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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31992L0057 Baustellen-RL Sicherheit Gesundheitsschutz Art3 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/02/0285 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/02/0286 E 25. Jänner 2005Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit jeweils gegen Spruchpunkt 1.) der Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Juni 2004, Zlen. I.) UVS-07/S/4/7400/2003/7, betreffend Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren in Angelegenheit Übertretung nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG), (mitbeteiligte Partei: FK, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10/9), und II.) UVS- 07/S/4/7398/2003/5, eine gleichartige Angelegenheit betreffend (mitbeteiligte Partei: MG, vertreten durch denselben Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten und das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Mit jeweils gleichlautendem Punkt 1.) der Straferkenntnisse der Behörde erster Instanz vom 24. Juli 2003 wurden die Mitbeteiligten jeweils schuldig erkannt, als handelsrechtliche Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufene der K GmbH mit Sitz in W zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft am 26. September 2002 auf der Baustelle in Wo als Projektleiter die Anpassung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes (in der Folge: SiGe) nicht vorgenommen habe (§ 7 Abs. 5 BauKG). Bei einer Absturzgefahr von ca. 12 m hätten die Schutzeinrichtungen für die im Bereich der Flachdächer tätigen Arbeitnehmer gefehlt.
Den dagegen erhobenen Berufungen gab die belangte Behörde zu diesen jeweiligen Spruchpunkten Folge, behob die Straferkenntnisse diesbezüglich und stellte die Verfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG mit folgender Begründung ein:
"Im Fall der (unter der Voraussetzung des § 3 Abs. 1 BauKG obligatorischen) Bestellung von sogenannten Koordinatoren geht die Verpflichtung zur Ausarbeitung bzw. zum Ausarbeiten lassen eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes gemäß § 7 BauKG auf den Planungskoordinator bzw. zur Anpassung oder zum Anpassen lassen dieses Planes auf den Baustellenkoordinator über. Es bleibt somit kein Raum für eine weitergehende Verantwortung des Bauherrn (oder dessen Projektleiters) und tritt somit unter der Voraussetzung der Bestellung der betreffenden Koordinatoren anstelle der Verpflichtung des Bauherrn bzw. dessen Projektleiters die Verpflichtung des entsprechenden Koordinators.
Im gegenständlichen Fall wurde unbestrittenermaßen bereits vor dem Tatzeitpunkt ein Baustellenkoordinator bestellt und konnte somit den Projektleiter keine Verpflichtung treffen, anstelle des Baustellenkoordinators für die Anpassung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes (§ 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG) zu sorgen. Soweit die Erstbehörde diesbezüglich den § 7 Abs. 5 BauKG angeführt hat, der die gleichlautende Verpflichtung des Bauherrn (im Falle der Bestellung eines Projektleiters diese Person) normiert, kann die betreffende Bestimmung eben nur unter der Voraussetzung der mangelnden Bestellung eines Baustellenkoordinators zur Anwendung kommen und traf das im vorliegenden Fall nicht zu."
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde.
Der Beschwerdeführer ist - mit umfangreicher Begründung - der Ansicht, dass "bei Überschreitung der Aufgabenstellung des Baustellenkoordinators (oder bei unzureichender Aufgabenwahrnehmung durch diesen) ... der Bauherr bzw. Projektleiter gem. § 7 Abs. 5 BauKG selbst zur entsprechenden Überarbeitung oder Anpassung des SiGe verpflichtet" sei. "Seine Pflichten" seien "keine 'weitergehenden' Pflichten, sondern unabhängig von jenen der Koordinatoren bestehende, korrespondierende Pflichten (ungeachtet einer erfolgten oder unterbliebenen Koordinatorenbestellung)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des BauKG, BGBl. I Nr. 37/1999 idF. BGBl. I Nr. 159/2001, lauten:
"§ 5. ...
(3) Der Baustellenkoordinator hat
...
3. den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan und die Unterlage unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten und eingetretener Änderungen anzupassen oder anpassen zu lassen,
..."
"Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan
§ 7. (1) Der Bauherr hat dafür zu sorgen, dass vor Eröffnung der Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt wird für Baustellen, für die eine Vorankündigung gemäß § 6 erforderlich ist und für Baustellen, auf denen Arbeiten zu verrichten sind, die mit besonderen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer verbunden sind.
...
(5) Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ist bei Fortschritt der Arbeiten oder bei eingetretenen Änderungen unverzüglich anzupassen, falls dies zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist. Vor der Anpassung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes sind nach Möglichkeit die Sicherheitsvertrauenspersonen der betroffenen Arbeitgeber anzuhören. Wenn Änderungen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes auf Grund von Entscheidungen oder Anordnungen des Bauherrn oder Projektleiters erfolgen, so ist dies im Plan festzuhalten."
Nach den Erläuterungen (RV 1462 Blg. NR 20. GP, S. 6) dient das BauKG der "Umsetzung der Artikel 2 bis 7 der RL 92/57/EWG."
Das BauKG beschränke sich auf deren Umsetzung, "es werden keine zusätzlichen Pflichten vorgesehen (RV 1462 Blg. NR 20. GP, S. 7)".
Die soeben erwähnte RL 92/57/EWG vom 24. Juni 1992 enthält folgende, hier wesentliche Bestimmungen:
"Artikel 3
Koordinatoren - Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan -
Vorankündigung
...
(2) Der Bauherr oder der Bauleiter" (Anmerkung: letzterer entspricht im wesentlichen nach der Definition in Artikel 2 Buchstabe c) dem Projektleiter des § 2 Abs. 2 BauKG) "sorgt dafür, dass vor Eröffnung der Baustelle ein SiGe entsprechend Artikel 5 Buchstabe b) erstellt wird.
...
Artikel 6
Ausführung des Bauwerks: Aufgaben der Koordinatoren
Der bzw. die gemäß Artikel 3 Abs 1 betrauten Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren für die Ausführungsphase des Bauwerks" (Anmerkung: entspricht im wesentlichen nach der Definition in Artikel 2 Buchstabe f) dem Baustellenkoordinator des § 2 Abs. 7 BauKG) "haben
...
c) Anpassungen des SiGe nach Artikel 5 Buchstabe b) und der Unterlage nach Artikel 5 Buchstabe c) unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten und eingetretener Änderungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen;
...
Artikel 7
Verantwortung der Bauleiter und Bauherren sowie der Arbeitgeber
(1) Hat ein Bauleiter oder Bauherr einen oder mehrere Koordinatoren mit der Wahrnehmung der in den Artikeln 5 und 6 genannten Aufgaben betraut, so entbindet ihn dies nicht von der Verantwortung in diesem Bereich.
..."
Im besonderen Teil der RV 1462 Blg. NR 20. GP zum BauKG wird
zu § 5 Abs. 3 ausgeführt (S. 11f):
"Abs. 1, 2 und 3 setzen Art. 6 der RL 92/57/EWG um. ... Der Koordinator muss darauf achten, dass Arbeitgeber und Selbständige den SiGe anwenden und er muss für die Aktualisierung sorgen. Der Koordinator muss auch für die Anpassung der Unterlage für spätere Arbeiten (§ 8) sorgen."
Zu § 7 des BauKG besagt die RV (aaO, S. 12):
"...
Abs. 1 entspricht Art. 3 Abs. 2 der RL 92/57/EWG. Der Bauherr ist verpflichtet, für die Erstellung eines SiGe zu sorgen.
...
Abs. 5 setzt Art. 6 lit. c der RL 92/57/EWG um. Verpflichtet zur Anpassung des SiGe ist der Baustellenkoordinator (siehe § 5 Abs. 4 des Entwurfs). ..."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, verlangt das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG für Strafbestimmungen - aus dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses - eine besonders genaue gesetzliche Determinierung des unter Strafe gestellten Verhaltens. Ferner ist für Strafbestimmungen auf dem Boden des Art. 7 EMRK im Zusammenhalt mit § 1 Abs. 1 VStG der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmissverständlich und klar erkennen lassen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2003/02/0202).
Aus dem Zusammenhalt der hier wesentlichen, in der RL 92/57/EWG und im (zu deren Umsetzung ergangenen) BauKG enthaltenen Bestimmungen und aus dem Bestimmtheitsgebot von Strafbestimmungen ergibt sich unmissverständlich, dass § 7 Abs. 5 BauKG dem Bauherren oder Projektleiter - anders, als dies der Beschwerdeführer offenbar vertritt - nicht (als unmittelbare Pflicht) die Anpassung des SiGe auferlegt. Diese Pflicht trifft unmittelbar nur den Baustellenkoordinator (siehe dazu auch die Klarstellung in den zitierten Stellen der RV 1462 Blg. NR 20. GP), wenn ein solcher bestellt ist.
Abgesehen davon, dass Art. 7 Abs. 1 der RL 92/57/EWG nur von "Verantwortung" spricht, weshalb schon von daher gesehen nicht zwingend die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemeint sein muss, wurde diese Bestimmung im BauKG auch nicht im Sinne des Bestimmtheitsgebotes umgesetzt.
Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Strafbestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 und 2 BauKG (nach denen eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Bauherr bzw. Projektleiter im Falle einer Übertragung gemäß § 9 Abs. 1 BauKG die Verpflichtungen ua. des § 7 BauKG verletzt) zwingt zu keinem anderen Verständnis des § 7 Abs. 5 BauKG, weil jedenfalls schon in § 7 Abs. 1 und 7 BauKG ausdrücklich Pflichten des Bauherren bzw. im Falle einer Übertragung gemäß § 9 Abs. 1 BauKG solche des Projektleiters normiert sind, sodass § 10 Abs. 1 Z. 1 und 2 BauKG nicht inhaltsleer sind.
Mit den gegenständlichen erstinstanzlichen Sprüchen wurde den Mitbeteiligten jeweils als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichem Geschäftsführer der K GmbH als Projektleiter an der gegenständlichen Baustelle eine unmittelbare Verletzung der sich aus § 7 Abs. 5 BauKG ergebenden Pflicht der Anpassung des SiGe vorgeworfen.
Damit erübrigt sich aber eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob den Bauherrn bzw. Projektleiter mittelbar eine strafrechtlich ausreichend normierte und sanktionierte Verantwortlichkeit für den Fall trifft, dass ein bestellter Baustellenkoordinator seiner Verpflichtung zur Anpassung des SiGe nicht oder nicht ausreichend nachkommt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht. Das Aufwandersatzbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil gemäß § 47 Abs. 4 VwGG in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG für die belangte Behörde kein Aufwandersatz stattfindet.
Wien, am 25. Jänner 2005
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004020284.X00Im RIS seit
28.02.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008