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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §24 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/08/0126 E 15. März 2005Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 27. Mai 2004, Zl. LGS NÖ/RAG/12181/2004, betreffend Widerruf der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.085,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftstelle des Arbeitsmarktservice vom 10. März 2004 wurde der Bezug der Notstandshilfe durch den Beschwerdeführer (einen Staatsangehörigen von Sierra Leone) für den Zeitraum vom 15. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2003 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen. Begründend wurde ausgeführt, wegen einer mit 1. Juli 2003 erfolgten Änderung des § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG habe der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Notstandshilfe, da er in Österreich nicht aufenthaltsberechtigt sei.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer im Wesentlichen dar, die Bundespolizeidirektion St. Pölten habe ihm bis September 2004 Abschiebungsaufschub bewilligt. Die Abschiebung sei somit nicht vollstreckbar.
Im Verwaltungsakt befinden sich des Weiteren Aktenvermerke vom 12. Februar 2004 und vom 11. Mai 2004, nach denen laut Auskunft der Bundespolizeidirektion St. Pölten Abschiebungsaufschub bis 18. März 2004 bzw. bis 18. September 2004 gewährt worden ist.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel. Während seiner Haftzeit habe er vom 20. Juni 2000 bis 24. Mai 2002 Versicherungszeiten gemäß § 66a AlVG erworben. Am 29. Mai 2002 habe der Beschwerdeführer die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt, welches ihm auch bis zum gesetzlichen Höchstausmaß am 15. Oktober 2002 ausbezahlt worden sei. Er habe einen Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 18. Juni 2002 vorgelegt, mit welchem ihm im Hinblick auf die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Dezember 1997 erlassene Ausweisung ein Abschiebungsaufschub bis 18. Dezember 2002 gewährt worden sei. Der Abschiebungsaufschub sei jeweils bis 18. März 2003 und 18. September 2003 verlängert worden. Im Anschluss an den Arbeitslosengeldbezug habe der Beschwerdeführer die Zuerkennung von Notstandshilfe beantragt. Diese sei ihm für die Zeit vom 16. Oktober 2002 bis 14. Oktober 2003 zuerkannt worden. Am 10. Oktober 2003 (geltend für 15. Oktober 2003) habe der Beschwerdeführer die Verlängerung der Zuerkennung der Notstandshilfe beantragt, was ihm gewährt worden sei. Bis 31. Dezember 2003 sei die Notstandshilfe auch ausbezahlt worden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 15. März 2004 habe der Beschwerdeführer, gegen den ein Ausweisungsbescheid vom 12. Dezember 1997 vorliege, einen Abschiebungsaufschub bis 18. September 2004 zuerkannt erhalten. Der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei Aufenthaltsrecht, der Abschiebungsaufschub ersetze ein solches nicht. Die Prüfung der Verfügbarkeit habe gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 nach aufenthaltsrechtlichen Grundsätzen zu erfolgen. Der Beschwerdeführer sei aufenthaltsrechtlich nicht berechtigt, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben. Mangels Vorliegens eines Aufenthaltsrechtes könnte keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, die ihm eine Beschäftigung ermöglichen würde, erteilt werden. Da der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung nicht aufnehmen könne und dürfe, habe er auch keinen Anspruch auf Notstandshilfe, weshalb deren Zuerkennung zu widerrufen gewesen sei. Mangels Erfüllung eines Rückforderungstatbestandes sei von einer Verpflichtung zum Rückersatz der bereits bezogenen Leistungen abzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 609/1977 ist die Zuerkennung von Arbeitslosengeld zu widerrufen oder dessen Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.
Die Abs. 1 bis 3 des § 7 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 haben folgenden Wortlaut:
"§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
1.
der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2.
die Anwartschaft erfüllt und
3.
die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person,
1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,
2. die aufenthaltsrechtlich berechtigt ist, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und
3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."
Gemäß § 38 AlVG sind die genannten Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er werde durch den angefochtenen Bescheid unzulässig als Ausländer diskriminiert. Ein Österreicher würde in vergleichbarer Situation Notstandshilfe erhalten. Es widerspreche dem Grundprinzip der Versicherung, Personen als Beitragszahler in eine Risikogemeinschaft aufzunehmen, die im Versicherungsfall vom Bezug der Versicherungsleistung von vornherein ausgeschlossen wären.
Im vorliegenden Fall erübrigt es sich allerdings aus folgenden Gründen darauf einzugehen, ob die vom Beschwerdeführer angesprochene Diskriminierung vorliegt und - im Hinblick auf die Ausführungen in dem vom Beschwerdeführer erwähnten hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/0314 - die Neufassung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG der Verfassung widerspricht:
Voraussetzung für die rückwirkende Berichtigung einer Geldleistung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist nämlich, dass sich der Änderungsgrund nachträglich herausgestellt hat oder ein Rückforderungstatbestand verwirklicht ist (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, Zl. 2003/08/0237, mwN).
Das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes hat die belangte Behörde selbst verneint (vgl. dazu, dass ein solcher mangels Information des Arbeitslosen, der bereits Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezieht, über eine Änderung der dafür maßgebenden Rechtslage gegebenenfalls nicht verwirklicht wird, das genannte hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004).
Im Übrigen hat sich die belangte Behörde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer mangels Vorliegens eines Aufenthaltsrechts keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, die ihm die Aufnahme einer Beschäftigung ermöglichen würde, erhalten könne und deshalb die ab 1. Juli 2003 geltenden Anforderungen des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG nicht erfülle. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass dem Arbeitsmarktservice die Änderung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG am 15. Oktober 2003 (Beginn des Widerrufeszeitraumes) bereits bekannt war und dennoch Notstandshilfe ausbezahlt wurde. Abgesehen davon hat die belangte Behörde nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer vor diesem Zeitpunkt die Kriterien des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG in der ab 1. Juli 2003 geltenden Fassung erfüllt bzw. sich erst danach herausgestellt hätte, dass der Beschwerdeführer sie nicht erfüllt hat. Vielmehr hat die belangte Behörde selbst festgestellt, dass gegen den Beschwerdeführer ein Ausweisungsbescheid vom 12. Dezember 1997 vorliege und bloß hinsichtlich der Abschiebung immer wieder Aufschub gewährt worden sei. Ein Änderungsgrund der sich erst nachträglich herausgestellt hätte wurde somit von der belangten Behörde nicht festgestellt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, wobei Kostenersatz nur im Rahmen des gestellten Begehrens zuzuerkennen war.
Wien, am 26. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080162.X00Im RIS seit
22.02.2005