TE Vfgh Erkenntnis 2001/6/12 B445/99

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Veröffentlicht am 12.06.2001
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Tir GVG 1954 §3 Abs1
Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc
Tir GVG 1996 §40 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines "Pachtvertrags" aufgrund der Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung; denkmögliche Annahme des Vorliegens eines zustimmungspflichtigen Rechtserwerbs sowie der Einstufung des Umgebungsgrundes einer Almhütte als landwirtschaftliches Grundstück; Anwendung des Tir GVG 1983 in materiell-rechtlicher Hinsicht aufgrund der Übergangsbestimmung des Tir GVG 1996

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Kaufvertrag vom 14.10.1963 erwarb die Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsangehörige, eine aufgelassene Almhütte im Bereich der "Schwarzriesalm" samt ca. 1000 m2 Umgebungsgrund aus der Liegenschaft EZ 105, GB Erl, die sie ihren eigenen Angaben zufolge zu Urlaubszwecken nutzen wollte. Mit Bescheid vom 15.5.1964 versagte die Grundverkehrsbehörde die Genehmigung des Kaufvertrags; die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos.

1.2. Mit Vertrag vom 1.9.1964 pachtete die Beschwerdeführerin die betreffende Almhütte samt Umgebungsgrund für die Dauer von 99 Jahren. Die vereinbarte Pachtsumme für die gesamte Dauer des Pachtverhältnisses in Höhe von DM 3.500,-- wurde bereits bei Vertragsunterzeichnung bezahlt.

Mit Schriftsatz vom 24.8.1995 beantragte die Beschwerdeführerin - über Aufforderung der Grundverkehrsbehörde - bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des "Pachtvertrages" vom 1.9.1964.

2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission Kufstein ging von der Genehmigungspflicht dieses Vertrages aus, da eine solche gemäß §3 Abs1 litd Tiroler Grundverkehrsgesetz (im folgenden: TGVG) 1983 bei einer Verpachtung dann vorgesehen sei, wenn das Grundstück das Ausmaß von 1 ha übersteige, bei geringerem Ausmaß dann, wenn sich darauf landwirtschaftliche Wohn- oder Wirtschaftsgebäude befinden oder der Pachtvertrag in das Grundbuch eingetragen werden solle oder die Bestanddauer mehr als 10 Jahre betrage. Da es sich bei dem Pachtobjekt um eine Almhütte handle und die Pachtdauer 99 Jahre betrage, sei von einer Genehmigungspflicht auszugehen. Eine dem Gesetz entsprechende Selbstbewirtschaftung sei jedoch nicht gewährleistet, weshalb die Zustimmung zum Rechtserwerb versagt werden müsse.

3. Gegen diese Entscheidung erhob die Erwerberin Berufung und brachte insbesondere vor, daß die Frage der Genehmigungspflicht anhand der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Gesetze zu beurteilen sei. Die verpachtete Fläche liege weit unter der Größe von 2 ha, bei welcher eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung nach der damaligen Rechtslage erforderlich gewesen wäre. Es handle sich um keine landwirtschaftlich nutzbare Fläche; die Almhütte habe sich zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs bereits in einem halbverfallenen Zustand befunden, sodaß eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich gewesen sei und sie kein landwirtschaftliches Gebäude mehr dargestellt habe.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im folgenden: LGVK) wies die Berufung mit Bescheid vom 18.1.1999 als unbegründet ab und führte begründend aus, daß es sich im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten Vertragsbedingungen nicht um einen - gemäß §3 Abs1 litd TGVG 1954 nicht genehmigungspflichtigen - Pachtvertrag, sondern vielmehr um einen Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 lita bzw. b leg. cit. handle, der zu seiner Wirksamkeit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe. Aufgrund der Übergangsbestimmung des §40 Abs3 TGVG 1996 seien die materiellrechtlichen Vorschriften des TGVG 1983 anzuwenden; eine der Bestimmung des §6 Abs1 litc TGVG 1983 entsprechende Selbstbewirtschaftung sei jedoch nicht gewährleistet, und es bestünde auch kein zureichender Grund, die Liegenschaft ihrer landwirtschaftlichen Bestimmung zu entziehen.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses stand das Grundverkehrsgesetz LGBl. 16/1954 idF LGBl. 36/1962 (im folgenden: TGVG 1954) in Geltung. Gemäß §3 Abs1 TGVG 1954 bedurften u.a. folgende Rechtserwerbe an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde: jeder Eigentumserwerb (lita), die Einräumung des Fruchtnießungsrechts (litb), die Verpachtung, wenn das Grundstück das Ausmaß von 2 ha übersteigt, bei geringerem Ausmaß nur dann, wenn sich darauf landwirtschaftliche Wohn- oder Wirtschaftsgebäude befinden (litd) und die Überlassung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke zu einer die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigenden oder gänzlich ausschließenden Benutzung (lite).

Gemäß §40 Abs3 TGVG 1996 (in der Fassung vor der Novelle LGBl. 75/1999) ist auf Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die vor dem 1. Jänner 1994 abgeschlossen wurden, in materiellrechtlicher Hinsicht weiterhin das TGVG 1983 anzuwenden. Hinsichtlich der Behörden und des Verfahrens gilt das TGVG 1996.

1.2. Die belangte Behörde wertete vorerst den vorliegenden "Pachtvertrag" unter Bedachtnahme auf seine konkreten Modalitäten wie Dauer und Vorauszahlung des gesamten Pachtzinses als "einen aus grundverkehrsrechtlicher Sicht bewilligungspflichtigen Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 lita bzw. b GVG 1954". Da demnach die Berufungswerberin verpflichtet gewesen wäre, die Zustimmung der Grundverkehrsbehörde zum Vertrag einzuholen, sei die Rechtswirksamkeit des Vertrages in Schwebe geblieben.

Ihre abweisende Entscheidung stützte die Behörde sodann insbesondere auf §6 Abs1 litc TGVG 1983, da kein zureichender Grund bestünde, den zweifelsfrei als landwirtschaftliches Grundstück anzusehenden Umgebungsgrund der Almhütte seiner landwirtschaftlichen Bestimmung bzw. dem landwirtschaftlichen Liegenschaftsbesitz des Veräußerers bzw. seines Rechtsnachfolgers zu entziehen. Eine dem Gesetz entsprechende Selbstbewirtschaftung durch die Erwerberin sei nicht gewährleistet.

2. Die Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrechts, da die belangte Behörde den vorliegenden Vertrag in willkürlicher Weise als Kaufvertrag qualifiziert habe und überdies auch keine Ermittlungen darüber angestellt habe, ob das streitgegenständliche Grundstück als land- und forstwirtschaftliches Grundstück anzusehen sei. Das Grundstück sei bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden und werde nun seit mindestens 35 Jahren nicht mehr derartig genutzt. Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die Anwendung des TGVG 1983 auf den vorliegenden Fall unrichtig sei und daß §40 TGVG 1996 gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, da dadurch die Anwendung relevanter gemeinschaftsrechtlicher Normen ausgeschlossen werde.

3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 8428/1978, 9127/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens oder einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhalts (z.B. VfSlg. 8808/1980, 10.338/1985, 11.213/1987, 12.985/1992).

3.2. Dies ist der belangten Behörde jedoch nicht vorzuwerfen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10.946/1986, 13.032/1992 und 13.760/1994) hat die belangte Behörde in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise in Würdigung des gesamten Vertragsinhaltes, insbesondere im Hinblick auf die atypisch lange Bestanddauer von 99 Jahren und auf den weiteren Umstand, daß der gesamte Bestandzins in Höhe von DM 3.500,-- vorauszuzahlen ist (wobei dieser Betrag dem Kaufpreis des - grundverkehrsbehördlich rechtskräftig nicht genehmigten - Kaufvertrages entspricht), den Schluß gezogen, es handelte sich nicht um einen Bestandvertrag, sondern um einen zustimmungspflichtigen Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 lita bzw. b TGVG 1954. Der belangten Behörde ist dabei keine denkunmögliche Anwendung der Rechtsvorschriften des TGVG 1954 unterlaufen, zumal unter Bedachtnahme auf die Judikatur der Zivilgerichte bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses rechtlich ein derartiger "Pachtvertrag" als Umgehungsgeschäft gewertet werden konnte. Der vorliegende Vertrag ist aufgrund des Fehlens der für den Rechtserwerb unabdingbaren grundverkehrsbehördlichen Genehmigung in Schwebe geblieben.

3.3. Die Anwendung des TGVG 1983 auf den vorliegenden Fall ist - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen VfSlg. 14.966/1997 und 15.359/1998 ausgesprochen hat - aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, da Geltungsgrund für die weitere Anwendung älterer Rechtsvorschriften im Bereich des Tiroler Grundverkehrsrechts die Übergangsvorschriften des §40 TGVG 1996 darstellen. Gegen diese Übergangsvorschrift hegte der Verfassungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3.4. In der im Zuge des grundverkehrsrechtlichen Verfahrens getroffenen Annahme, daß die vom Vertrag umfaßten rund 1000 m2 Umgebungsfläche als landwirtschaftliches Grundstück anzusehen seien, kann angesichts der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Anzeige an die Grundverkehrsbehörde erster Instanz vom 24.8.1995 selbst angegeben hat, der Rechtserwerb betreffe land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des TGVG und das "umliegende Grünland (unterliege) weiterhin ohne Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung", keine unrichtige Gesetzesanwendung erblickt werden. Überdies geht allein durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung eines bisher in diesem Sinne genutzten Grundstücks nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7580/1975, 9313/1982, 13.194/1992, 13.861/1994 u.a.) die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht verloren. Der sich daraus wiederum ergebenden rechtlichen Würdigung durch die Grundverkehrsbehörde, daß auf das Rechtsgeschäft schon allein wegen des landwirtschaftlichen Umgebungsgrundes §6 TGVG 1983 anzuwenden sei, ist ebenfalls nicht entgegenzutreten.

3.5. Die Beschwerdeführerin wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

4.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (zu §6 Abs1 litc TGVG 1983 vgl. etwa VfSlg. 13.860/1994 mwN) könnte die Beschwerdeführerin in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte - ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit der Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. VfSlg. 14.966/1997, 15.324/1998 mwN).

4.2. Wie bereits ausgeführt, sind der belangten Behörde im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Fehler unterlaufen, die mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wären. Die Beschwerdeführerin ist daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums oder auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs verletzt worden.

5. Schließlich bringt die Beschwerde vor, daß - "sollte sich herausstellen, daß auch der die Almhütte umgebende Grund nicht als landwirtschaftliches Grundstück zu qualifizieren sei" - die LGVK in anderer Besetzung zu entscheiden gehabt hätte und die Beschwerdeführerin dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wäre.

Da jedoch - wie unter Punkt 3.4. ausgeführt - die Qualifizierung der vertragsgegenständlichen Liegenschaft als landwirtschaftliches Grundstück nicht zu beanstanden ist und die LGVK in der für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke vorgesehenen Besetzung entschieden hat, liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor.

6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

7. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. dazu insbesondere §28 TGVG 1996 sowie Art20 Abs2 B-VG) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9454/1982, 10.565/1985, 10.659/1985, 12.823/1991, 12.987/1992, 13.459/1993).

III. 1. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Übergangsbestimmung, Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B445.1999

Dokumentnummer

JFT_09989388_99B00445_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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