohl die objektive, als auch die subjektive Tatseite bezüglich der angelasteten Dienstpflichtverletzungen erfülle. In diesem Zusammenhang sei besonders hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer einen Teil der ihm angelasteten Vorhalte zugegeben habe - wenn auch mit der Einschränkung, dadurch keine Dienstpflicht verletzt zu haben - und den bloßen Bestreitungen der übrigen Tatvorhalte die glaubhaften und schlüssigen Aussagen von unter Wahrheitspflicht gestandenen Zeugen gegenüberstünden.

Hinsichtlich der Strafbemessung schließe sich die belangte Behörde der Argumentation der Behörde erster Instanz an, wonach die Strafe nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen sei und die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgründe zu werten seien. Im gegenständlichen Fall sei dies zweifelsohne die Dienstpflichtverletzung der gefährlichen Drohung, die allein schon einen derart schwer wiegenden Vertrauensverlust des Dienstgebers in die Person des Beschwerdeführers zufolge habe, sodass der Beamte für den Dienstgeber untragbar geworden und daher eine Weiterführung des Dienstverhältnisses nicht mehr möglich sei. Eine Entlassung sei nicht nur - wie der Beschwerdeführer behaupte - dann möglich, wenn die vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum gesetzt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994) LGBl. Nr. 56/1994 idF 33/1996 lauten:

"Dienstpflichten

Allgemeine Dienstpflichten

§ 18. (1) Der Beamte hat die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

(2) Der Beamte hat gegenüber den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, den Parteien und Kunden ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen. Er hat im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.

...

Disziplinarstrafen

§ 76. (1) Disziplinarstrafen sind:

     1.        der Verweis,

     2.        die Geldbuße bis zu 50 % des Monatsbezuges unter

Ausschluss der Kinderzulage,

     3.        die Geldstrafe bis zu fünf Monatsbezügen unter

Ausschluss der Kinderzulage,

4.

die Versetzung in den Ruhestand,

5.

die Versetzung in den Ruhestand mit geminderten Ruhebezügen,

6.

die Entlassung.

...

Strafbemessung

     § 77. (1) Maßgebend für die Höhe der Strafe ist die Schwere

der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist insbesondere Rücksicht zu

nehmen

     1.        inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die

Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung

beeinträchtigt wurde,

     2.        inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich

ist, um den Beamten von der Begehung weiterer

Dienstpflichtverletzungen abzuhalten,

              3.              sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches, BGBl. Nr. 60/1974, für die Strafbemessung maßgebenden Gründe.

(2) Hat ein Beamter durch eine Tat oder durch mehrere selbstständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, ist nur eine Strafe zu verhängen. Diese Strafe ist nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

...

§ 80. (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist die Dienstpflichtverletzung nur dann zu verfolgen, wenn die Verhängung einer Disziplinarstrafe erforderlich erscheint, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder weil das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten auf Grund der Schwere der Dienstpflichtverletzung wesentlich beeinträchtigt wurde.

(2) Die Disziplinarbehörde ist an die Tatsachenfeststellung, die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes (Straferkenntnisses einer Verwaltungsbehörde) zu Grunde gelegt wurde, gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (die Verwaltungsbehörde) als nicht erweisbar angenommen hat.

(3) Wird die Dienstpflichtverletzung verfolgt, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder um der wesentlichen Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten Rechnung zu tragen.

...

Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission

§ 103. (1) Der Senat hat bei der Beschlussfassung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist.

..."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sich aus den Aussagen einer Reihe von in der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz einvernommenen Zeugen ergebe, dass die ihm vorgeworfene Vorgangsweise, den ihm zugewiesenen Standort auf Grund einer Aufforderung zu verlassen und zum angegebenen Einsatzort zu fahren, nichts Außergewöhnliches dargestellt habe. Drei Zeugen seien jedenfalls davon ausgegangen, dass es sich um einen echten Einsatz gehandelt habe. Gegenteilige Zeugenaussagen lägen überhaupt nicht vor, weil kein Zeuge persönliche Wahrnehmungen darüber gemacht habe, dass die Fahrt zum Hotel M. als vermeintlichem Einsatzort - ex ante betrachtet - als außergewöhnlich oder unstatthaft einzustufen gewesen wäre. Hinsichtlich des Punktes II. der gegen ihn erhobenen Vorwürfe lägen daher nahezu ausschließlich Beweismittel zu seinen Gunsten vor, weshalb die belangte Behörde nach der allgemeinen strafrechtlichen Grundregel in dubio pro reo diesbezüglich mit Freispruch vorzugehen gehabt hätte, dies allenfalls mit der Einschränkung, dass dem Beschwerdeführer am Unterlassen einer - auch späteren - Mitteilung an die Leitstelle von der Einsatzfahrt zum Hotel M. ein gewisses Verschulden treffe. Es sei jedoch zu bedenken, dass es sich um eine Fahrt von bloß zehn Minuten gehandelt habe und der Trubel in der Silvesternacht eben sehr groß gewesen sei. Hinsichtlich des Vorwurfes zu Punkt I.1. habe die belangte Behörde den Unrechtsgehalt der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen verkannt, der Streit mit dem Sicherheitsmann des Hotels M. sei dadurch zu Stande gekommen, dass dieser angenommen habe, der Beschwerdeführer wolle unbefugt am Ball teilnehmen, wohingegen der Beschwerdeführer geglaubt habe, dieser wolle ihn - aus welchem Grund auch immer - an einem Einsatz hindern. Auch hinsichtlich des Faktums I.4. habe die belangte Behörde verkannt, dass keiner der Zeugen das Zusammentreffen des Beschwerdeführers mit Mag. B. als besonders heftig oder emotionsgeladen erlebt habe.

Hinsichtlich der Strafbemessung meint der Beschwerdeführer, dass das von ihm gesetzte Verhalten nur einen einzigen Vorfall betreffe, der sich in einem Zeitraum von weniger als einer Stunde zugetragen habe. Angesichts der bereits erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung und der nunmehr seit Jahren andauernden Suspendierung liege kein derart großer disziplinärer Überhang mehr vor, der eine Entlassung rechtfertige.

Mit diesen Argumenten zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Er bestreitet nämlich auch in seiner Beschwerde nicht, dass er mit dem von ihm gelenkten Rettungswagen und weiteren Rettungsmännern den ihm zugewiesenen Einsatzort im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mit der Zielsetzung verlassen hat, um ins Hotel M. zu gelangen, wo ein Silvesterball stattfand. Auch den vom Beschwerdeführer angeführten Zeugenaussagen ist nicht zu entnehmen, es wäre eine übliche Vorgangsweise der Wiener Rettung, auf den bloßen Hinweis von unbekannten Passanten, diese hätten über Mobiltelefon die Information erhalten, bei einem Ball wäre eine Person "umgefallen", ohne Weiteres mit der gesamten Besatzung des Rettungswagens und unter Mitnahme der Passanten zu diesem - jedenfalls nicht in unmittelbarer Nähe befindlichen - Hotel zu fahren, ohne die Einsatzzentrale zu informieren oder die Notwendigkeit des Einsatzes zu verifizieren. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass es dem Beschwerdeführer in Wahrheit darauf ankam, unbefugt Eintritt zum Silvesterball zu erlangen, kann daher nicht als rechtswidrig angesehen werden. Der Beschwerdeführer bestreitet auch gar nicht, in diesem Zusammenhang - nämlich um sich den Eintritt zu diesem Silvesterball zu verschaffen - in der Uniform der Wiener Rettung die Straftat der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 StGB begangen zu haben und wegen dieses Deliktes mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Dezember 2001 rechtskräftig zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden zu sein.

Der belangten Behörde ist auch keine Fehlbeurteilung vorzuwerfen, wenn sie hinsichtlich der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat der gefährlichen Drohung zur Beurteilung gelangte, dass ungeachtet der durch das Landesgericht für Strafsachen Wien bereits erfolgten Verurteilung vom 12. Dezember 2001 eine Disziplinarstrafe auszusprechen war, um der wesentlichen Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten Rechnung zu tragen, wenn sie also das Vorliegen eines disziplinären Überhangs im Sinne des § 80 Abs. 3 DO 1994 bejahte. Ein solcher war im vorliegenden Fall auf besondere Weise gegeben, weil der Beschwerdeführer eine nicht als Beamtendelikt zu wertende Straftat im Dienst und in der Uniform der Wiener Rettung begangen hatte, und der dadurch bewirkte besondere - dienstrechtliche - Unrechtsgehalt seiner Verfehlung durch das Strafurteil noch nicht berücksichtigt worden ist (vgl. zu § 80 Abs. 3 DO 1994 das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/09/0223).

Bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzungen hat die belangte Behörde zu Recht auf die Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beschwerdeführers, sohin seine weitere "Tragbarkeit" oder "Untragbarkeit" abgestellt.

§ 77 Abs. 1 Z. 1 DO 1994 ordnet nämlich zur Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung ausdrücklich an, dass darauf Rücksicht zu nehmen ist, inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Disziplinarrechtsfall nach der DO 1994 ausgeführt, dass bei schweren Dienstpflichtverletzungen, bei denen die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung in Frage kommt, die Beurteilung des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes im Vordergrund steht. Wird der Beamte danach nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, dann hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, und kann auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Hiebei ist die Frage, ob durch die inkriminierten Dienstverfehlungen das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Verwaltung zerstört wurde, auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0061).

Dies haben im vorliegenden Fall die Disziplinarbehörden getan, da sie nach dem Inhalt ihrer Bescheidbegründungen insgesamt von der Schwere der Schuld des Beschwerdeführers als Grundlage für die Bemessung der Strafe ausgegangen sind. Dabei haben sie im Ergebnis auch berücksichtigt, inwieweit die Taten auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Beschwerdeführers oder aber auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen waren, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen hätte nahe liegen können (vgl. auch hier in allgemeiner Hinsicht das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0061). Dass die Disziplinarbehörden diese Kriterien unrichtig angewendet hätten, ist nicht erkennbar und es kann die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beschwerdeführers durch die von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen, die er im Kernbereich der Besorgung seiner dienstlichen Aufgaben begangen hat, zerstört worden ist und daher die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen war, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. Jänner 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003090129.X00

Im RIS seit

15.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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