TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/25 2004/16/0269

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Veröffentlicht am 25.01.2005
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Index

E1E;
E3R E02100000;
E3R E02200000;
E3R E02202000;
E3R E02300000;
E3R E02400000;
E6J;
35/02 Zollgesetz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31992R2913 ZK 1992 Art236;
31992R2913 ZK 1992 Art239;
31992R2913 ZK 1992 Art243 Abs2;
31993R2454 ZKDV 1993 Art905;
62002CJ0278 Handlbauer VORAB;
ZollRDG 1994 §85a;
ZollRDG 1994 §85b;
ZollRDG 1994 §85c;
ZollRDG 1994 §85d;
ZollRDG 1994 §85e;
ZollRDG 1994 §85f;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:2002/16/0263 B 19. März 2003 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62002CJ0278 24. Juni 2004 Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2004/16/0271 2004/16/0270

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und Senatspräsident Dr. Steiner sowie die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerden der O GmbH in W, vertreten durch Kollmann, Hofbauer, Zahradnik, Rechtsanwälte in Lambach, Marktplatz 14, gegen die Bescheide des Berufungssenates II der Region Wien 1) vom 21. März 2002, GZ. ZRV/40-W 2/00, betreffend nachträgliche buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben, 2) vom 14. Juni 2002, GZ. ZRV/41-W 2/00, betreffend nachträgliche buchmäßige Erfassung von Eingangsabgaben und 3) vom 14. Juni 2002, GZ. ZRV/69-W 2/00, betreffend Erstattung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den jeweils im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde im Ergebnis die mit erstinstanzlichen Bescheiden des Hauptzollamts Linz

-

1.) vom 13. Dezember 1999 vorgenommene nachträgliche buchmäßige Erfassung und Vorschreibung einer Zollschuld von ATS 2,058.149,-- sowie von ATS 276.496,-- an Zinsen, somit insgesamt einer Summe von ATS 2,334.645,--;

-

2.) vom 29. Dezember 1999 vorgenommene Nachforderung einer Zollschuld in Höhe von ATS 74.543,-- (die in Form einer Sicherheit eingehoben worden war) und

-

3.) vom 19. Juni 2000 vorgenommene Abweisung eines Antrages auf Erstattung gem. Art. 236 ZK betreffend den mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 13. Dezember 1999 nachträglich vorgeschriebenen Betrag von ATS 2,334.645,--.

Im erst- und zweitangefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde jeweils einleitend der Begründung ihrer Entscheidungen Folgendes klar:

"Zunächst ist festzuhalten, dass Sache des ggstdl. Verfahrens nur die Festsetzung und die Nachforderung von nachträglich buchmäßig erfassten Eingangsabgaben gegenüber der Bf. ist, die von ihr mit dem Rechtsbehelf der Berufung und danach Beschwerde bekämpft worden ist. Nicht Sache dieses Verfahrens sind Anträge nach dem Art. 236 oder 239 ZK, die gesondert abzuführen sind. ..."

(Erstangefochtener Bescheid)

"Zunächst ist festzuhalten, dass Sache des ggstdl. Verfahrens nur die Festsetzung und die Nachforderung von nachträglich buchmäßig erfassten Eingangsabgaben in Höhe der bei der Abfertigung geleisteten Sicherheit gegenüber der Bf. ist, die von ihr mit dem Rechtsbehelf der Berufung und danach Beschwerde bekämpft worden ist. Nicht Sache dieses Verfahrens sind Anträge nach den Art. 236 oder 239 ZK, die gesondert abzuführen sind. ..."

(Zweitangefochtener Bescheid)

Gegen diese Bescheide richten sich die ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof erhobenen und von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden je wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich jeweils in ihrem Recht auf Abgabenerstattung wegen Nichtbestehens einer Abgabenschuld und im Recht auf Entscheidung durch ein unabhängiges Gericht verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die drei Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

In allen drei Beschwerden macht die Beschwerdeführerin in der Hauptsache geltend, der belangten Behörde fehle es an der Qualität eines Gerichtes iS des Gemeinschaftsrechtes. Die angefochtenen Bescheide seien keine "gerichtlichen" Entscheidungen.

Art. 243 Abs. 2 ZK lautet:

"(2) Ein Rechtsbehelf kann eingelegt werden:

a) auf einer ersten Stufe bei der von den Mitgliedstaaten dafür bestimmten Zollbehörde;

b) auf einer zweiten Stufe bei einer unabhängigen Instanz;

dabei kann es sich nach dem geltenden Recht der Mitgliedstaaten um ein Gericht oder eine gleichwertige spezielle Stelle handeln."

Die in den vorliegenden Fällen als Berufungsbehörde tätig gewordene belangte Behörde ist ein Berufungssenat, der nach den Bestimmungen der §§ 85 d bis 85 e ZollR-DG eingerichtet wurde.

Da die Frage, ob es sich bei einem derartigen Senat um eine unabhängige Instanz iS des Art. 243 Abs. 2 Buchstabe b ZK bzw. um ein Gericht iS des Art. 234 EG handelt, im Zuge des beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften damals anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache C-278/02 als Vorfrage zu behandeln war, setzte der Verwaltungsgerichtshof sein Verfahren mit Beschluss vom 19. März 2003, Zlen. 2002/16/0263, 0264, 0265, gemäß § 62 Abs. 1 VwGG iVm § 38 AVG aus.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 in der zitierten Rechtssache C-278/02 (Herbert Handlbauer GmbH) den Berufungssenat I der Region Linz bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, der das Ersuchen um Vorabentscheidung gestellt hatte, wiederholt, und zwar in den Punkten 24 und 36 der Entscheidungsgründe als "das vorlegende Gericht" bezeichnet und damit als Gericht iS des Art. 234 EG anerkannt. Damit geht der diesen Umstand bestreitende Haupteinwand aller drei Beschwerden ins Leere.

Betreffend den erstangefochtenen Bescheid behauptet die Beschwerdeführerin, dass die belangte Behörde den Beschwerdegrund unzulässigerweise umgedeutet habe, weil das Verfahren auch ein Erstattungsverfahren gemäß Art. 236 und 239 ZK betroffen habe.

Dazu ist auf Folgendes zu verweisen:

Ausgangspunkt des dem erstangefochtenen Bescheid vorangegangenen Verfahrens war der Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 13. Dezember 1999, mit dem insgesamt ein Betrag von ATS 2,334.645,-- nachgefordert wurde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 5. Jänner 2000 und (nach Fristverlängerung) vom 23. Mai 2000 (als Rechtsbehelf der ersten Stufe iS des Art. 243 Abs. 2 Buchstabe a ZK) Berufung mit folgendem Berufungsantrag:

"Wir beantragen:

1. Den Bescheid in vollem Umfang aufzuheben für rechtswidrig zu erklären und den entrichteten Betrag zu erstatten, da sich nach der Lage der Sache die Abgabenbelastung als unbillig erweist.

2. Hilfsweise wird beantragt, den Erstattungsantrag als besonderen Fall gem. Art. 239 ZK und Art. 905 ZK-DVO der Kommission zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betr. die Bemessung der Zollschuld im Rahmen der Einfuhrregelung für Obst und Gemüse vorzulegen."

Diese Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Linz vom 19. Juni 2000 als unbegründet abgewiesen, wogegen die Beschwerdeführerin (als Rechtsbehelf der zweiten Stufe iS des Art. 243 Abs. 2 Buchstabe b ZK) mit Eingabe vom 22. Dezember 2000 Beschwerde erhob und dabei Folgendes Begehren stellte:

"Schluss

An dem in der Berufungsschrift gestellten Antrag auf (a) Aufhebung des Zollbescheides vom 13. Dezember 1999 ... und (b) der Anregung, den Erstattungsantrag ggf. gem. Art. 239 ZK

und Art. 905 ZK-DVO der Kommission zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betr. die Bemessung der Zollschuld im Rahmen der Einfuhrregelung für Obst und Gemüse vorzulegen, wird festgehalten. Zu b) wird bemerkt, dass dieses Begehren nicht in vollem Umfange durch die gesonderte Berufungsvorentscheidung vom 19. Juni 2000 ... gegenstandslos geworden ist, weil sie Umstände hinsichtlich des Einhebungsverfahrens nicht berücksichtigt."

Daraus folgt, dass Sache des mit dem erstangefochtenen Bescheid abgeschlossenen Rechtsbehelfsverfahrens nur die nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Gesamtsumme von ATS 2,334.645,-- (an Zoll und Zinsen) war. Somit ist auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe die Sache des Verfahrens zu Unrecht "umgedeutet" und Art. 239 ZK unrichtig angewendet, unberechtigt.

Über den in der Berufungsschrift vom 23. Mai 2000 unter Punkt 2. des Berufungsantrages "hilfsweise" gestellten Erstattungsantrag wurde von der Zollbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 19. Juni 2000 abweislich entschieden. Das dagegen eingeleitete Rechtsbehelfsverfahren wurde mit dem jetzt drittangefochtenen Bescheid abgeschlossen, worauf unten noch zurückgekommen werden wird.

Betreffend den zweitangefochtenen Bescheid gilt im Wesentlichen dasselbe. Mit dem Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 29. Dezember 1999 wurde eine Nachforderung an Zoll in der Höhe von ATS 74.453,-- vorgenommen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin im Wege eines Schriftsatzes vom 30. Mai 2000 und stellte folgenden Antrag:

"Auf Grund dieser Sachlage werden folgende Anträge gestellt:

1. Der Bescheid ist in vollem Umfang aufzuheben, für rechtswidrig zu erklären und der entrichtete Betrag zu erstatten, da er sich nach der Sache als unbillig erweist.

2. Hilfsweise wird beantragt, den Erstattungsantrag als "besonderen Fall" gem. Art. 239 ZK und Art. 906 ZK-DVO der Kommission zur Vorabentscheidung über die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts betr. die Bemessung der Zollschuld vorzulegen."

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 25. August 2000 Beschwerde, wobei sie folgenden Antrag stellte:

"9.

Es wird daher beantragt:

1.

Unter Aufhebung des Nachforderungsbescheides vom 29. Dezember 1999 in der Fassung der Berufungsvorentscheidung vom 26. Juni 2000 den Betrag von ATS 74.453,00 Zoll nach Art. 236 ZK zu erstatten bzw.

              2.              im Rahmen des Hilfsantrages den Fall der Kommission gem. Art. 905 ZK-DVO zur Prüfung 'eines besonderen Falles' vorzulegen, da sich aus den Umständen keine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit ergibt und

              3.              die Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen."

Auch in diesem Rechtsbehelfsverfahren war somit ausgehend vom Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides Sache nur die nachträgliche buchmäßige Erfassung einer Zollschuld und nicht der erst in der Berufung "hilfsweise" gestellte Erstattungsantrag. Der Vorwurf, die belangte Behörde habe zu Unrecht eine Umdeutung der Sache des Rechtsbehelfsverfahrens vorgenommen trifft somit auch in diesem Fall nicht zu.

Was die Beschwerde in diesem Zusammenhang mit dem Vorwurf meint, die belangte Behörde habe zu Unrecht "drei gesonderte Rechtszüge durchgeführt" ist unverständlich, zumal die belangte Behörde exakt das durch Art. 243 ZK und §§ 85a ff ZollR-DG geregelte Verfahren durchgeführt hat.

Betreffend den drittangefochtenen Bescheid, der die vom Hauptzollamt Linz mit Bescheid vom 19. Juni 2000 vorgenommene Abweisung des Erstattungsantrages vom 23. Mai 2000 bestätigte, geht der im Abschnitt B) b) der Beschwerde - offenbar im Wege der Übernahme eines Textbausteines - erhobene Vorwurf einer Umdeutung der Sache des Rechtsbehelfsverfahrens von vornherein ins Leere, weshalb darauf nicht weiter eingegangen zu werden braucht.

Zum Vorwurf laut Abschnitt B) a) der Beschwerdeschrift ("drei gesonderte Rechtszüge") ist auf die obigen Ausführungen betreffend die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid zu verweisen.

Insoweit sich die Beschwerde schließlich auf die Erstattungsproblematik bezieht enthält sie ausschließlich generelle rechtstheoretische Ausführungen ohne konkret auch nur mit einem einzigen Satz aufzuzeigen, worin bezogen auf die Begründung des drittangefochtenen Bescheides die behauptete Rechtswidrigkeit gelegen sein sollte.

Da die Beschwerden somit insgesamt eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht zur Darstellung bringen konnten, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Jänner 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004160269.X00

Im RIS seit

22.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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