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22/02 Zivilprozessordnung;Norm
GGG 1984 §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der W Versicherung AG in W, vertreten durch Rechtsanwälte Neudorfer Griensteidl Hahnkamper Stapf & Partner in 1010 Wien, Eßlinggasse 9, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 21. September 2004, Zl. Jv 3057-33/04, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Anfechtungsklage vom 14. Jänner 2000 begehrte die Klägerin Dr. Sch. als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des D. wider die Beschwerdeführerin als beklagte Partei, die Entgegennahme des Betrages von S 500.000,-- am 22. April 1999 seitens der Beschwerdeführerin werde gegenüber den Gläubigern im Konkurs des Gemeinschuldners für unwirksam erklärt, die Beschwerdeführerin sei schuldig, an die Konkursmasse binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution S 500.000,-- samt 4 % Zinsen "seit Klagstag" zu bezahlen und die Beschwerdeführerin sei weiters schuldig, die Prozesskosten zu ersetzen. Unter einem beantragte die Klägerin die Gewährung von Verfahrenshilfe "in vollem Umfang".
Mit Beschluss vom 19. Jänner 2000 bewilligte das Handelsgericht Wien u.a. die Verfahrenshilfe im Umfang der einstweiligen Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren.
Mit Urteil vom 4. Oktober 2000 wies das Erstgericht das Klagebegehren in vollem Umfang ab und verpflichtet die Klägerin zum Ersatz der Prozesskosten, wogegen die Klägerin Berufung erhob.
Das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung mit Urteil vom 27. April 2001 teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass die Entgegennahme eines Teilbetrages von S 100.000,-- gegenüber den Konkursgläubigern für unwirksam erklärt werde und die Beschwerdeführerin schuldig sei, binnen 14 Tagen S 100.000,-- samt Zinsen an die Konkursmasse zu bezahlen; das Mehrbegehren werde abgewiesen. Weiters wurde die Klägerin - entsprechend ihrem überwiegenden Unterliegen teilweise - zum Ersatz von Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 43 Abs. 1 ZPO sowie des Berufungsverfahrens gemäß § 43 Abs. 1 und § 50 ZPO verpflichtet. Den ihrem teilweisen Unterliegen entsprechenden Kostenanteil hatte demnach die Beschwerdeführerin als Beklagte selbst zu tragen. Schließlich sprach das Oberlandesgericht Wien aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen den das Klagebegehren abweisenden Teil dieses Urteiles erhob die Klägerin außerordentliche Revision (Revisionsinteresse S 400.000,--), die vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 9. August 2001 "gemäß § 508a Abs. 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs. 3 ZPO)" wurde.
Mit Zahlungsauftrag vom 3. September 2004 schrieb die Kostenbeamtin des Handelsgerichtes Wien der Beschwerdeführerin die Zahlung von 20 % der Pauschalgebühren nach Tarifpost 1, 2 und 3 GGG im Gesamtbetrag von EUR 446,79 sowie der Einhebungsgebühr im Betrag von EUR 7,-- vor. In dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag vertrat die Beschwerdeführerin den Standpunkt, sie sei zwar in erster und zweiter Instanz mit 20 % unterlegen, in dritter Instanz habe sie jedoch zur Gänze obsiegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge. Begründend führte sie zusammengefasst aus, die Klägerin sei mit 20 % ihrer Forderung durchgedrungen, 80 % ihrer Forderung seien abgewiesen worden. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 43 Abs. 1 ZPO. Das bedeute, dass der Gegner der gebührenbefreiten Partei, die Beschwerdeführerin, gemäß § 20 GGG lediglich zu 20 % hinsichtlich der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 (Klage), der Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 (Berufung der Klägerin) und der Pauschalgebühr nach Tarifpost 3 GGG (ao. Revision der Klägerin) zahlungspflichtig sei. Für die Kostenentscheidung sei stets das Endergebnis des Verfahrens maßgeblich, auf die Einzelentscheidung in einer der Instanzen komme es nie an. Da somit der Zahlungsauftrag vom 3. September 2004 zu Recht bestehe, sei dem Berichtungsantrag keine Folge zu geben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf korrekte Vorschreibung der Pauschalgebühr unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie in dritter Instanz voll obsiegte, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, dass die Klägerin auf Grund der ihr gewährten Verfahrenshilfe u.a. von der Entrichtung der Pauschalgebühr für das Revisionsverfahren (einstweilen) befreit war.
Die Beschwerdeführerin erblickt die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, die belangte Behörde übersehe, dass die außerordentliche Revision vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 9. Oktober 2001 zurückgewiesen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe in dritter Instanz zur Gänze obsiegt.
Gemäß § 20 GGG ist in den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenfreiheit aus anderen Gründen (§ 10) der Gegner zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben.
Gemäß § 70 ZPO sind die in § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge, von deren Bestreitung die Partei einstweilen befreit ist, unmittelbar beim Gegner einzuheben, soweit diesem die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind oder er sie in einem Vergleich übernommen hat. Das Gericht hat auch dann, wenn die Partei zwar obsiegt, aber keinen Kostenersatz beansprucht, darüber zu entscheiden, ob und inwieweit der Gegner zum Ersatz der in § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge verpflichtet ist. Ist der Gegner der Partei zum Kostenersatz verpflichtet, so ist bei der Kostenfestsetzung so vorzugehen, als wäre der Rechtsanwalt der Partei nicht vorläufig unentgeltlich beigegeben worden.
§ 20 GGG stellt - abgesehen vom Fall der Übernahme von Kosten durch Vergleich - ebenso wie § 70 erster Satz ZPO darauf ab, wie weit dem Gegner der von der Zahlung der Gerichtsgebühren befreiten Partei "die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind". Eine Auferlegung von Kosten des Rechtsstreites erfolgt im Rahmen der Kostenentscheidung des Gerichtes nach den §§ 40 ff ZPO oder durch einen Abspruch nach § 70 zweiter Satz ZPO (vgl. Tschugguel-Pötscher, Gerichtsgebühren7, FN 4 zu § 20 GGG; vgl. auch M. Bydlinski in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 2. Band/1. Teilband, Rz. 2 und 6 f zu
§ 70 ZPO). Hat das Gericht weder über den Kostenersatzanspruch der gebührenbefreiten Partei noch über die Verpflichtung des gebührenpflichtigen Gegners zum Ersatz der in § 64 Abs. 1 Z. 1 ZPO genannten Beträge nach § 70 zweiter Satz ZPO abgesprochen und hat dieser auch in einem Vergleich Kosten nicht übernommen, dann findet § 20 GGG keine Anwendung (Tschugguel-Pötscher, aaO, FN 7 zu § 20 GGG).
Die das Gerichtsgebührengesetz und das Gerichtliche Einbringungsgesetz vollziehenden Justizverwaltungsorgane sind an die Entscheidungen der Gerichte gebunden (vgl. etwa die in Tschugguel-Pötscher, aaO, unter E 9 zu § 1 GGG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. April 2001 ergibt sich nur, dass die Beschwerdeführerin entsprechend ihrem teilweisen Unterliegen für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren keinen vollen Kostenersatz zugesprochen erhielt. Dagegen mangelt es an jeglicher gerichtlichen Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens, für die insbesondere auch das zitierte Urteil des Oberlandesgerichtes Wien keine Bedeutung entfalten konnte, sodass der Beschwerdeführerin Kosten des Revisionsverfahrens nicht auferlegt wurden und sie damit auch keine Verpflichtung nach § 20 GGG zur Entrichtung der Gerichtsgebühr für diesen Verfahrensabschnitt treffen kann.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004160207.X00Im RIS seit
22.02.2005Zuletzt aktualisiert am
24.05.2013