Index
E1E;Norm
11997E056 EG Art56;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2005/0001 * EuGH-Zahl: C-157/05 * EuGH-Entscheidung:EuGH 62005CJ0157 24. Mai 2007 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2007/15/0131 E 26. Juli 2007 Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2000/15/0137 B 3. Juli 2003 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62002CJ0315 15. Juli 2004Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des W in E, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 3. Juli 2000, Zl. RV 231/1-6/99, betreffend Sicherstellungsauftrag, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wird gemäß Art. 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stehen die Bestimmungen über die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff EG) einer am 31. Dezember 1993 bestehenden (und auch nach dem Beitritt Österreichs zur EU mit 1. Jänner 1995 weiter bestandenen) nationalen Regelung entgegen, wonach Dividenden aus inländischen Aktien mit einem Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittsteuersatzes versteuert werden, während Dividenden von einer in einem Drittstaat (im Ausgangsrechtsstreit: Schweiz) ansässigen Aktiengesellschaft, an der der Steuerpflichtige zu zwei Drittel beteiligt ist, stets mit dem normalen Einkommensteuersatz versteuert werden?
Begründung
I. Sachverhalt:
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde in das Vermögen des Beschwerdeführers die Sicherstellung von Abgabenansprüchen an Einkommensteuer der Jahre 1992 bis 1996 mit einem Gesamtbetrag von S 118,944.088,-- angeordnet.
Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der 1984 gegründeten CBS Conmeth Business Systems Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) in Salzburg (Österreich), die sich mit dem Handel von Kosmetikprodukten befasst. Alleingesellschafterin dieser GmbH ist die CBS Conmeth Business Systems Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in der Schweiz. Der Beschwerdeführer ist an dieser AG mit zwei Drittel beteiligt.
Der Beschwerdeführer hat seit mindestens 1992 einen Wohnsitz in Österreich; auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt in Österreich. Der Beschwerdeführer hat in den Jahren 1992 bis 1996 auf Grund seiner Beteiligung an der AG in der Schweiz Gewinnausschüttungen erhalten. Diese sind in Österreich als Einkünfte aus Kapitalvermögen mangels einer Begünstigungsvorschrift mit dem vollen Steuersatz der Einkommensteuer zu unterziehen. Daraus resultiert nach dem angefochtenen Bescheid eine voraussichtliche Einkommensteuerbelastung u.a. für das Jahr 1995 von S 50,883.360,--
und für das Jahr 1996 mit S 24,884.160,--. Da die Einbringung dieser Abgaben gefährdet erschien, erging der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Sicherstellungsauftrag.
II. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde beruft sich der Beschwerdeführer auf die ab dem Beitritt Österreichs zur EU, dem 1. Januar 1995, geltende Kapitalverkehrsfreiheit. Art. 56 EG verbiete alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs auch zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Es liege ein nach diesen Bestimmungen geschützter Kapitalverkehrsvorgang vor, weil es sich um grenzüberschreitende Dividendenzahlungen von einer ausländischen Kapitalgesellschaft (in der Schweiz) an einen inländischen (österreichischen) Anteilseigner handle. Die Ungleichbehandlung von Auslandsdividenden durch das österreichische Steuerrecht sei ganz offenkundig. Während Inlandsdividenden, die von natürlichen Personen als Gesellschafter empfangen würden, nur mit dem halben Durchschnittssteuersatz der Besteuerung unterlägen, sei für Auslandsdividenden eine Vollbesteuerung vorgesehen. Für diese Ungleichbehandlung könne kein sachlicher Rechtfertigungsgrund gefunden werden.
III. Die maßgebenden Bestimmungen des nationalen Rechtes lauteten:
Die im Ausgangsverfahren maßgebenden Vorschriften sind die des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988).
§ 37 Absätze 1 und 4 EStG 1988 (BGBl. Nr. 400/1988) lauten:
"(1) Der Steuersatz ermäßigt sich für:
-
Einkünfte aus offenen Ausschüttungen (Abs. 4),... auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes
-
...
(4) Einkünfte auf Grund von Beteiligungen sind
1. offene Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften auf Gesellschafts- und Genossenschaftsanteilen ..."
In den in Rede stehenden Jahren 1995 und 1996 hat diese Bestimmung in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818/1993, und des Strukturanpassungsgesetzes BGBl. Nr. 201/1996 (womit für die Besteuerung der offenen Ausschüttungen auch für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 1993 keine Änderung der Rechtslage eingetreten ist) folgenden Wortlaut:
"(1) Der Steuersatz ermäßigt sich für:
3. für Einkünfte auf Grund von Beteiligungen (Abs. 4) ... auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.
4. ...
(4) Einkünfte auf Grund von Beteiligungen sind
1. Beteiligungserträge:
a) Gewinnanteile jeder Art auf Grund einer Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Form von Gesellschafts- und Genossenschaftsanteilen ..."
IV. Erläuterungen zur Vorlagefrage
Gewinnausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften, die an eine in Österreich ansässige natürliche Person fließen, unterliegen (nach der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage des EStG 1988) dem "normalen" Einkommensteuersatz. Sie werden beim zu versteuernden Einkommen des Empfängers erfasst und unterliegen der Einkommensteuer, deren Höchstsatz 50 % beträgt.
Gewinnausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften, die an eine in Österreich ansässige natürliche Person fließen, unterliegen dem "Hälftesteuersatz".
Im Beschwerdefall erachtet sich der Beschwerdeführer deshalb in seinen Rechten verletzt, weil seine aus einem Drittland bezogenen Gewinnausschüttungen nicht mit dem "Hälftesteuersatz", sondern mit dem "normalen" Steuersatz versteuert werden.
Es sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken entstanden, ob die in Rede stehenden nationalen gesetzlichen Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht, nämlich der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG, insbesondere unter Anwendung Art. 57, vereinbar sind.
Art. 56 (ex-Art. 73b) (Freier Kapital- und Zahlungsverkehr):
"(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten."
Art. 57 EG:
"(1) Artikel 56 berührt nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 auf Grund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.
(2) Unbeschadet der anderen Kapitel dieses Vertrages sowie seiner Bemühungen um eine möglichst weitgehende Verwirklichung des Zieles eines freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern kann der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten beschließen. Maßnahmen nach diesem Absatz, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern einen Rückschritt darstellen, bedürfen der Einstimmigkeit."
Im Ausgangsverfahren bezieht der in Österreich ansässige Beschwerdeführer Gewinnausschüttungen von einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft, an welcher er (zu zwei Drittel) beteiligt ist. Es kann eine Beschränkung der Freiheit, Kapital in Drittstaaten zu investieren, darstellen, wenn die Gewinnausschüttungen aus in Drittstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften in Österreich höher besteuert werden als Gewinnausschüttungen aus inländischen Kapitalgesellschaften. In Österreich Ansässige könnten beispielsweise davon abgehalten werden, ihr Kapital in der Weise in Drittstaaten zu investieren, dass sie dort Kapitalgesellschaften gründen oder kaufen. Auf die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C-315/02, Lenz, darf in diesem Zusammenhang hingewiesen werden.
Der EuGH hat in diesem Urteil zur in Österreich bestandenen Besteuerungsregelung für Kapitalerträge nur insoweit Stellung genommen, als Kapitalerträge aus Mitgliedstaaten betroffen sind. In Rdnr 17 des Urteiles wird ausdrücklich festgehalten, dass es keine Aussagen zu Kapitalerträgen aus Drittstaaten trifft.
Art. 57 enthält im ersten Absatz eine Drittstaaten betreffende so genannte "stand-still-Klausel". Die Mitgliedsstaaten dürfen demnach ihre Beschränkungen der Kapitalsverkehrsfreiheit, die am 31. Dezember 1993 bestanden haben, beibehalten. In der Literatur wird vertreten, dass Art. 57 Abs. 1 EG eng auszulegen sei (vgl. Widhalm in Lechner/Staringer/Tumpel, Wien 1999, 158f).
Das Urteil des EuGH vom 7. September 2004 in der Rechtssache C-319/02, Manninen, Rz. 45, deutet an, dass eine Kohärenz zwischen Besteuerung von Aktiengesellschaften einerseits und Besteuerung von Dividenden andererseits bestehen kann. Vor diesem Hintergrund ist es ungeklärt, ob es von Bedeutung ist, ob im Drittstaat eine wesentlich niedrigere Besteuerung der Körperschaften erfolgt als in den Mitgliedstaaten.
Art. 57 Abs. 1 EG erlaubt nur Beschränkungen des Kapitalverkehrs "im Zusammenhang mit Direktinvestitionen". Es erscheint bislang nicht hinreichend geklärt, welche Vorgänge der Begriff "Direktinvestitionen" erfasst (vgl. die unterschiedlichen Auffassungen bei Lenz, EG-Vertrag (Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaften, in der durch den Amsterdamer Vertrag geänderten Fassung), Art. 57 Tz 2, Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 57 Tz 4, und Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 57, Tz 7). Ein Teil der angeführten Literatur stellt beispielsweise darauf ab, ob durch das Ausmaß der Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft eine beherrschende Stellung erworben wird. Im gegenständlichen Fall liegt die Beteiligung deutlich höher als 50%.
Insgesamt erscheint somit die Auslegung des Art. 56 in Verbindung mit Art. 57 EG nicht derart offenkundig zu sein, dass für Zweifel im Sinne der Rechtsprechung CILFIT (Urteil des EuGH vom 6. Oktober 1982, Rs 282/81, Slg. 1982, S. 3415 ff) kein Raum bliebe. Die Frage wird daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt.
Es darf darauf hingewiesen werden, dass an Stelle der eingangs genannten belangten Behörde nunmehr das Finanzamt Salzburg-Land, Aigner Straße 10, 5026 Aigen, getreten ist.
Wien, am 28. Jänner 2005
Gerichtsentscheidung
EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004150105.X00Im RIS seit
26.04.2005Zuletzt aktualisiert am
20.04.2012