TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/27 2003/11/0040

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Veröffentlicht am 27.01.2005
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §7 Abs3 Z7 lita;
FSG 1997 §7 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Rose-Marie Rath, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weißgerber Lände 40, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. April 2002, Zl. MA 65 - 8/106/2002, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt vom 4. Dezember 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, D, F und G gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 FSG abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe am 8. Oktober 2001 ein Kraftfahrzeug mit einem ungültigen Führerschein gelenkt; der mitgeführte, befristete Führerschein sei nur bis zum 10. August 1999 gültig gewesen. Im Rahmen der Begründung führte die Erstbehörde aus, ein neuerlicher Antrag könne erst in drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides (welche am 29. Jänner 2002 erfolgte) gestellt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. April 2002 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Die belangte Behörde führte zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen aus, die erstinstanzliche Behörde habe ihrer Entscheidung zugrundegelegt, dass der Beschwerdeführer -

als Lenker eines Kraftfahrzeuges - am 8. Oktober 2001 im Ortsgebiet von Kleinhaugsdorf an einer näher bezeichneten Örtlichkeit in Richtung Tschechien ohne gültige Lenkberechtigung betreten worden sei und deswegen mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 12. November 2001, rechtskräftig bestraft worden sei. In der Berufung habe er bestritten, sich dieses Deliktes schuldig gemacht zu haben und ausgeführt, dass er lediglich keinen gültigen Führerschein bei sich gehabt habe. Dieser habe sich abholbereit im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien befunden und habe von ihm nur aus terminlichen Gründen nicht rechtzeitig abgeholt werden können. Damit verkenne der Beschwerdeführer aber die Rechtslage. Es sei zwar richtig, dass auf Grund seines Antrages auf Erteilung einer unbefristeten Lenkberechtigung das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei und der Amtsarzt sich in seinem Gutachten vom 13. Juli 2001 für eine Befristung der Lenkberechtigung auf weitere zwei Jahre ausgesprochen habe. Damit sei aber die Lenkberechtigung noch nicht erteilt worden, zumal das Verfahren noch nicht seinen Abschluss durch mündliche Erteilung der Lenkberechtigung und Aushändigung des Führerscheines gefunden habe. Da das Erteilungsverfahren auch nicht auf andere Weise abgeschlossen worden sei, etwa durch bescheidmäßige Absprache über die Erteilung einer bloß befristeten Lenkberechtigung an Stelle der beantragten unbefristeten Lenkberechtigung, sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung gewesen sei. Das Erteilungsverfahren habe erst mit der Erlassung des Bescheides durch die Behörde erster Instanz sein Ende gefunden. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer seit Juli 2001 nicht bei der Erstbehörde erschienen, um den Führerschein in Empfang zu nehmen.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die der Bestrafung des Beschwerdeführers zugrundeliegende Tathandlung eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 FSG bilde. Die Verwerflichkeit der Straftat des Lenkens eines Fahrzeuges ohne im Besitz einer entsprechenden Lenkberechtigung zu sein, liege im bewussten Hinwegsetzen über gesetzliche Vorschriften und behördliche Anordnungen. Damit werde eine Sinnesart offenbar, die der von einem Kraftfahrzeuglenker zur erwartenden Einstellung gegenüber der Allgemeinheit geradezu diametral gegenüberstehe. Diese Sinnesart des Beschwerdeführers ließe besorgen, dass er auch in Hinkunft nicht gewillt sei, die einzuhaltenden Vorschriften zu beachten, und er somit die Verkehrssicherheit gefährden würde. Auch sei die seit der Tathandlung verstrichene Zeit, während der sich der Beschwerdeführer keine weiteren einschlägigen Delikte habe zuschulden kommen lassen, zu kurz, um bereits auf eine nachhaltige Änderung einer Sinnesart und damit auf die wiedererlangte Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG schließen zu können.

Der in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides genannte Zeitraum von 3 Monaten, nach dessen Verstreichen ein neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung als zielführend erachtet würde, stelle keinen rechtsverbindlichen Ausspruch über die Dauer der Versagung einer Lenkberechtigung dar, sondern einen unverbindlichen Hinweis darauf, ab welchem Zeitpunkt frühestens mit der positiven Erledigung einer neuerlichen Bewerbung um eine Lenkberechtigung zu rechnen sei. Dieser Zeitangabe komme, da sie nicht im Spruch angeführt sei, keine rechtsverbindliche Aussagekraft zu und sie unterliege auch nicht behördlicher Abänderung im Instanzenzug. Im Übrigen müsse dieser angeführte Zeitraum als Minimum des Erforderlichen angesehen werden, da frühestens nach Ablauf dieser Frist aus einem bis dahin gezeigten Wohlverhalten auf eine nachhaltige Änderung der Sinnesart und damit auf die Verkehrszuverlässigkeit geschlossen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes in der Fassung vor der 5. Führerscheingesetz-Novelle (FSG), lauten:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigen Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

7. ein Kraftfahrzeug lenkt

a) ohne gültige Lenkberechtigung,

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

..."

Der Beschwerdeführer gesteht zu, dass er am 8. Oktober 2001 "ohne Mitführung einer gültigen Lenkberechtigung" beim Lenken eines (Kraft-)Fahrzeuges betreten worden sei. Es sei ihm zwar die Lenkberechtigung noch nicht rechtswirksam erteilt worden, das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung sei aber bereits in einem solchen Stadium gewesen, dass der Beschwerdeführer den Führerschein nur mehr übernehmen hätte müssen und dieser bereits bei der erteilenden Behörde zur Abholung, somit zur Erteilung bereitgelegen sei. Sämtliche Voraussetzungen zur Erteilung bis auf die tatsächliche Übernahme seien zum Tatzeitpunkt vorgelegen. Der Beschwerdeführer habe sich in einem Rechtsirrtum befunden, weil er im Hinblick auf eine im Juli 2001 erhaltene Mitteilung der Behörde, dass er die Lenkberechtigung bei der erteilenden Behörde in Empfang nehmen könne - wobei nicht beigefügt gewesen sei, dass die Erteilung der Lenkberechtigung erst durch die Übernahme des Führerscheines erfolge -, davon ausgegangen sei, die Lenkberechtigung sei bereits erteilt und es liege lediglich "diese bereits erteilte Lenkerberechtigung zur Abholung bereit". Diese Frage sei für die Vorwerfbarkeit der Tat von Bedeutung, die belangte Behörde hätte eine Berufungsverhandlung durchführen, darüber Ermittlungen durchführen und Feststellungen treffen müssen, was sie unterlassen habe. Es liege somit kein bewusstes Hinwegsetzen über Vorschriften oder behördliche Anordnung vor. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer die gegenständliche Fahrt nur aus "moralischem Notstand" heraus unternommen, um einen Freund, der jenseits der tschechischen Grenze einen Unfall erlitten hatte, abzuholen.

Das Beschwerdevorbringen ist im Ergebnis zielführend.

Unbestritten hat der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt ein Kraftfahrzeug gelenkt, ohne dass ihm eine gültige Lenkberechtigung erteilt worden war, weshalb eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z 7 lit. a FSG vorlag. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 iVm Abs. 3 FSG nicht schon allein das Vorliegen einer bestimmten Tatsache genügt, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, dass der Betreffende wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird. Im Rahmen dieser Wertung hat die Behörde insbesondere auch die näheren Umstände der vom Beschwerdeführer gesetzten Tat, deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit zu beurteilen. An Hand dieser Kriterien hat die Behörde zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Verkehrszuverlässigkeit fehlt oder nicht.

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer, wie er vorbringt, in einem Rechtsirrtum dahin verfangen gewesen sei, er sei bereits berechtigt gewesen, ein Kraftfahrzeug zu lenken, weil ihm die Behörde mitgeteilt habe, er könne den Führerschein in Empfang nehmen, ohne dass die Behörde zusätzlich einen Hinweis gegeben hätte, dass die Erteilung der Lenkberechtigung erst mit der Übernahme des Führerscheines erfolge. Der die Versagung der Lenkberechtigung bestätigende angefochtene Bescheid wurde am 22. August 2002 zugestellt und damit erlassen. Zu diesem Zeitpunkt - ca. 10 ½ Monate nach dem Vorfall vom 8. Oktober 2001 - wäre der Beschwerdeführer jedenfalls nicht mehr als verkehrsunzuverlässig anzusehen, die Versagung der Lenkberechtigung aus dem Grunde der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit daher unzulässig. Wenn die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides auf die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers hinwies, ist ihr zu entgegnen, dass sie das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung erfüllt und es habe nur mehr der Formalakt der Erteilung (Aushändigung des Führerscheines) gefehlt, offensichtlich nicht zu widerlegen vermochte. Im Rahmen der Wertung hat sie dies jedoch gänzlich unberücksichtigt gelassen und verkannt, dass die Verwerflichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht als derart hoch angesehen werden kann wie das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung im Allgemeinen. Besondere Umstände, die die Auffassung der belangten Behörde dennoch stützten könnten, haben sich nicht ergeben.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Jänner 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003110040.X00

Im RIS seit

02.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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