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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Weinberger Gangl Bogensperger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Kaigasse 40, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 29. März 2004, Zl. UVS-33/10159/2- 2004, betreffend Ladungsbescheid im Verwaltungsstrafverfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer als "Ladungsbescheid im Verwaltungsstrafverfahren" bezeichneten Erledigung vom 7. Jänner 2004 ersuchte der Magistrat der Stadt Salzburg (Strafamt) den Beschwerdeführer, zu einem näher bestimmten Termin "persönlich zu uns zu kommen", um in einer als "Ihre Beschwerde beim United Nations Human Rights Committee in Genf; Vertretung durch Herrn Mag. M" bezeichneten Angelegenheit als Zeuge mitzuwirken. Die Erledigung enthält den Vermerk "Zutreffendes ist angekreuzt X!" und weist zwei Rubriken auf, denen jeweils ein (zutreffendenfalls anzukreuzendes) Quadrat vorangestellt ist. Keine dieser beiden Rubriken, welche die Verhängung einer Zwangsstrafe bzw. die zwangsweise Vorführung des Geladenen vorsehen, ist angekreuzt. Ein Hinweis auf sonstige allfällige Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung findet sich nicht, hingegen enthält die Erledigung eine ausführliche Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeit, "gegen diesen Bescheid Berufung" zu ergreifen.
Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer Gebrauch und führte in seiner Berufung vom 21. Jänner 2004 aus, seine Ladung als Zeuge sei verfassungs- und rechtswidrig, weil seine vor dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen erhobene Beschwerde vor einem internationalen Tribunal zum Schutz der Menschenrechte verhandelt werde; das Verfahren folge ausschließlich völkerrechtlichen Regeln und unterliege keiner staatlichen Regelungsbefugnis Österreichs. Sein Recht auf Anrufung einer internationalen Institution sei ein Grundrecht im Verfassungsrang und in dieses Beschwerderecht dürfe nicht eingegriffen werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. März 2004 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen damit begründet, dass "dem gegenständlichen Ladungsbescheid" mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen sei, dass die Einvernahme des Beschwerdeführers als Zeuge in einem Verwaltungsstrafverfahren als notwendig erachtet worden sei. Auch der Gegenstand der Einvernahme sei ausreichend konkretisiert worden. Zwar wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Behörde erster Instanz noch deutlicher zum Ausdruck gebracht hätte, dass nicht der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben, sondern dass er nur als Zeuge einvernommen werden solle, dies sei jedoch ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Durch seine bloße zeugenschaftliche Einvernahme, ob er durch Herrn Mag. M in einer bestimmten Beschwerdeangelegenheit vertreten werde oder nicht, werde weder sein Recht noch seine faktische Möglichkeit, internationale Institutionen anzurufen und Verfahren vor diesen Institutionen zu führen, in irgendeiner Weise eingeschränkt. Auch sei der Behörde erster Instanz grundsätzlich einzuräumen, dass die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden könne, von ihr selbst zu treffen sei. In einem gegen Herrn Mag. M geführten Verwaltungsstrafverfahren komme dem Beschwerdeführer keine Parteistellung zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 9. Juni 2004, B 619/04-5, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 19 AVG lautet (auszugsweise):
"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ...
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."
In der Beschwerde werden im Wesentlichen die in der Berufung enthaltenen Argumente - in ausführlicherer Weise - wiederholt.
Zunächst ist der belangten Behörde insoferne im Ergebnis Recht zu geben, dass ungeachtet des § 19 Abs. 4 AVG auch Ladungsbescheide im Verwaltungsstrafverfahren durch Erhebung eines Rechtsmittels an den unabhängigen Verwaltungssenat zu bekämpfen sind, weil die im Verwaltungsstrafverfahren im Grunde des § 24 VStG zur Anwendung kommende Bestimmung des § 19 Abs. 4 AVG auf Grund der aus Art. 129a Abs. 1 erster Satz B-VG sich direkt ergebenden Anrufbarkeit der unabhängigen Verwaltungssenate verfassungskonform dahingehend zu verstehen ist, dass durch sie die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat gegen Ladungsbescheide im Verwaltungsstrafverfahren nicht ausgeschlossen wird (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 14. September 2001, Zl. 2000/02/0275, und vom 14. November 2001, Zl. 2000/03/0292, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Eine Ladung ist aber grundsätzlich eine das Verfahren betreffende Anordnung, der nur unter gewissen Voraussetzungen kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes der Charakter eines Bescheides eingeräumt ist. Voraussetzung dafür ist, dass im Falle des ungerechtfertigten Ausbleibens des Vorgeladenen an die Ladung kraft Gesetzes unmittelbar Rechtsfolgen geknüpft sind, z.B. dass diese einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel - nämlich den Titel für die Vollstreckung einer Zwangsstrafe oder der zwangsweisen Vorführung - bildet. Die Vollstreckung der zwangsweisen Vorführung (der Zwangsmittel) ist nur zulässig, wenn sie in der Vorladung angedroht und die Zustellung der Ladung zu eigenen Handen erfolgt war (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0579, und vom 22. Jänner 1999, Zl. 98/19/0293). Behördlichen Erledigungen, auch wenn sie mit "(Ladungs)-Bescheid" überschrieben sind, in denen aber für den Fall der unentschuldigten Nichtbefolgung keine Rechtsfolgen angedroht werden, kommt aber kein Bescheidcharakter zu (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0579, vom 6. September 1994, Zl. 94/11/0228, und vom 22. Jänner 1999, Zl. 98/19/0293, jeweils mit weiteren Nachweisen). Auch im vorliegenden Fall war in der von der Behörde erster Instanz ergangenen Ladung keine Rechtsfolge im Sinne des § 19 Abs. 3 zweiter Satz AVG angedroht, die Erledigung hatte daher keinen Bescheidcharakter und insoferne keinen normativen Inhalt. Dies hat die belangte Behörde verkannt; sie hätte die vor ihr erhobene Berufung mit der Begründung zurückzuweisen gehabt, dass sie nicht gegen einen Bescheid gerichtet ist.
Es war daher nicht zu beurteilen, ob das vom Magistrat der Stadt Salzburg verfolgte Ziel der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung des Mag. M zulässig, die Einvernahme und diesbezügliche Ladung des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz AVG im Hinblick darauf notwendig (vgl. zu dieser Beurteilung etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 95/21/1014) und der Gegenstand der Amtshandlung ausreichend präzise umschrieben (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0336) waren.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. Jänner 2005
Schlagworte
BerufungsverfahrenBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Androhungen AufforderungOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004090106.X00Im RIS seit
15.02.2005Zuletzt aktualisiert am
01.09.2011