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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §30 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des U (Deutschland), vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 19. April 2004, Zlen. uvs-2004/17/010-7 und uvs-2004/17/023-3, betreffend Aberkennung des Rechts auf Gebrauchnahme von einem ausländischen Führerschein, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt II. das Recht des Beschwerdeführers aberkannt, von seinem ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, indem ihm für die Dauer von sechs Monaten ab dem Tag der Zustellung des Bescheides das Lenken von Kraftfahrzeugen, Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen verboten wurde.
Ausgehend von der mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides bestätigten Verwaltungsübertretung des Beschwerdeführers (u.a.) nach § 5 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 stellte die belangte Behörde begründend fest, dieser habe als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges am 4. Oktober 2003 um 20.58 Uhr an näher bezeichneter Örtlichkeit den Alkotest verweigert. Die gegenständliche Übertretung sei als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 des Führerscheingesetzes - FSG anzusehen und im Sinn des § 7 Abs. 4 FSG zu bewerten. Zweifelsfrei sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer "alkoholisiert sein Fahrzeug gelenkt hat", woraus sich die Gefährlichkeit der Verhältnisse ergebe. Nach Wiedergabe des § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 30 Abs. 1 FSG hielt die belangte Behörde zusammenfassend fest, dass beim Beschwerdeführer, weil er den "Alkotest verweigerte", vom Fehlen der Verkehrszuverlässigkeit auszugehen sei (wobei die belangte Behörde u. a. bezüglich der "Entzugsdauer" auf einen vom Beschwerdeführer verursachten Verkehrsunfall und "sein gesamtes Verhalten anlässlich der Anhaltung" abstellte).
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Vorschriften des FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 lauten (auszugsweise):
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. ...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen, ist;
2. ...
(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
(5) ...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
...
Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer ausländischer Lenkberechtigungen
§ 30. (1) Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen kann das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. ..."
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, jedenfalls dann auszusprechen, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen (vgl. das Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0023, mwN). Die belangte Behörde begründete den hier zu beurteilenden Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides damit, dass dem Beschwerdeführer die Verkehrszuverlässigkeit im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG fehle.
Unabdingbare Voraussetzung für die Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit eines Inhabers einer Lenkberechtigung ist, wie der Wortlaut des § 7 Abs. 1 FSG unmissverständlich zum Ausdruck bringt, das Vorliegen zumindest einer erwiesenen bestimmten Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 FSG. Fehlt es an einer solchen bestimmten Tatsache, so darf die Verkehrszuverlässigkeit auch dann nicht verneint werden, wenn der Betreffende im Übrigen eine größere Zahl gerichtlich strafbarer Handlungen und/oder Verwaltungsübertretungen begangen hat. Für eine Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit im Wege einer "gesamthaften Zusammenschau" des Fehlverhaltens ist im FSG, sofern keine der strafbaren (wiederholten) Handlungen eine bestimmte Tatsache bildet, kein Raum (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2004, Zl. 2004/11/0178, mwN).
Die belangte Behörde erblickte im gegenständlichen Fall eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z 1 FSG vor allem in der Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO 1960, die der Beschwerdeführer begangen habe, weil er die Untersuchung seiner Atemluft auf den Alkoholgehalt verweigert habe, und wegen der er nach dem Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides rechtskräftig bestraft wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung an die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers gebunden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2003/11/0140).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem gegenüber den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bereits erlassenen Erkenntnis vom 19. November 2004, Zl. 2004/02/0196, den Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides betreffend die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 aufgehoben. Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Entscheidungsgründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Untersuchung seiner Atemluft auf den Alkoholgehalt nicht verweigert - eine diesbezügliche Bestrafung kommt daher auch im fortgesetzten Verfahren nicht mehr in Betracht -, sodass darin auch keine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z 1 FSG gelegen ist.
Daran ändert die genannte Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nichts. Nach der hg. Judikatur zu § 42 Abs. 3 VwGG kommt den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes ex tunc Wirkung zu, sodass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (vgl. die in Mayer, B-VG3, auf Seite 766 angeführte Rechtsprechung sowie beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/11/0066). Der vorliegende Beschwerdefall ist daher seit der Erlassung des zitierten Erkenntnisses, Zl. 2004/02/0196, in rechtlicher Hinsicht so zu beurteilen, als wäre von Anfang an keine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des genannten Alkoholdeliktes und damit auch keine daran anknüpfende Bindungswirkung vorgelegen (vgl. auch Stöger, Verwaltungsgerichtliche Kassation und "aufbauende Bescheide", Seite 86).
Damit verbleibt für die von der belangten Behörde angenommene Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z 1 FSG nur mehr die - auf eine Übertretung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 hindeutende - Feststellung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe "sein Fahrzeug alkoholisiert gelenkt". Zu diesem Delikt hat die belangte Behörde (ausgehend von der unzutreffenden Rechtsansicht über die Verwertbarkeit der Untersuchungsergebnisse der Atemluftuntersuchung des Beschwerdeführers) jedoch keine schlüssigen Ermittlungsergebnisse dargelegt und daher auch in dieser Hinsicht die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war somit in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im Hinblick auf den im zitierten Erkenntnis, Zl. 2004/02/0196, erfolgten Kostenzuspruch an den Beschwerdeführer im beantragten Ausmaß war eine weitere Kostenentscheidung nicht zu treffen.
Wien, am 27. Jänner 2005
Schlagworte
Alkotest Verweigerung Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004110118.X00Im RIS seit
07.03.2005