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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des U in H, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. März 2004, Zl. Ia-17.822/16-2004, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 333,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Begründend führte sie aus, der 1969 geborene Beschwerdeführer halte sich seit 24. Oktober 1986 ununterbrochen in Österreich auf und sei von Beruf Kraftfahrer. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 2002 sei ihm die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zunächst für den Fall zugesichert worden, dass er binnen zwei Jahren aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausscheide. Gemäß Beschluss des Innenministeriums der türkischen Republik vom 27. März 2003 habe der Beschwerdeführer die Genehmigung erhalten, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Ungeachtet dessen sei sein Verleihungsantrag wegen Fehlens der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abzuweisen, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Beschwerdeführer künftig wohl verhalten und wesentliche, zur Abwehr von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen, für die allgemeine Sicherheit sowie für die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften nicht weiter missachten werde. Hiezu stellte die belangte Behörde zunächst fest, der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck am 25. September 1991 "wegen Vergehen nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und 129 Z. 1 und 2 StGB" zu einer (bedingten) Geldstrafe von 300 Tagessätzen verurteilt worden, weil er mehrere Einbruchsdiebstähle zum Nachteil seines damaligen Arbeitgebers begangen habe. Am 18. November 2002 sei er vom Bezirksgericht Hall in Tirol wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, erster Fall StGB sowie wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB zu einer (bedingten) Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe nämlich am 30. August 2002 als Lenker eines PKW in Hall in Tirol einen auf der B 171 am nördlichen Straßenrand gehenden Fußgänger übersehen und mit seinem Fahrzeug erfasst. Der Fußgänger sei über die Motorhaube geschleudert und schwer verletzt worden; der Beschwerdeführer habe es sodann unterlassen, ihm die erforderliche Hilfe zu leisten. Wegen dieses Vorfalles sei der Beschwerdeführer mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 14. Jänner 2003 auch gemäß § 4 Abs. 2 StVO mit einer Geldstrafe von EUR 100,-- belegt worden. Bereits am 9. März 2000 sei über den Beschwerdeführer überdies mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gemäß § 108 Abs. 1 FrG 1997 eine Geldstrafe von ATS 500,-- verhängt worden, weil er bei einer am 28. Februar 2000 auf der A 12 in Pettnau erfolgten Kontrolle durch die Gendarmerie kein Reisedokument mit sich geführt habe. Rechtlich folgerte die belangte Behörde aus diesem Sachverhalt, bei den dem genannten Urteil des Bezirksgerichtes Hall in Tirol zugrunde liegenden Straftaten habe es sich durchwegs um solche Verhaltensweisen des Beschwerdeführers gehandelt, die sich auf die Gesundheit und das Leben anderer Menschen negativ ausgewirkt hätten. Besonders das Unterlassen der erforderlichen Hilfeleistung bei einem schwer Verletzten zeichne ein negatives Charakterbild des Verleihungswerbers. Das Argument des Beschwerdeführers, im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen gebe es immer wieder Panikreaktionen, könne seine äußerst verwerfliche Verhaltensweise nicht bagatellisieren. Nach Ansicht der belangten Behörde reiche schon die gerichtliche Verurteilung durch das Bezirksgericht Hall in Tirol aus, den Verleihungsantrag abzuweisen. Die Straftaten seien im August 2002 gesetzt worden und lägen erst eineinhalb Jahre zurück. Dieser Zeitraum sei im Hinblick auf das besonders verwerfliche Verhalten des Verleihungswerbers jedenfalls zu kurz, um davon auszugehen zu können, dass sich der Verleihungswerber künftig wohl verhalten werde. Auch die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen (schweren) Diebstahls (bzw. Diebstahls durch Einbruch) zeige, dass der Verleihungswerber grundsätzlich bereit sei, sich mit Gewalt zu nehmen, was er möchte, ohne entsprechende Normen einzuhalten. Darüber hinaus würden die Bestrafungen nach § 108 Abs. 1 FrG und nach § 4 Abs. 2 StVO auf seine mangelnde Einsicht in den Schutzzweck von Normen hindeuten und ein wenig verantwortliches und nachlässiges Charakterbild des Beschwerdeführers zeichnen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 2002 die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs. 1 StbG für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist. Diesen Nachweis hat der Beschwerdeführer durch Vorlage des Beschlusses des Innenministeriums der türkischen Republik vom 27. März 2003 erbracht.
Die erteilte Zusicherung ist jedoch gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Im gegenständlichen Fall ging die belangte Behörde davon aus, dass die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG beim Beschwerdeführer nicht mehr gegeben sei. Dass sie den Zusicherungsbescheid ungeachtet dieses Rechtsstandpunktes nicht ausdrücklich widerrief, sondern lediglich den Verleihungsantrag abwies, schadet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, weil durch diese Vorgangsweise der Zusicherungsbescheid gegenstandslos wird (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2003, Zl. 2002/01/0291 mwN).
In der Sache selbst kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie vor allem die nach Erlassung des Zusicherungsbescheides vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, die zu seiner Verurteilung durch das Bezirksgericht Hall in Tirol nach §§ 88 Abs. 1 und 4 erster Fall und 94 StGB führten, zum Anlass nahm, die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StGB neuerlich zu überprüfen und ihr Vorliegen zu verneinen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist, und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit fallen in diesem Zusammenhang schon ihrer Art nach besonders ins Gewicht. Im Allgemeinen ist nach derartigen Straftaten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gerechtfertigt erscheinen zu lassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 2001/01/0375, mwN).
Ausgehend davon hat die belangte Behörde zu Recht das strafgerichtlich geahndete Fehlverhalten des Beschwerdeführers vom 30. August 2002 als jedenfalls so schwerwiegend erachtet, dass die seither vergangene kurze Zeitspanne bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides eine positive Prognose betreffend zukünftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers noch nicht erlaubt.
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde reichen die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zu den Umständen der Straftaten auch für eine Beurteilung der hier maßgeblichen Rechtsfrage aus. Der bloße Hinweis des Beschwerdeführers in seinem Schreiben an die belangte Behörde vom 16. Oktober 2003, es sei "durchaus häufig, dass in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall eine Panikreaktion entsteht", war in dieser Allgemeinheit und in Ermangelung einer konkrete Bezugnahme auf das zu beurteilende Verhalten des Beschwerdeführers nicht geeignet, weitere Erhebungen der belangten Behörde zu dieser Frage indiziert erscheinen zu lassen.
Wenn sich der Beschwerdeführer die von ihm zitierte Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes in Arbeitsrechtssachen zunutze machen möchte, um die Schwere seines Verschuldens zu relativieren, und er insbesondere darauf verweist, dass danach "ein einmaliger Aufmerksamkeitsfehler im Zuge einer mehr oder weniger zur Routine gewordenen Tätigkeit ... nicht als grobe Fahrlässigkeit bezeichnet werden" könne, "auch wenn die Folgen des dadurch verursachten Unfalles sehr beträchtlich waren (Arb 8530)", übersieht er, dass gegenständlich nicht nur die am 30. August 2002 vom Beschwerdeführer fahrlässig herbeigeführte schwere Verletzung des Fußgängers zu beurteilen war, sondern auch und im Besonderen das anschließende vorsätzliche Imstichlassen des Verletzten, weshalb von einem bloßen Aufmerksamkeitsfehler des Beschwerdeführers von vornherein nicht ausgegangen werden kann.
Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer - so die Beschwerde - "schon seit Jahren" den Beruf als Kraftfahrer ausübt, der ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit erfordere und eine besondere Gefahrengeneigtheit mit sich bringe, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Die aus dieser Tatsache gezogene Schlussfolgerung der Beschwerde, der Verkehrsunfall vom 30. August 2002 sei "mehr in der Natur des Berufes und weniger in der Person des Beschwerdeführers" gelegen, lässt sich daraus schon deshalb nicht ziehen, weil ein Zusammenhang zwischen der Berufsausübung des Beschwerdeführers und dem hier strittigen Verkehrsunfall den Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann (Anmerkung: auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 30. August 2002 beim Gendarmerieposten Hall in Tirol war er im Zeitpunkt des Unfalles nicht beruflich unterwegs, sondern begleitete seine Mutter zu einem Essen nach Innsbruck). Ungeachtet dessen ist gerade von einem Berufskraftfahrer zu verlangen, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/0985 mwN) und ist die dem Beschwerdeführer vor allem zur Last gelegte Vorsatztat nach § 94 StGB mit der Gefahrengeneigtheit seines Berufes ohnedies nicht zu erklären.
Zusammenfassend ist die belangte Behörde daher zutreffend vom Vorliegen des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ausgegangen und vermögen daran auch die von der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände, nämlich sein langjähriger Aufenhalt in Österreich und seine gute Integration, nichts zu ändern.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, in der die von der belangten Behörde verzeichneten Kosten jedenfalls Deckung finden.
Wien, am 28. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004010171.X00Im RIS seit
22.02.2005