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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des M, geboren 1978, vertreten durch Dr. Werner Hetsch, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Albrechtsgasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. April 2004, Zl. 238.386/0-IX/25/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen (Ausspruch nach § 7 AsylG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er stellte am 1. Oktober 2002 den Antrag auf Gewährung von Asyl, den er bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 5. Juni 2003 mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Kosovo begründete.
Mit Bescheid vom 5. Juni 2003 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 7 Asylgesetz ab und sprach aus, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo, sei gemäß § 8 Asylgesetz zulässig.
In der gegen diesen Bescheid am 16. Juni 2003 erhobenen Berufung, in der er u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte, brachte der Beschwerdeführer zur Nonrefoulement-Prüfung des Bundesasylamtes unter anderem vor (Fehler im Original):
"Der Behörde ist hier anzukreiden, dass sie sich ungenügend mit der tatsächlichen Lage im Kosovo sowie in der gesamten Bundesrepublik Serbien und Montenegro auseinander gesetzt. Zum Kosovo ist zu sagen, dass die tatsächliche Lage trotz aller Bemühungen der UNMIK desaströs ist:
Viele Menschen haben keine Chancen, ihr Überleben zu sichern, da es an Arbeit und Nahrungsmitteln fehlt. Dies ist bei der Auslegung des § 57 FrG sehr wohl als unmenschliche Behandlung iSd Artikel 3 MRK zu werten.
...
Die Lage im Kosovo geändert und ist im Begriff, sich weiter zu verschlechtern, es besteht wieder Kriegsgefahr. Die Repression durch serbische Sicherheitskräfte ist im steigen Begriffen, die 'Front für die nationale Vereinigung der Albaner' hat einen erneuten Befreiungskampf der Albaner angekündigt. (Bericht der Standard vom 18.2.2003). Außerdem ist der allgemeine Zustand des serbischen Staates sehr instabil, seit der Ermordung des Premiers Zoran Djindjic steckt das Land in einer dramatischen Regierungskrise, die Stabilität des Staates ist nicht gewährleistet. Auch das BMAA warnt vor Reisen nach Serbien. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte mir die belangte Behörde Refoulementschutz gewähren müssen."
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. April 2004 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz ab und begründete dies im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe wirtschaftliche Gründe für das Verlassen des Kosovo ins Treffen geführt und somit nicht dargetan, dass ihm im Kosovo überhaupt asylrelevante Verfolgung im Sinn des § 7 Asylgesetz drohe. Im Hinblick auf § 8 Asylgesetz seien, soweit sich der Beschwerdeführer auf die schlechte wirtschaftliche Situation im Kosovo berufe, außergewöhnliche Umstände, die eine Rückführung in den Herkunftsstaat in Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, nicht ersichtlich. Dazu komme, dass vor dem Hintergrund der vom Bundesasylamt dargestellten Verhältnisse im Kosovo nicht ersichtlich sei, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung in den Kosovo einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Da sich aus der Berufung des Beschwerdeführers kein zusätzlicher Hinweis auf eine zu erörternde Auseinandersetzung über den vom Bundesasylamt festgestellten Sachverhalt ergebe, habe eine mündliche Verhandlung unterbleiben können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerde rügt u.a. im Hinblick auf die in der Berufung gemachten Ausführungen das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung.
Damit ist der Beschwerdeführer im Recht: Mit dem zuvor wiedergegebenen Berufungsvorbringen - mit dem sich die belangte Behörde im Übrigen an keiner Stelle des angefochtenen Bescheides inhaltlich auseinander setzt - hat der Beschwerdeführer im Hinblick auf § 8 AsylG einen dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegen stehenden Sachverhalt neu und in konkreter Weise behauptet, was es der belangten Behörde verwehrte, den Sachverhalt als geklärt anzusehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336). Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen einer Verhandlung auseinander setzen müssen. In einer solchen Verhandlung hätte der Beschwerdeführer auch Gelegenheit gehabt, seine erstmals in der Beschwerde erhobene - allenfalls für den Ausspruch nach § 8 AsylG Bedeutung habende - Behauptung vorzutragen, er und seine Familie würden nunmehr im Kosovo von Kreditgebern, welche ihm einen Kredit für die Ausreise bzw. den Studienaufenthalt in Österreich gewährt hätten, bedroht, weil er in Österreich keine Verdienstmöglichkeit habe finden können, um das gegebene Darlehen zurückzuzahlen.
Somit war der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Im Hinblick auf den Ausspruch nach § 7 AsylG war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen: Einerseits kann dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen kein hinreichend deutlicher Hinweis auf eine drohende asylrelevante Verfolgung entnommen werden, andererseits ist das oben angesprochene Beschwerdevorbringen über die (nunmehrige) Bedrohung durch "die Kreditgeber" keinem Konventionsgrund zuordenbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der Schriftsatzaufwand war in der vom Beschwerdeführer beantragten Höhe zuzuerkennen.
Wien, am 28. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004010396.X00Im RIS seit
11.03.2005