TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/25 2004/06/0097

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Veröffentlicht am 25.01.2005
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §29 Abs1;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z7;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Univ.-Prof. Dr. DP in G, vertreten durch Dr. Elisabeth Simma und Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwälte in 8011 Graz, Kaiserfeldgasse 15/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 17. März 2004, Zl. A 17 - 3.998/2001 - 6, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: GF in G, K-Gasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der zunächst beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten und von diesem mit Beschluss vom 21. Juni 2004, B 567/04-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnten und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretenen sowie der beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 9. Dezember 2003 wurde dem Mitbeteiligten die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung eines Zubaues (Aufstockung) beim bestehenden Gebäude K-Gasse 48 auf den näher angeführten Grundstücken unter Festsetzung von Auflagen bewilligt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer als Miteigentümer von in der Beschwerde näher bezeichneten, den Baugrundstücken unmittelbar benachbarten Grundstücken erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Gegenstand dieses Verfahrens die Errichtung eines Zubaues, nämlich die Aufstockung um ein zusätzliches Geschoß im Dachbereich für Wohnzwecke (zwei Wohneinheiten) sei. Der gegenständliche Bauplatz sei im 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz als Allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. Raumordnungsgesetz 1974 seien Allgemeine Wohngebiete Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt seien, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienten (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachten), errichtet werden könnten. In einem als "Allgemeines Wohngebiet" gewidmeten Gebiet seien Wohnbauten ohne jede Einschränkung zulässig; die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG gewähre im Zusammenhang mit der Widmungskategorie "Allgemeines Wohngebiet" gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. ROG nur insoweit einen Immissionsschutz, als es sich um sonstige Bauten im Sinne dieser Bestimmung handle, die keine Wohnbauten seien. Immissionen, die sich im Rahmen der in einer bestimmten Widmungskategorie üblichen Ausmaße hielten, müssten daher von den Nachbarn hingenommen werden.

Zum Vorbringen, dass es sich um eine unrechtmäßige Bauführung handle, da die Überschreitung der Giebelhöhe und der Vorsprung im Hofbereich gegen das Grazer Altstadterhaltungsgesetz und das Ortsbild verstießen, das Gutachten der Grazer Altstadtsachverständigenkommission nicht tragfähig sei und gegen solche rechtswidrigen Bauführungen ein Abwehranspruch betreffend die in § 26 Abs. 1 Stmk. BauG genannten Immissionen bestehen müsste, sei seitens der belangten Behörde auszuführen, dass diejenigen Bestimmungen, die dem Nachbarn ein Mitspracherecht einräumten, in § 26 Abs. 1 Stmk. BauG taxativ aufgezählt seien und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der belangten Behörde eine Prüfungsbefugnis nur dahingehend zustehe, ob durch ein Vorhaben, rechtzeitig vorgebrachte, subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt worden seien oder nicht, nicht aber, ob ein Gutachten in einem Bereich, in dem Nachbarn kein Mitspracherecht zukomme, wie hinsichtlich der Einfügung des Bauvorhabens in das Straßen- bzw. Ortsbild, ausreichend begründet sei.

Zum Vorbringen, dass die Aufstockung und der Hofvorsprung des Bauvorhabens die rechtmäßige Nutzung des Gebäudes auf dem Grundstück des Beschwerdeführers beeinträchtigen würde und zu einer Wertminderung (Vermögenseinbuße) führe, sei festzustellen, dass es sich bei der Einwendung der Wertminderung um eine privatrechtliche Einwendung handle. Die Frage, ob eine Wertminderung vorliege oder nicht, sei von den Zivilgerichten zu beurteilen.

Zu den Ausführungen in der Berufung, dass nach Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZP MRK jeder Eigentumseingriff einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, eine solche aber fehle, da die Bauführung rechtswidrig sei und sich auch in einem Bauverfahren subjektive Rechte nicht nur aus dem Baugesetz, sondern aus dem Gesamtbereich der Rechtsordnung ableiteten, sei auszuführen, dass es sich bei diesem Vorbringen um ein solches handle, das in der Berufung erstmalig erhoben worden sei und daher der Präklusion unterliege.

In der dagegen auch beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen und nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);

5.

die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

              6.              die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

Gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG (betreffend Schallschutz) muss das Bauwerk derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benützern oder von Nachbarn wahrgenommene Schall auf einen Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind.

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b Stmk. Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127 (im Folgenden: Stmk. ROG) i.d.F. LGBl. Nr. 39/1986, sind allgemeine Wohngebiete Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienen (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden können.

Der Beschwerdeführer stimmt grundsätzlich der Überlegung der belangten Behörde zu, dass in einem als "Allgemeines Wohngebiet" gewidmeten Gebiet Wohnbauten ohne jede Einschränkung zulässig seien und die aus ihnen resultierenden Immissionen jedenfalls zu dulden seien. Diese Argumentation könne sich aber nach Ansicht des Beschwerdeführers nur auf rechtmäßig errichtete Wohnbauten beziehen, nicht aber auf solche Wohnbauten, die den baurechtlichen Vorschriften nicht entsprächen. Andernfalls bestünde trotz § 26 Stmk. BauG kein Immissionsschutz gegen noch so krass gegen Bauvorschriften verstoßende Wohnbauten. Ohne Einschränkung zulässig und somit üblich könnten nach Ansicht des Beschwerdeführers Immissionen wohl nur dann sein, wenn auch die Wohnbauten "üblich", d.h. den baurechtlichen Vorschriften entsprechend seien. Das geplante Bauvorhaben sei aber nicht rechtmäßig und verursache gerade durch seine nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Dimensionen zusätzliche Schallimmissionen. Deren Übereinstimmung mit § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG sei von der Behörde nicht geprüft worden.

Was die Rechtmäßigkeit anlange, müsse nach § 43 Abs. 2 Z. 7 Stmk. BauG jedes Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht werde. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die Aufstockung über die gesamte Häuserzeile hinausragen würde und damit in ihrer gestalterischen Bedeutung dem Straßen- und Ortsbild keineswegs gerecht werde. Damit solle aber ein Bauwerk errichtet werden, das dem Wohncharakter der Gegend nicht mehr entspreche. Dieser Umstand werde auch durch das von der Behörde erster Instanz bei der Grazer Altstadtsachverständigenkommission eingeholte Gutachten bestätigt. Die belangte Behörde übersehe, dass sich der Einwand des Beschwerdeführers nicht gegen die Gestaltung des Bauwerks an sich, sondern gegen die daraus resultierenden Immissionen richtete.

Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer gemäß der in § 26 Abs. 1 Stmk. BauG erfolgten taxativen Aufzählung der Nachbarrechte in Bezug auf das Gebot des § 43 Abs. 2 Z. 7 Stmk. BauG, wonach jedes Bauwerk derart geplant und ausgeführt werden muss, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht wird, - wie dies die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - kein Nachbarrecht zukommt.

Aus einem allfälligen Verstoß gegen das Gebot gemäß § 43 Abs. 2 Z. 7 Stmk. BauG, ein Bauwerk entsprechend dem Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild zu gestalten, kann aber auch kein Nachbarrecht auf Einhaltung eines bestimmten Ausmaßes an Immissionen (insbesondere Lärmimmissionen) abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer führt davon abgesehen nicht konkret aus, warum sich aus den vorgesehenen zwei weiteren Wohneinheiten in dem verfahrensgegenständlichen Gebäude nicht nur die in der Widmungskategorie "allgemeines Wohngebiet" üblichen Lärmimmissionen von Wohnbauten ergeben sollten. Es wird in der Beschwerde auch nicht dargelegt, warum auf Grund der Errichtung dieser beiden zusätzlichen Wohneinheiten in lärmmäßiger Hinsicht nicht zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG sichergestellt sein sollten. Wenn der Beschwerdeführer die mangelnde Überprüfung des Ausmaßes der Lärmimmissionen im Sinne des § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG rügt, ist ihm somit entgegenzuhalten, dass er die Wesentlichkeit dieses allfälligen Verfahrensmangels nicht dartut. Auch in diesem Zusammenhang ist aus einem allfälligen Verstoß gegen § 43 Abs. 2 Z. 7 Stmk. BauG, mit dem der Beschwerdeführer dazu gleichfalls argumentiert, für die Frage der dieser Bestimmung entsprechenden Schallimmissionen nichts zu gewinnen.

Wenn der Beschwerdeführer im Übrigen eine Verletzung im Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG bzw. Art. 1 1. ZP MRK und im Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 MRK geltend macht, genügt es darauf zu verweisen, dass die Kontrolle der Einhaltung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und nicht in die des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch Art. 133 Z. 4 B-VG) fällt.

Klarzustellen ist weiters, dass eine Baubewilligung die Verleihung des subjektiven-öffentlichen Rechtes bedeutet, einen Bau nach Maßgabe der bewilligten Pläne zu errichten. Sie enthält lediglich die Feststellung, dass das geplante Vorhaben vom öffentlich-rechtlichen Standpunkt des Raumordnungsrechts und des Baurechts her zulässig ist. Normativer Gehalt einer Baubewilligung ist nur der Ausspruch, dass dem zur Bewilligung beantragten Bau kein im öffentlichen Recht (konkret im Bau- und Raumordnungsrecht) fußendes Hindernis entgegensteht. Die Baubewilligung sagt demgegenüber nichts darüber aus, ob der bewilligte Bau nicht etwa mit Mitteln des Privatrechtes verhindert werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2002, Zl. 2002/05/0787). Im Rahmen einer Baubewilligung wird somit - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht über zivilrechtliche Positionen entschieden.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Dem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte daher nicht entsprochen werden, zumal in der Beschwerde weitgehend Rechtsfragen und jedenfalls keine für die vorliegende Angelegenheit allenfalls wichtige (maßgebliche) Tatfrage ("important factual question" - vgl. dazu das Urteil des EGMR vom 26. April 1995, Z. 44, im Fall Fischer gegen Österreich) - aufgeworfen wurde.

Wien, am 25. Jänner 2005

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Privatrechte der Nachbarn BauRallg5/1/8 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060097.X00

Im RIS seit

25.02.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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