TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/28 2002/01/0354

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Veröffentlicht am 28.01.2005
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §14 Abs1 Z1;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des S in T, geboren 1972, vertreten durch Dr. Gerhard Strobich, Rechtsanwalt in 8793 Trofaiach, Roseggerstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. Mai 2002, Zl. 14.209.433/0- XI/38/02, betreffend § 14 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro (ehemals Bundesrepublik Jugoslawien), stammt aus dem Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe an und ist muslimischen Glaubens. Er reiste am 12. Oktober 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 14. Oktober 1998 einen Asylantrag.

Der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) gewährte dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen (rechtskräftigen) Bescheid vom 26. Mai 1999 Asyl und stellte gemäß § 12 AsylG fest, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die belangte Behörde ging in der Begründung dieses Bescheides davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Ethnie der Kosovo-Albaner ausreiche, um in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von staatlicher Seite oder mit deren Duldung verfolgt zu werden.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2002 teilte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer mit, dass er laut einer Mitteilung der österreichischen Botschaft in Belgrad, Außenstelle Prishtina, im Oktober 2001 mit seinem Konventionsreisepass, der für alle Staaten mit Ausnahme der Bundesrepublik Jugoslawien gültig sei, in den Kosovo gereist sei. Es sei beabsichtigt, ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers einzuleiten, und er werde aufgefordert, dazu binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Stellungnahme vom 28. Februar 2002 bestätigte der Beschwerdeführer, dass er im Oktober 2001 mit seinem Konventionsreisepass in den Kosovo eingereist sei. Diese Einreise sei jedoch nur deswegen erfolgt, weil seine im Kosovo verbliebene Mutter an Krebs erkrankt sei. Ihr Zustand sei nach einer Operation so schlecht gewesen, dass der Beschwerdeführer von seinem Vater verständigt worden sei und jedes Risiko auf sich genommen habe, um seine Mutter zu besuchen. Unter normalen Umständen wäre er keinesfalls in den Kosovo gereist. Er habe in Österreich eine Frau und drei Kinder (im Alter von 8 Jahren, 4 Jahren und 3 Wochen), von denen eines bereits die Schule besuche. Er selbst sei seit über einem Jahr in Leoben berufstätig.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. März 2002 wurde das dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26. Mai 1999 gewährte Asyl "gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG 1997" aberkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 2 AsylG die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur "Bundesrepublik Jugoslawien/Kosovo" und begründete seinen Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer durch die erwähnte Reise in den Kosovo zurückgekehrt sei und sich somit wieder freiwillig unter den Schutz seines Herkunftsstaates gestellt habe. Dass der Beschwerdeführer nicht gewusst habe, dass er nicht in seinen Herkunftsstaat reisen dürfe, könne nicht den Tatsachen entsprechen. Im seinem Konventionsreisepass sei ausdrücklich angeführt, für welche Länder dieses Dokument gültig sei; bei dieser Aufzählung scheine die Bundesrepublik Jugoslawien nicht auf. Für den Beschwerdeführer sei ersichtlich und nachlesbar gewesen, in welche Länder er sich begeben dürfe bzw. für welche Länder dieses Dokument nicht gültig sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung auf die Krebserkrankung seiner Mutter hinwies; er habe nur aufgrund der besonderen Umstände das Risiko einer Reise in den Kosovo in Kauf genommen. Es wären bei der Entscheidung auch seine persönlichen Umstände zu berücksichtigen gewesen, und die Lage in seinem Heimatland sei "keinesfalls ausreichend sicher".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 14 Abs. 1 Z und § 14 Abs. 2 AsylG" ab. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer im Oktober 2001 in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, eingereist sei. Bei seiner Ausreise aus dem Kosovo sei am 19. Oktober 2001 in seinem Konventionsreisedokument von Organen der UNMIK ein Kontrollstempel eingetragen worden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer nicht freiwillig in die Provinz Kosovo gereist wäre. Die belangte Behörde kam weiters nach umfangreichen Feststellungen zur allgemeinen Situation im Kosovo zum Schluss, dass die Bedrohungssituation nach der tatsächlichen und nachhaltigen Übernahme der Hoheitsgewalt durch UNMIK und KFOR im Kosovo infolge des gänzlichen Abzuges der serbischen Sicherheitskräfte, sohin auf Grund zur Gänze geänderter Verhältnisse, weggefallen sei. Den - im angefochtenen Bescheid zuvor zitierten - Berichten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, von UNHCR, OSCE, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (FH), des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) und anderer befasster Institutionen sowie der internationalen Berichterstattung könne kein Hinweis entnommen werden, wonach derzeit zurückkehrende kosovarische Albaner grundsätzlich in ihrer notdürftigsten Lebensgrundlage bedroht wären. Vielmehr ergebe sich angesichts umfassender Hilfsmaßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft wie zahlreicher internationaler Organisationen, dass sich die Lebensumstände in allen Bereichen so weit verbessert hätten, dass eine allgemeine lebensbedrohende Notlage im Kosovo aus der Sicht der belangten Behörde nicht erkannt habe werden können. Diese Feststellungen würden sich "vollinhaltlich mit den bereits von der Behörde erster Instanz getroffenen umfangreichen Feststellungen zur Lage im Kosovo" decken. Die Bedrohungssituation im Kosovo sei aufgrund der (im angefochtenen Bescheid näher dargestellten) Übernahme der Hoheitsgewalt durch UNMIK und KFOR infolge des gänzlichen Abzuges der serbischen Sicherheitskräfte weggefallen. Rechtlich ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass durch die Einreise des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat indiziert werde, dass sich dieser freiwillig dem Schutz seines Heimatstaates unterstellt habe, weil er die Freiwilligkeit der Einreise nicht bestritten habe. Damit falle der gegenständliche Sachverhalt unter Artikel 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv). Weiter führte die belangte Behörde aus, dass "ganz abgesehen von der Frage der Freiwilligkeit der Unterschutzstellung unter den Schutz des Herkunftsstaates ... ohnedies durch den Wegfall der Bedrohungssituation auf Grund des vollständigen Abzuges der serbischen Verbände und der tatsächlichen und nachhaltigen Übernahme der Hoheitsgewalt durch UNMIK und KFOR, sohin auf Grund der zur Gänze geänderten Verhältnisse eine weitere asylrelevante Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo, also auch des Beschwerdeführers, durch 'Serbien' bzw. die Bundesrepublik Jugoslawien als nachhaltig unwahrscheinlich" erscheine. Der Beschwerdeführer sei daher real nicht (mehr) der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Übergriffen der serbischen Polizei oder der jugoslawischen Führung zurechenbarer Truppen zu werden. Eine solche - oder irgendeine andere - Gefährdung bzw. Verfolgung habe der Beschwerdeführer weder in seiner Stellungnahme vom 28. Februar 2002 noch in der Berufung vom 18. März 2002 behauptet. Schon aus diesen Gründen sei auch der in Artikel 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv angeführte Endigungsgrund verwirklicht.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Auch wenn im Spruch des angefochtenen Bescheides die von der belangten Behörde angewendete Gesetzesbestimmung unvollständig zitiert ist, ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, dass sie die Asylaberkennung auf den Tatbestand des § 14 Abs. 1 Z 1 AsylG gestützt hat und davon ausgegangen ist, dass von den in Art. 1 Abschnitt C FlKonv angeführten Endigungsgründen primär jener der Ziffer 1 und darüber hinaus auch jener der Ziffer 5 eingetreten sei.

Soweit sich die belangte Behörde auf die Verwirklichung des Endigungsgrundes nach Art. 1 Abschnitt C Z 1 FlKonv gestützt hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Sie ist vom Eintritt dieses Endigungsgrundes deshalb ausgegangen, weil sich der Beschwerdeführer aufgrund des Besuches bei seiner krebskranken Mutter im Kosovo im Oktober 2001 freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes im Sinne der zitierten Konventionsbestimmung gestellt habe. In dem - erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ergangenen - Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, Zl. 2001/01/0547, hat der Verwaltungsgerichtshof aber u.a. ausgesprochen, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer "Unterschutzstellung" das Erfordernis des Willens sei, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Heimatstaat ergibt. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch (zustimmend) auf die Ausführungen im UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Abs. 125, hingewiesen, wonach der Besuch eines alten oder kranken Elternteiles, was das Verhältnis des Flüchtlings zu seinem früheren Heimatland anbelangt, in der Regel anders zu beurteilen sei, als etwa regelmäßige Ferienaufenthalte oder Besuche mit dem Ziel, Geschäftsverbindungen herzustellen. Die im Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, für die Erfüllung des von der belangten Behörde primär herangezogenen Tatbestandes des Art. 1 Abschnitt C Z 1 FlKonv notwendigen Voraussetzungen sind von der belangten Behörde im vorliegenden Fall daher zu Unrecht angenommen worden, sodass der angefochtene Bescheid aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist.

Die belangte Behörde hat die Aberkennung des dem Beschwerdeführer gewährten Asyls aber auch auf Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv gestützt. Danach wird die FlKonv auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A der FlKonv fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgung zurückgehen, ablehnen.

Insofern er auf Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv rekurriert, ist der angefochtene Bescheid jedoch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil zur Begründung des von der belangten Behörde erstmals herangezogenen zusätzlichen Aberkennungsgrundes umfangreiche eigene - über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz hinausgehende - Feststellungen zur allgemeinen Situation im Kosovo getroffen wurden, ohne eine mündliche Verhandlung durchgeführt zu haben, und die Beschwerde den darauf gestützten Feststellungen entgegentritt.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, wobei nicht auszuschließen ist, dass sie bei deren Einhaltung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Der Bescheid leidet schon aus diesem Grund auch insofern, als die Asylaberkennung auf die Anwendung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 FlKonv gestützt wurde, an Rechtswidrigkeit (infolge eines Verfahrensmangels).

Da die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. Jänner 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002010354.X00

Im RIS seit

01.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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