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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ArbIG 1993 §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Juni 2004, Zl. VwSen-280740/2/Ga/Da, betreffend Bestrafung in Angelegenheiten der Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (mitbeteiligte Partei: JH, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Breitwieser, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 30. März 2004 wurde dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortlichen, zur Vertretung nach außen berufenen Organ einer näher bezeichneten GmbH als Arbeitgeberin unter anderem zur Last gelegt (Spruchpunkt 1), es sei aus Anlass einer am 20. August 2003 durch das Arbeitsinspektorat durchgeführten Besichtigung des Betriebes festgestellt worden, dass trotz der seit 1. Jänner 1998 bestehenden Verpflichtung keine Bestellung eines Arbeitsmediziners erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 130 Abs. 1 Z. 27 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verletzt, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von 3.500,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 210 Stunden) verhängt wurde.
Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der nur hinsichtlich der Strafbemessung erhobenen Berufung des Mitbeteiligten statt und setzte die Geldstrafe auf EUR 1.000,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden (den Kostenbeitrag auf EUR 100,--) herab.
Über die dagegen erhobene Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales bei Verfahren gemäß §§ 11 und 12 leg. cit. berechtigt, gegen Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, sowie gegen Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Die Beschwerde nach § 13 leg. cit. (Amtsbeschwerde) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Fall des Art. 131 Abs. 2 B-VG. Die Beschwerdelegitimation des Bundesministers, der im vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren nicht als Partei beteiligt ist, ist ein von den Parteien des Verfahrens und der beteiligten Behörde losgelöstes Kontrollinstrument. Es handelt sich daher um ein objektives Beschwerderecht. Der Bundesminister kann die Beschwerde sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Beschuldigten erheben. Die Beschwerdefrist beginnt für den Bundesminister gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 (zweiter Fall) VwGG mit dem Zeitpunkt, zu dem er vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erlangt hat (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/11/0007).
Soweit der Mitbeteiligte vor dem Verwaltungsgerichtshof darauf verweist, in § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes sei - nach wie vor - als zur Beschwerde legitimiert der Bundesminister für Arbeit und Soziales, nicht jedoch der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit angeführt, einen "Bundesminister für Arbeit und Soziales" gäbe es jedoch nicht mehr, und daraus die mangelnde Beschwerdelegitimation des einschreitenden Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit ableitet, ist er auf die Bestimmung des § 16a des Bundesministeriengesetzes 1986 in Verbindung mit Anlage L Ziffer 34 lit. b zu § 2 des erwähnten Gesetzes zu verweisen. Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Zuständigkeit des beschwerdeführenden Bundesministers sowie - in Zusammenhalt mit § 26 Abs. 1 Z. 4 (zweiter Fall) VwGG - die Rechtzeitigkeit der hier erhobenen Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die von ihr vorgenommene Strafbemessung (Herabsetzung der von der Behörde erster Instanz verhängten Strafe) vor allem damit begründet, es sei zwar "belangvoll", dass der Mitbeteiligte vor der gegenständlichen Anzeige mehrfach (vergeblich) durch das Arbeitsinspektorat aufgefordert worden sei, einen Arbeitsmediziner zu bestellen. Dies stehe - so die belangte Behörde weiter - "der Annahme bloßer Fahrlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG entgegen. Vielmehr ist zufolge dieses Umstandes die Zurechnung des Fehlverhaltens wenn nicht gar mit Vorsatzschuld, so doch wenigstens im Gewicht der groben Fahrlässigkeit gerechtfertigt. Allerdings durfte daraus - unter Hinweis auf das Doppelverwertungsverbot - ... ein besonderer Erschwerungsgrund nicht gewertet werden; die Nichtbefolgung der Aufforderungen begründet diesfalls erst die Strafbarkeit."
Damit hat die belangte Behörde - worauf der Beschwerdeführer zutreffend verweist - die Rechtslage verkannt: Gemäß § 130 Abs. 1 Z. 27 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von EUR 145,-- bis EUR 7.260,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von EUR 290,-- bis EUR 14.530,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz (unter anderem) die Verpflichtung zur Bestellung von Arbeitsmedizinern verletzt.
Aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut folgt, dass eine vorhergehende Aufforderung des Arbeitsinspektorats, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen, nicht Voraussetzung der Strafbarkeit ist. Damit kann sich die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung auch nicht auf das so genannte "Doppelverwertungsverbot" (vgl. zu diesem etwa das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2004/02/0037) stützen.
Mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 1996, Zl. 95/02/0605) war daher im Beschwerdefall im Hinblick auf die Aufforderung durch das Arbeitsinspektorat von der Schuldform des Vorsatzes auszugehen.
Schon deshalb hat die belangte Behörde das ihr bei der Strafzumessung zukommende Ermessen (§ 19 VStG) nicht im Rahmen des Gesetzes ausgeübt.
Soweit der Mitbeteiligte vor dem Verwaltungsgerichtshof darauf verweist, die erstinstanzliche Behörde habe die von ihr vorgenommene Strafbemessung nicht ausreichend begründet, ist dies für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des vor ihm angefochtenen Bescheides der belangten Berufungsbehörde ohne Bedeutung.
Ebenso hat eine Bedachtnahme darauf - entgegen der Ansicht der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift und der Ansicht des Mitbeteiligen - außer Betracht zu bleiben, dass mit dem erstinstanzlichen Bescheid auch noch über andere Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften abgesprochen wurde. Eine "Gesamtbetrachtung des Falles" (unter Miteinbeziehung der erwähnten anderen Übertretungen und der dafür verhängten Strafen) im Sinne einer "Anpassung" der jeweils ausgesprochenen Strafen hinsichtlich der Höhe untereinander ist vom Gesetz nicht vorgesehen; es war daher auch nicht auf die Höhe der für die "Nichteinhaltung der Ausbildung von erforderlichen Erste-Hilfe-Kräften" verhängte Strafe im Sinne einer "Harmonisierung" einzugehen.
Der Gerichtshof sieht sich für das fortzusetzende Verfahren zu folgender Bemerkung veranlasst:
Im Hinblick auf die Umstände des Beschwerdefalles erscheint die von der Behörde erster Instanz verhängte (Geld)strafe durchaus angemessen; eine (geringfügige) Reduktion könnte sich allenfalls auf Grund der (geänderten Feststellungen über die) Einkommensverhältnisse des Mitbeteiligten ergeben.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 25. Jänner 2005
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Arbeitsrecht ArbeiterschutzErschwerende und mildernde Umstände SchuldformEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004020312.X00Im RIS seit
01.03.2005Zuletzt aktualisiert am
27.07.2009