TE Vfgh Erkenntnis 2001/6/12 B1680/00

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Veröffentlicht am 12.06.2001
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §2 Abs1
Tir GVG 1996 §6 Abs1 litb

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs aufgrund der denkmöglichen Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag der Beschwerdeführer auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 27.4.1999 verkaufte die Erstbeschwerdeführerin ihren 2/15 Anteil an der Liegenschaft EZ 46, GB 80006 Karrösten, bestehend aus näher bezeichneten Grundstücken im Gesamtausmaß von 1,1672 ha, an den Zweitbeschwerdeführer.

Die Bezirks-Grundverkehrskommission Imst versagte diesem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung, da der Erwerber zwar Landwirt sei, durch den Rechtserwerb aber die Chance auf eine Besitzbereinigung im Familienverband vereitelt werde, zumal eine Miteigentümerin bereits die Absicht bekundet habe, das gesamte landwirtschaftliche Anwesen weiterzuführen. Aufgrund der bereits bestehenden Unstimmigkeiten sei davon auszugehen, daß es zwischen dem Rechtserwerber und den übrigen Miteigentümern nur schwer zu sinnvollen Vereinbarungen hinsichtlich der zukünftigen Bewirtschaftung kommen werde. Es sei zu befürchten, daß durch den vorliegenden Rechtserwerb die landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke verhindert oder zumindest erheblich erschwert werde. Der Rechtserwerb widerspreche daher den allgemeinen Genehmigungsvoraussetzungen des §6 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im folgenden: TGVG 1996).

2. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im folgenden: LGVK) wies die dagegen erhobene Berufung nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 28.8.2000 als unbegründet ab und führte aus, daß sämtliche Miteigentümer neben der Beschwerdeführerin der LGVK schriftlich mitgeteilt hätten, daß an eine Auflösung der derzeit bestehenden Pachtverträge mit Bauern in Karrösten, die den landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, nicht gedacht und einem Rechtserwerb durch den Zweitbeschwerdeführer nicht zugestimmt werde.

Nach Auffassung der LGVK stehen aufgrund dieser Erklärungen einer Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber rechtliche Gründe entgegen, da eine ordnungsgemäße Nutzung der von ihm erworbenen Anteile gegen den Willen der Mehrheitseigentümer rechtlich auszuschließen sei. Insbesondere sei es auch nicht möglich, als Minderheitseigentümer mit 2/15 Anteilen die Verpachtung zu verhindern. Es könne lediglich die zivile Teilung der Liegenschaft verfolgt werden. Eine ausreichend verläßliche Prognose im Sinne des §6 Abs1 litb TGVG 1996 könne sohin nicht erfolgen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Es ist unbestritten, daß das den Gegenstand des Kaufvertrages bildende Grundstück als landwirtschaftlich im Sinne des §2 Abs1 TGVG 1996 zu qualifizieren ist und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Der durch den Kaufvertrag beabsichtigte Eigentumserwerb bedarf daher zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß §4 Abs1 lita leg. cit. Eine solche Zustimmung darf gemäß §6 Abs1 TGVG 1996 nur erteilt werden, wenn

"a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber glaubhaft macht, daß durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll."

Bei Nichtvorliegen der umschriebenen Voraussetzungen ist die Zustimmung zum Rechtserwerb zu versagen.

1.2. Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf §6 Abs1 litb TGVG 1996, wonach die Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden.

Bedenken gegen die dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften werden nicht geltend gemacht; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof nicht entstanden (s. zu §6 Abs1 litb TGVG 1996 bereits VfSlg. 15.324/1998 mwN).

1.3. Im Hinblick darauf ist auszuschließen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

2.1. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den bekämpften Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs sowie auf Unversehrtheit des Eigentums infolge denkunmöglicher Gesetzesanwendung verletzt. Die Entscheidung der belangten Behörde widerspreche dem in §6 Abs1 lita TGVG 1996 genannten öffentlichen Interesse, da der Erwerber Landwirt sei und die Kriterien des §6 Abs1 TGVG 1996 erfülle, während die Miteigentümer gegen das öffentliche Interesse handelten. Rechtliche Gründe stünden einer Bewirtschaftung durch den Erwerber nicht entgegen, da eine Benützungsregelung nicht ohne die Zustimmung aller Miteigentümer getroffen werden könne.

2.2. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs - gleich einer des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums - nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 14.966/1997).

2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, war im Grundverkehrsrecht seit jeher auch der Gedanke tragend, es komme darauf an, ob ein "ausreichender Grund zur Annahme vorliegt, daß der Erwerber das Gut nicht selbst (...) bewirtschaften wird" (VfSlg. 5683/1968). Demnach ist es in den durch das TGVG zu schützenden öffentlichen Interessen gelegen, daß die im Rahmen des Grundverkehrs erworbenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke von den Erwerbern selbst bewirtschaftet werden (vgl. VfSlg. 7927/1976, 8245/1978, 8518/1979).

Im vorliegenden Fall hielt die belangte Behörde eine Selbstbewirtschaftung durch den Zweitbeschwerdeführer für ausgeschlossen, weil er nur 2/15 Anteile an den Kaufgrundstücken erwarb und die übrigen Miteigentümer einer Selbstbewirtschaftung durch ihn nicht zustimmen. Eine ordnungsgemäße Nutzung der vom Zweitbeschwerdeführer erworbenen Anteile gegen den Willen der Mehrheitseigentümer sei auszuschließen. Die Nichteinigung würde in der Folge bedeuten, daß mit einer Teilung der landwirtschaftlichen Liegenschaften zu rechnen sei.

Der Verfassungsgerichtshof muß der belangten Behörde zubilligen, daß die von ihr angestellten Überlegungen naheliegen, sodaß der Annahme, dem Zweitbeschwerdeführer werde eine Selbstbewirtschaftung möglich sein, sachverhaltsmäßige und rechtliche Gründe entgegenstehen. Von einer willkürlichen Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde kann unter den gegebenen Umständen keine Rede sein (vgl. bereits VfSlg. 10.789/1986).

2.4. Die Beschwerdeführer wurden sohin nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs oder auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

3.1. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte angesichts der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nur vorliegen, wenn die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980, 10.338/1985, 11.213/1987, 12.985/1992).

3.2. Da der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen ist, vermag sich die darin getroffene Prognose auch auf das Parteivorbringen zu stützen. Über Sachverhalt und Akteninhalt bestehen zwischen belangter Behörde und Beschwerdeführern auch keine Divergenzen, vielmehr beziehen sich diese auf die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes. Daß dieses Ergebnis aus der Sicht der Beschwerdeführer unbefriedigend sein mag, indiziert noch nicht ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde (vgl. VfSlg. 13.165/1992, 13.385/1993, 13.937/1994).

3.3. Die Beschwerdeführer wurden somit auch nicht in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Die von den Beschwerdeführern für den Fall der Abweisung ihrer Beschwerde beantragte Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof kommt nicht in Frage. Die LGVK ist gemäß §28 TGVG 1996 als Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG eingerichtet. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Gesetz nur gegen Bescheide der LGVK, die Rechtserwerbe an Baugrundstücken betreffen, vorgesehen. Der Abtretungsantrag war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1680.2000

Dokumentnummer

JFT_09989388_00B01680_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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