Index
90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §35 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde der S GmbH & Co KG in K, vertreten durch Hoffmann & Brandstätter Rechtsanwälte KEG in Innsbruck, Fallmerayerstraße 5, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Juli 2002, Zl. IIb2-1-8-30/3, betreffend Beseitigungsauftrag nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 2002 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 1 StVO verpflichtet, die von ihr an den Widerlagern der ÖBB-Brücke bei Straßenkilometer 26.900 der Pass Thurn Bundesstraße angebrachten - mit wechselnden Aufschriften versehenen - Werbetafeln zu entfernen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Was zunächst die von der Beschwerdeführerin behauptete Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz anlangt, so dürfte der Aufmerksamkeit der Beschwerdeführerin entgangen sein - worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend verweist -, dass § 94d Z. 3a StVO (betreffend die Zuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich) u.a. dann nicht in Betracht kommt, wenn sich - wie im Beschwerdefall unbestritten - der Akt der Vollziehung auf "Bundesstraßen" bezieht.
Gemäß § 35 Abs. 1 StVO hat die Behörde, wenn es die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, die Besitzer von Gegenständen, die auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße angebracht sind und durch ihre Beschaffenheit oder Lage oder durch die Art ihrer Anbringung oder ihrer Anordnung geeignet sind, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen, durch Bescheid zu verpflichten,
a) die Lage oder die Art der Anbringung oder die Anordnung des Gegenstandes so zu ändern, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht weiter beeinträchtigt wird, oder
b) wenn eine in lit. a bezeichnete Änderung nicht ausreicht, die Gegenstände zu beseitigen.
Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch die in Abs. 1 bezeichneten Gegenstände ist nach § 35 Abs. 2 StVO insbesondere dann anzunehmen, wenn sie die Straßenbenützer blenden, die freie Sicht über den Verlauf der Straße auf Einrichtungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs behindern oder mit solchen Einrichtungen, insbesondere mit Straßenverkehrszeichen oder mit Lichtzeichen (§ 38), verwechselt werden können oder die Wirkung solcher Einrichtungen herabmindern.
Die Beschwerdeführerin bringt dazu vor, bei den im § 35 Abs. 1 StVO genannten Gegenständen müsse es sich um solche handeln, "die den Sicherheitseinrichtungen des Straßenverkehrs widersprechen", wobei die Beschwerdeführerin dies von der Überschrift vor § 31 StVO, "Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs" ableitet. Dabei übersieht sie aber die Überschrift vor § 35 StVO, welche "Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen" lautet, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.
Auch trifft es nicht zu, dass ein Entfernungsauftrag, betreffend "Werbeplakattafeln", nur auf § 84 StVO - und nicht auf § 35 StVO - gestützt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 95/02/0318); dass die gegenständlichen Werbetafeln "außerhalb des Straßengrundes" angebracht seien - so die Beschwerdeführerin in ihrer nicht zutreffenden Argumentation (vgl. § 35 Abs. 1 StVO) - ändert daran nichts. Schließlich verkennt die Beschwerdeführerin neuerlich die Rechtslage, indem sie davon ausgeht, § 35 Abs. 2 StVO sei "taxativ" zu verstehen; vielmehr handelt es sich dort um eine "demonstrative" Aufzählung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0155), sodass die diesbezüglichen Argumente der Beschwerdeführerin ins Leere gehen.
Zur Bejahung der Frage, dass durch die in Rede stehenden Werbetafeln eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs gegeben sei, stützte sich die belangte Behörde auf eine gutächtliche Äußerung des verkehrstechnischen Amtssachverständigen vom 28. Februar 2002. Dieses lautet in den wesentlichen Teilen:
"Befund
Die B 161 Pass Thurn Straße verläuft im gegenständlichen Bereich im Ortsgebiet gemäß StVO und weist einen geradlinigen Verlauf auf. Die Werbetafeln sind an den Widerlagern der Eisenbahnbrücke parallel zur Straßenachse links und rechts der B 161 angebracht. Unmittelbar vor dem Widerlager befindet sich für die Fahrt Richtung Kitzbühel ein Vorwegweiser für die nachfolgende Straßenkreuzung. Die an den Widerlagern der Eisenbahnbrücke angebrachten Werbetafeln tauchen im Gesichtsfeld der Verkehrsteilnehmer in einer Entfernung von ca. 70 m Richtung Jochberg und ca. 60 m Richtung St. Johann als solche erkennbar auf. Der Tafelinhalt ist aus einer Entfernung von ca. 20 m erkennbar und aus einer Entfernung von ca. 10 m lesbar.
Die Verkehrsbelastung der B 161 im gegenständlichen Bereich beträgt anhand der Verkehrszählung 2000 ca. 16.600 Fahrzeuge/24 h.
Im Nahbereich (ca. 70 m) der gegenständlichen Werbeanlage befindet sich die Zu- und Abfahrt zum Tennisplatz sowie die Einbindung der Aufschließungsstraße Kasperfeld und Schlossberg in die B 161 Pass Thurn Straße. Gegenüber befindet sich die Zu- und Abfahrt zu den Stadtwerken Kitzbühel. Zusätzlich befinden sich in einer Entfernung von ca. 60 m und ca. 130 m Bushaltestellen, welche von 21 Buskursen täglich angefahren werden.
In Richtung St. Johann sind in einer Entfernung von ca. 70 und 170 m 2 Schutzwege zur Querung der B 161 angelegt sowie verordnet und in ca. 180 m folgt die "Kasperkreuzung" in Form eines Kreisverkehrs. In Richtung Jochberg ist in einer Entfernung von ca. 155 m ein Schutzweg zur Querung der B 161 angelegt. Weiters befinden sich im gegenständlichen Bereich der B 161 zahlreiche Hauszufahrten sowie eine Tankstellenzu- und abfahrt.
Beurteilung
Der gegenständliche Straßenabschnitt der B 161 zählt auf Grund der Verkehrsbelastung zu den starkbelasteten Bundesstraßen Tirols, sodass an die Verkehrsteilnehmer durch die hohe Verkehrsstärke an sich besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Werbetafeln deshalb angebracht werden, um von den an der B 161 fahrenden Verkehrsteilnehmern gesehen und gelesen zu werden (ansonsten wären sie sinnlos). Der Umstand, dass Werbung einen Teil der zur Verfügung stehenden Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf sich ziehen soll, um erkannt und inhaltlich erfasst zu werden, führt auf Grund der Lage der Werbetafeln parallel zur Straßenachse unwillkürlich zur Drehung des Kopfes/Blickrichtung während der Fahrt durch Fahrzeuglenker. Da der Tafelinhalt frühestens aus einer Entfernung von 20 m wahrgenommen und gelesen werden kann, bleiben bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h (entspricht 13,8 m/sec) nur wenige Sekunden Zeit, um die Information aufzunehmen und zu verarbeiten. Dieser Zeitraum wird jedoch unter der Voraussetzung des Fahrens auf Sicht für die Beobachtung des Verkehrsgeschehens und im gegenst. Fall für die Fahrtrichtung Kitzbühel zur Wahrnehmung des Inhaltes des Vorwegweisers für die folgende Kreuzung in Anspruch genommen ...
Das o.a. hohe Verkehrsaufkommen auf der B 161, die hohe Wahrscheinlichkeit von Fußgängerquerungen im Bereich der Bushaltestellen und Schutzwege sowie die dichte Folge von Kreuzungen und Hauszufahrten erfordern im gegenständlichen Bereich eine erhöhte Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer. Eine auch nur teilweise Ablenkung durch die Betrachtung der errichteten Werbetafeln ist geeignet, die erforderliche Aufmerksamkeit zu beeinträchtigen, insbesondere wenn der Inhalt nur durch Drehung des Kopfes erfassbar ist.
Auf Grund dieser Umstände ist zu erwarten, dass die beantragten Werbetafeln geeignet sind, die Sicherheit in diesem Straßenabschnitt wesentlich zu beeinträchtigen, sodass die Werbetafeln zu entfernen sind."
Der Verwaltungsgerichtshof erachtet dieses Gutachten für ausreichend und schlüssig. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin bedurfte es daher zur Beurteilung, ob durch die in Rede stehenden Werbetafeln die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird, keiner Beiziehung eines "Verkehrspsychologen". Mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 9. September 1990, Zl. 89/03/0169, ist für die Beschwerdeführerin - abgesehen davon, dass dieses Erkenntnis zu § 84 Abs. 3 StVO erging - auch deshalb nichts gewonnen, weil dort nicht gesagt wurde, dass zur Beurteilung der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs in jedem Fall ein Sachverständiger aus dem Gebiet der Verkehrspsychologie beizuziehen ist.
Vielmehr ist der Gerichtshof der Ansicht, dass aus dem zitierten Gutachten vom 28. Februar 2002 "bestimmte konkrete Umstände" entnehmbar sind, die an den betreffenden Ort die Tafeln als Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit erscheinen lassen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 95/02/0318), wobei den von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Erfassung des Inhaltes der Werbung ins Treffen geführten Umständen, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei ein Plakat angebracht gewesen, das keinerlei Zahlen enthalte, auch befinde sich keine Tankstelle mehr im beschriebenen Straßenbereich, keine wesentliche Bedeutung zukommt, zumal es - was die fehlenden Zahlen betrifft -, um wechselnde Plakate geht. Ob aber der Auftraggeber dieser Plakate ausdrücklich Wert auf diesen Anbringungsort gelegt hat, ist rechtlich unerheblich.
Es trifft zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 1. Juli 1968, Zl. 345/68, (ZVR 1969/237 und nicht 1967) unter Hinweis auf § 35 Abs. 1 lit. a StVO zum Ausdruck gebracht hat, dass die Behörde vor Erlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 35 Abs. 1 lit. b StVO zu prüfen hat, ob eine Änderung des Gegenstandes dazu geführt hätte, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht weiter beeinträchtigt worden wäre.
Die Beschwerdeführerin bringt insoweit vor, es hätte die Anordnung der Überklebung der Tafeln oder die Entfernung der Plakate ausgereicht. Sie legt allerdings nicht dar, inwieweit sie ein Interesse daran haben könnte, dass "Werbetafeln" ohne Werbung - somit etwas Sinnloses - angebracht bleiben. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenem, welcher dem zitierten hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1968 zu Grunde lag, weil dort nicht auszuschließen war, dass nach allfälliger Änderung dennoch eine (zulässige) Werbung weiterbestehen könnte.
Soweit die Beschwerdeführerin aber darauf hinweist, es gebe auf verschiedenen anderen, näher bezeichneten Stellen zahlreiche Plakattafeln im Bereich von Bundesstraßen, welche offenbar im Sinne des § 35 StVO tragbar erschienen, sodass die Behörde ihr gegenüber Willkür geübt hätte, vermag sie gleichfalls eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1987, Zl. 87/03/0112, sowie die bei Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, Kurzkommentar,
3. Auflage, S. 514, zu Art. 2 StGG zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes).
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002020210.X00Im RIS seit
10.03.2005