Index
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §125a Abs3 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des P in Z, vertreten durch Gruböck & Gruböck, Rechtsanwälte OEG in 2500 Baden, Beethovengasse 4 -6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 25. Februar 2003, Zl. 94/7-DOK/02, betreffend die Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Abteilungsinspektor der Bundesgendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; bis zu seiner Versetzung war er Postenkommandant des Gendarmeriepostenkommandos P.
Mit dem - allein angefochtenen - Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses war der Beschwerdeführer (u.a.) schuldig erkannt worden, seine Verpflichtung zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben verletzt und damit eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 begangen zu haben, weil er einen näher bezeichneten Lebensmittelhändler innerhalb der letzten drei Jahre über einen Zeitraum von sechs Monaten durchschnittlich alle zehn bis vierzehn Tage während seines Dienstes in Uniform in dessen Geschäft zur Herausgabe diverser Lebensmittel, wie Semmeln und Schafkäse, veranlasst habe, weshalb über ihn die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt wurde (von weiteren zwölf Anschuldigungspunkten wurde der Beschwerdeführer teils in erster Instanz, teils durch die belangte Behörde freigesprochen).
Nach Wiedergabe des Bescheides erster Instanz sowie der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde - soweit dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Bedeutung ist -
begründend aus, soweit der Beschwerdeführer auf die Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens hinsichtlich des oben wiedergegebenen Tatvorwurfs verweise und hinsichtlich dieses Faktums die Bindung an die Einstellungsgründe der Staatsanwaltschaft geltend mache, sei darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich keine wie immer geartete Bindung der Disziplinarbehörden bestehe. In Ansehung des im Disziplinarverfahren geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes komme den Angaben des Zeugen S.G. vor der erstinstanzlichen Disziplinarkommission die einzig relevante Bedeutung zu, da ausschließlich unmittelbar vor dieser getätigte Zeugenaussagen zu berücksichtigen seien. Die Angaben dieses Zeugen seien stimmig und geeignet, den Beschwerdeführer so konkret zu belasten, dass dessen Tatverhalten als erwiesen angenommen werden könne. In Ansehung der mittlerweile erfolgten Versetzung des Beschwerdeführers entspreche es auch durchaus der Lebenserfahrung, dass dieser Zeuge, der sich nunmehr nicht mehr im Amtsprengel des Beschwerdeführers befinde, eher bereit gewesen sei, den Beschwerdeführer belastende Aussagen zu tätigen. Eine konkrete Unglaubwürdigkeit dieses Zeugen sei daher für den erkennenden Senat nicht ersichtlich. Auch gehe weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus denen des Zeugen hervor, dass dieser ein konkretes Interesse bzw. einen Grund gehabt habe, den Beschwerdeführer fälschlich zu belasten; die Behauptungen des Beschwerdeführers, auf den Zeugen sei seitens der erhebenden Beamten Druck ausgeübt worden bzw. dieser sei ein "Medium" der Gendarmerie, seien unglaubwürdig und eine bloße Schutzbehauptung und als nicht substantiierte Unterstellung zu werten. Die Beweiswürdigung der erstinstanzlichen Disziplinarkommission sei daher als richtig und nachvollziehbar anzusehen. Zur rechtlichen Würdigung des Tatverhaltens des Beschwerdeführers sei festzuhalten, dass dieses zutreffender Weise als Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 43 Abs. 3 BDG 1979 gewertet worden sei. Das "Schnorren" von Lebensmitteln bei Personen, die ihre Geschäftsräumlichkeiten im Sprengel des Beschwerdeführers hätten, sei jedenfalls dem Ansehen der Exekutive abträglich, stünde im Widerspruch zu den Interessen des Dienstgebers und sei geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Dienstführung des Beschwerdeführers zu erschüttern. Zu den Aufgaben der Exekutive zähle nämlich auch der Schutz der Bevölkerung in Fällen von dreister, lästiger Bettelei, denen ein Angehöriger der Exekutive gegebenenfalls auch durch Wegweisung einschlägig auffälliger Personen von bestimmten Plätzen begegnen könne. Ein derartiges Verhalten sei, wenn es von einem Exekutivbeamten selbst gesetzt werde, jedenfalls als ungehörig zu betrachten und als Dienstpflichtverletzung anzusehen. Ob der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Lebensmittel für seinen Eigenbedarf oder für seine Mannschaft "geschnorrt" habe, sei dabei völlig belanglos.
Zur subjektiven Tatseite führte die belangte Behörde aus, es sei dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass er offensichtlich nicht mit dem Vorsatz gehandelt habe, eine Dienstpflichtverletzung zu begehen. Allerdings sei dem nach wie vor uneinsichtigen Beschwerdeführer ein grobfahrlässiges und somit im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft begangenes Fehlverhalten anzulasten gewesen.
Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, im Hinblick auf die Reduzierung der Schuldsprüche auf den nunmehr verbleibenden Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses und im Hinblick auf die disziplinäre Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, seine bisher gute Dienstverrichtung sowie die ihm zuzubilligende positive Zukunftsprognose, der kein Erschwerungsgrund gegenüber stehe, könne mit der Disziplinarstrafe des Verweises gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 das Auslangen gefunden werden. Damit sei dem Eventualantrag des Beschwerdeführers entsprochen worden. Diese Strafe werde dem Unrechtsgehalt der von ihm gesetzten Tat gerecht und trage sowohl spezial- als auch generalpräventiven Erwägungen Rechnung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, durch das angefochtene Disziplinarerkenntnis werde die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verletzt, weil davon auszugehen sei, dass, wenn schon ein gerichtlicher Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO die Disziplinarbehörde binde und keine disziplinäre Behandlung wegen desselben Faktums mehr erlaubt sei, dies umso mehr gelten müsse, wenn nach Durchführung umfangreicher Vorerhebungen seitens der Staatsanwaltschaft nicht einmal Anlass gefunden worden sei, die entsprechenden Fakten weiter strafgerichtlich zu verfolgen. Dieser juristische Größenschluss sei logisch zwingend, da ansonsten die Sinnhaftigkeit des § 95 Abs. 2 BDG in Frage gestellt werden müsse. Nach Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens durch die Niederlegung der Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft stelle es eine Verletzung der Unschuldsvermutung dar, wenn dem Beschwerdeführer nunmehr dieses Delikt im Disziplinarverfahren vorgeworfen werde.
Des weiteren bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Bezug auf die Aussage des Zeugen S.G. als unglaubwürdig.
Gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 ist, wenn der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt ist und sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft, von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Gemäß § 125a Abs. 2 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.
Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung kann ferner von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet, oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
In der Berufung hatte der Beschwerdeführer zwar die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht beantragt, jedoch die von der Disziplinarbehörde erster Instanz getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sowie ihre Beweiswürdigung als unrichtig bestritten.
Die belangte Behörde hat sich bei Abstandnahme von der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung auf die Bestimmung des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 gestützt, weil sie den Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung als geklärt erachtete.
Dieser Einschätzung kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht folgen.
Die belangte Behörde hat die für den Ausgang des Verfahrens wesentlichen Tatsachenfeststellungen ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (zum Nachteil des Beschwerdeführers) getroffen, wobei sie sich in Entgegnung der Berufungsbehauptungen auf die "stimmigen" Aussagen des Zeugen G. unter Beifügen eigener Überlegungen zu dessen Glaubwürdigkeit berief, ohne diesen selbst vernommen zu haben. Ebenfalls unter Verletzung des Unmittelbarkeitsgebotes qualifizierte sie die Behauptung des Beschwerdeführers, auf den Zeugen sei seitens der erhebenden Beamten Druck ausgeübt worden bzw. dieser sei ein "Medium" der Gendarmerie, als unglaubwürdige bzw. als bloße Schutzbehauptung ab.
Daher erweist sich die von der belangten Behörde ohne mündliche Verhandlung nach der Aktenlage vorgenommene Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis schon deshalb als rechtswidrig, weil die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes geboten gewesen wäre, da in der Berufung des Beschwerdeführers u. a. auch gerügt worden war, die Beweiswürdigung der Disziplinarbehörde erster Instanz sei unzutreffend und unvollständig gewesen. Die belangte Behörde hätte die Frage des Vorliegens der dem Beschwerdeführer im verbliebenen Schuldspruch zur Last gelegten strittigen Handlungen zufolge des § 126 Abs. 1 BDG 1979 und des darin verankerten Unmittelbarkeitsgebotes nicht nach der Aktenlage, sondern ausschließlich auf Grund von Ergebnissen beurteilen dürfen, die in einer von ihr unmittelbar durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgekommen sind. Mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegen solche Ergebnisse jedoch nicht vor.
Bereits aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf die weiteren Beschwerdeausführungen eingegangen werden musste.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003090092.X00Im RIS seit
18.02.2005