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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AbgEO §53;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde des G in D, vertreten durch Dr. Heinz Klocker, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Moosmahdstraße 4/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 30. Juni 2000, GZ RV 606/1-V5/99, betreffend die Zusammenrechnung gemäß § 53 AbgEO iVm § 292 EO hinsichtlich der Exekution auf mehrere Arbeitseinkommen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid des Finanzamtes wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 9 iVm 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten im Ausmaß von rund S 885.000 in Anspruch genommen. Zur Vollstreckung dieser Abgabenschuldigkeiten verfügte das Finanzamt mit Bescheid die Pfändung und Überweisung eines Pensionsbezuges des Beschwerdeführers gegen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.
Die genannte Sozialversicherungsanstalt erklärte als Drittschuldnerin, aufgrund der vorliegenden Exekutionsbewilligung Abzüge nicht vornehmen zu können, weil die Pensionshöhe nicht den pfändungsfreien Betrag übersteige.
Nachdem das Finanzamt über seit 1995 bestehende Pensionsansprüche des Beschwerdeführers gegen die Eidgenössische Invalidenversicherung Kenntnis erlangt hatte, verfügte es mit Bescheid vom 9. März 1999 die Zusammenrechnung der gegenständlichen Pensionsansprüche gemäß § 53 AbgEO iVm § 292 EO. Begründend wurde ausgeführt, der unpfändbare allgemeine Grundbetrag sei bei der Schweizer Pension, welche die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Verpflichteten darstelle, zu gewähren. Nach Berücksichtigung dieses Freibetrages und Anwendung des allgemeinen Steigerungsbetrages verbleibe bereits bei dieser ein pfändbarer Mehrbetrag. Der gesamte monatliche Bezug bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft stelle daher einen weiteren Mehrbetrag dar und sei abzüglich der darauf entfallenden 30 % an allgemeinem Steigerungsbetrag pfändbar.
In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, gemäß § 292 Abs. 2 EO seien nur beschränkt pfändbare Geldforderungen zusammenzurechnen. Die Schweizer Pensionsansprüche des Beschwerdeführers seien jedoch nach Schweizer Recht unpfändbar. Eine Zusammenrechnung einer beschränkt pfändbaren Geldforderung und einer unpfändbaren Forderung sei nicht möglich.
Die Schweizerische Ausgleichskasse teilte der Finanzprokuratur mit, dass "gemäss Art. 20 des AHV-Gesetzes und Art. 50 des IV-Gesetzes jeder Rentenanspruch unabtretbar, unverpfändbar und der Zwangsvollstreckung entzogen" sei.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte begründend aus, eine Zusammenrechnung gemäß § 292 Abs. 2 EO sei auch dann möglich, wenn dem Verpflichteten neben einer Geldforderung gegen eine inländische Versicherungsanstalt auch eine solche gegen eine ausländische zustehe. Der Zweck der Zusammenrechnung bestehe nämlich darin, dass jeder Verpflichtete gleich behandelt werde, unabhängig davon, ob er einen oder mehrere Bezüge erhielte; es solle auch nicht nach der Herkunft der Bezüge aus dem In- oder Ausland differenziert werden. Der unpfändbare Grundbetrag solle dem Verpflichteten vielmehr nur einmal zustehen. Eine Zusammenrechnung von in- und ausländischen Pensionsansprüchen sei grundsätzlich zulässig, auch wenn eine vom Beschwerdeführer im Ausland bezogene Pension mangels internationaler bzw. bilateraler Vereinbarungen oder mangels ausreichender Möglichkeiten nach der inländischen Rechtsordnung tatsächlich nicht gepfändet werden könne. Im Beschwerdefall sei eine Exekution nicht nur mangels inländischer Gerichtsbarkeit unzulässig; auch nach den Bestimmungen des Schweizer Rechts sei die gegenständliche Forderung unpfändbar. Die Abgabenbehörde könne und wolle auf die Schweizer Pension aber auch nicht greifen. Durch die Zusammenrechnung solle lediglich gewährleistet werden, dass der aus der österreichischen Pension ansonsten zu gewährende Freibetrag außer Ansatz bleibe. Wenn bei mehreren in- und ausländischen Bezügen nur der inländische Bezug in Exekution gezogen würde, so genüge für eine Zusammenrechnung gemäß § 292 Abs. 2 EO der Nachweis, dass jener Bezug, der der verpflichteten Partei als unpfändbar zu belassen sei, tatsächlich zu Recht bestehe. In- und ausländische Pensionsansprüche seien auch dann zusammenzurechnen, wenn die inländische Pension des Verpflichteten den unpfändbaren Betrag nicht übersteige, auf Grund eines ausländischen Pensionseinkommens aber der pfändungsfreie Betrag überstiegen werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 53 AbgEO sind im abgabenbehördlichen Forderungspfändungsverfahren die Bestimmungen der §§ 290 bis einschließlich 291a, der §§ 291d, 291e, 292, 292d, 292e, 292f, 292g, 292h Abs. 1, 292j Abs. 2 bis Abs. 5 und 299a der EO anzuwenden.
§ 291 Abs. 1 Z 2 EO idF BGBl. Nr. 628/1991 lautet:
"§ 291. (1) Bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den unpfändbaren Freibetrag (§ 291a) sind vom Gesamtbezug abzuziehen:
...
2. die der Pfändung entzogenen Forderungen und Forderungsteile;
..."
§ 292 EO idF BGBl. Nr. 628/1991 lautet:
"§ 292. (1) Hat der Verpflichtete gegen einen Drittschuldner mehrere beschränkt pfändbare Geldforderungen oder beschränkt pfändbare Geldforderungen und Ansprüche auf Sachleistungen, so hat sie der Drittschuldner zusammenzurechnen.
(2) Hat der Verpflichtete gegen verschiedene Drittschuldner beschränkt pfändbare Geldforderungen oder beschränkt pfändbare Geldforderungen und Ansprüche auf Sachleistungen, so hat das Gericht auf Antrag die Zusammenrechnung anzuordnen.
(3) Bei der Zusammenrechnung mehrerer beschränkt pfändbarer Geldforderungen gegen verschiedene Drittschuldner sind die unpfändbaren Grundbeträge in erster Linie für die Forderung zu gewähren, die die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Verpflichteten bildet. Das Gericht hat den Drittschuldner zu bezeichnen, der die unpfändbaren Grundbeträge zu gewähren hat.
(4) Bei der Zusammenrechnung von beschränkt pfändbaren Geldforderungen mit Ansprüchen auf Sachleistungen vermindert sich der unpfändbare Freibetrag der Gesamtforderung um den Wert der dem Verpflichteten verbleibenden Sachleistungen. Dem Verpflichteten haben jedoch von den Geldforderungen mindestens
1.
3 250
S
monatlich,
2.
750
S
wöchentlich,
3.
110
S
täglich oder
4.
bei einer Exekution wegen der in § 291b Abs. 1 genannten
Forderung 75 % davon zu verbleiben."
Soweit gemäß § 292 Abs. 2 die Zusammenrechnung beschränkt pfändbarer Geldforderungen des Verpflichteten gegenüber verschiedenen Drittschuldnern stattfinden kann, ist für diese Entscheidung im Bereich der AbgEO die Abgabenbehörde selbst und nicht das Gericht zuständig (vgl. Feil4, EO, Rz 3 zu § 292, sowie den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 6. Mai 1998, 3 Ob 123/98d).
Einer Zusammenrechnung nach § 292 Abs. 2 EO steht zwar nicht entgegen, dass sich eine der heranzuziehenden beschränkt pfändbaren Forderungen - zB eine nicht in Exekution gezogene Rentenforderung - gegen einen ausländischen Drittschuldner richtet. Auf im Ausland bestehende Pfändungsbeschränkungen ist allerdings Bedacht zu nehmen (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 21. August 2003, 3 Ob 3/03 t). Die Pfändbarkeit einer Forderung ist Bestandteil ihrer materiellen Substanz (vgl. Heller/Berger/Stix, Die Lohnpfändung4, 13; Zechner, Forderungsexekution, vor § 290, Rz 3, mwN).
Die Rentenforderung des Beschwerdeführers gegen die Eidgenössische Invalidenversicherung wird durch das Schweizer Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (SR 831.20) geregelt. Gemäß Art. 50 leg. cit. sind Rentenansprüche aus diesem Gesetz der Zwangsvollstreckung entzogen. Art. 92 Z 9a des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1) zählen zu den unpfändbaren Vermögenswerten auch Renten gemäß Art. 50 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung. Damit sehen die Schweizer Normen, aus denen sich die Forderung des Beschwerdeführers ergibt, deren Unpfändbarkeit vor. Das bedeutet aber nicht, dass sie nach Schweizer Recht bei der Bestimmung des pfändungsfreien Existenzminimums außer Ansatz bleiben.
Gemäß Art. 93 des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs können Erwerbseinkommen wie Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Art. 92 leg. cit. unpfändbar sind, so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind. Zur Bestimmung des pfändbaren Einkommensteils ist nach Schweizer Recht vom Gesamteinkommen des Schuldners auszugehen, welches aus einer oder gleichzeitig mehreren Einkunftsquellen bestehen kann. Hat der Schuldner Einkünfte, die gemäß Art. 92 Z 9a leg. cit. unpfändbar sind, und daneben auch noch anderweitiges, beschränkt pfändbares Einkommen, so kann der zusammen mit den unpfändbaren Einkünften den Notbedarf übersteigende Teil desselben gepfändet werden, weil der Schuldner seinen Lebensunterhalt in diesem Fall teilweise oder gar gänzlich aus den unpfändbaren Forderungen bestreiten kann. Die Unpfändbarkeit einer Rente oder anderer Leistungen hat also nach Schweizer Recht lediglich zur Folge, dass diese selbst nicht gepfändet werden dürfen, nicht aber, dass der Schuldner neben diesen noch einen seinem Notbedarf entsprechenden Teil seines übrigen Einkommens beanspruchen könnte (vgl. Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München, Tz 18 zu Art. 93).
Daraus ergibt sich aber, dass nach Schweizer Recht die Rentenbezüge aufgrund des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung - anders als nach österreichischem Recht nach § 291 Abs. 1 Z 2 EO der Pfändung entzogene Forderungen - zur Bestimmung des pfändungsfreien Existenzminimums berücksichtigt werden können. Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde die Schweizer Invalidenrente des Beschwerdeführers in die Zusammenrechnung zur Bestimmung des Existenzminimums nach § 292 EO einbezogen hat, weil sie im Ergebnis den beschränkt pfändbaren Forderungen iSd § 292 Abs. 2 EO für die Zusammenrechnung gleichzuhalten sind (vgl. Resch, Berücksichtigung der Unpfändbarkeit einer Liechtensteinischen Rente im österreichischen Exekutionsverfahren, Liechtensteinische Juristen-Zeitung - LJZ-1/04, S. 4).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Jänner 2005
Schlagworte
Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2000150123.X00Im RIS seit
11.03.2005Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013