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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
ApKG §126;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Franz Markus Nestl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid des Disziplinarberufungssenates der österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vom 16. November 2000, Zl. D 5/1994, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Apothekerkammergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Disziplinarberufungserkenntnis des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer vom 16. November 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Apothekerkammer vom 31. Jänner 1996, betreffend Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen eines Disziplinarvergehens gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 Apothekerkammergesetz (ApKG) dahin Folge gegeben, dass die Strafe des Verbots der Ausübung des Apothekerberufes für die Dauer von 18 Monaten aus dem erstinstanzlichen Erkenntnis ausgeschaltet werde; im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, über den Beschwerdeführer seien mit dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis wegen des Disziplinarvergehens nach § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 Apothekerkammergesetz folgende Strafen verhängt worden:
Gemäß § 23 Abs. 1 lit. b ApKG eine Geldstrafe von S 100.000,--; gemäß § 23 Abs. 1 lit. c ApKG die dauernde Entziehung des Rechtes zur Ausbildung von Aspiranten sowie
gemäß § 23 Abs. 1 lit. f ApKG das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes für die Dauer von 18 Monaten.
Nach den wesentlichen erstinstanzlichen Feststellungen sei der Beschwerdeführer Eigentümer und Konzessionär der Apotheke "Z" in Wien ..., A-Straße 10, wo er mehrere Pharmazeuten und pharmazeutische Hilfskräfte beschäftige. Der Beschwerdeführer selbst arbeite meist in seinem im Halbstock gelegenen Büro und befasse sich dort insbesondere mit den Agenden des Großhandels. Am 21. Juni 1994 sei der Beschwerdeführer von seinem Angestellten HS, einem gelernten Drogisten, der u.a. Bestellungen durchführe, informiert worden, dass Dr. R ein von diesem pro ordinatione ausgestelltes Rezept über 100 Packungen Rohypnol, 2 mg, zu je 30 Tabletten (sohin 3.000 Tabletten) vorgelegt und dabei von einem Bosnien-Hilfsprojekt gesprochen habe. Der Beschwerdeführer, der Dr. R seit der Übernahme der Apotheke "Z" als Internisten gekannt habe, der in unmittelbarer Nähe der Apotheke eine Ordination betrieben habe und überdies als Ministerialrat im Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz tätig gewesen sei, habe seine Bedenken betreffend die Möglichkeit des Missbrauchs der Medikamente mit den Worten zum Ausdruck gebracht, "Dr. R werde doch nicht auf den Karlsplatz als Dealer gehen". Nachdem HS auf die Position des Bestellers sowie auf den Bosnienzweck hingewiesen habe, habe der Beschwerdeführer angeordnet, das gegenständliche Rezept ebenso wie allfällige weitere aufzubewahren. Dieser Weisung entsprechend seien bis zum 24. Oktober 1994 von Dr. R pro ordinatione ausgestellte Rezepte über (und damit der Bezug von) insgesamt 111.600 Tabletten Rohypnol, 13.760 Tabletten Adipex und 16.320 Tabletten Regenon dokumentiert worden. Zwischenzeitig habe die angestellte Pharmazeutin Mag. pharm. W den Beschwerdeführer darüber informiert, dass Dr. R "noch immer komme", was der Beschwerdeführer bloß mit der Frage beantwortet habe, ob die Rezepte aufbewahrt würden. Nachdem ein weiteres, nach dem 11. Oktober 1994 ausgestelltes Rezept des Dr. R (über Rohypnol) nicht mehr habe expediert werden können, weil der Großhandel zufolge Erschöpfung seiner Bezugskontingente nicht mehr lieferfähig gewesen sei und die beim Beschwerdeführer angestellten Pharmazeuten Mag. pharm. B und Mag. pharm. W auf die außerordentlich hohen Bestellungen des Dr. R hingewiesen hätten, habe der Beschwerdeführer am 21. Oktober 1994 die Weisung erteilt, ihm von einem allfälligen weiteren Erscheinen des Dr. R zu verständigen, damit er mit diesem die Angelegenheit besprechen könne. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer am 24. Oktober 1994 dem Direktor des Österreichischen Apothekerverbandes, Dr. S, seine Bedenken bezüglich eines möglichen Missbrauches der an Dr. R weitergegebenen Medikamente mitgeteilt. Ein diesbezügliches weiteres Gespräch sei nicht zu Stande gekommen, weil Dr. R am selben Tag beim Versuch, 3.000 Tabletten Rohypnol zu verkaufen, verhaftet und darüber in den Medien berichtet worden sei. Erst danach habe sich der Beschwerdeführer genaue Kenntnis über den Umfang der Lieferungen verschafft, indem er die aufbewahrten Rezepte durchgesehen habe.
Bei der Strafzumessung seien eine disziplinarrechtliche Vorverurteilung, die große Menge der expedierten Arzneimittel sowie die Schwere der Beeinträchtigung des Ansehens der Apothekerschaft als erschwerend, mildernd hingegen kein Umstand gewertet worden. Der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung erhobene Einwand, es gäbe keine Rechtsvorschrift, die es dem Beschwerdeführer verboten hätte, ordnungsgemäß von einem Arzt ausgestellte Rezepte zu effektuieren, sei zwar grundsätzlich richtig, gehe aber fallbezogen ins Leere. Zweck des Apothekenwesens und insbesondere der Apothekenbetriebsordnung sei es nämlich gerade, die Sicherheit des Medikamentenverkehrs zu gewährleisten und den Missbrauch rezeptpflichtiger Medikamente zu vermeiden. Es bedürfe daher keiner kasuistischen Vorschriften darüber, in welchen Fällen ordnungsgemäß ausgestellte Rezepte nicht einzulösen seien, vielmehr ergebe sich aus der ratio legis die Pflicht, die Einlösung eines Rezeptes immer dann zu verweigern, wenn Missbrauch zu besorgen sei. Die gegenteilige Auffassung würde zum Ergebnis führen, dass ein Apotheker jeden Arzt auf Grund ordnungsgemäß ausgestellter Rezepte selbst dann mit Medikamenten beliefern dürfte (und müsste), wenn er wüsste, dass diese als Suchtmittel missbraucht werden.
Der zentrale Tatvorwurf bestehe darin, dass der Beschwerdeführer bei der gegebenen Sachlage seiner Leitungsbefugnis als Apotheker nicht hinreichend nachgekommen sei. Dabei vermöge der Hinweis des Dr. R auf den "Bosnienzweck" des Medikamentenbezuges nur vordergründig zu überzeugen. Würden tatsächlich groß angelegte Hilfsprojekte in ein Not leidendes Land gestartet, entspreche es nämlich der wirtschaftlichen Vernunft, die Medikamente so billig wie möglich zu beschaffen und nicht bei einem Apotheker zu einem Preis, der gegenüber dem Detailhandel bloß um den Ärzterabatt vermindert sei. Die Erstbehörde habe dem Beschwerdeführer diesbezüglich zutreffend vorgehalten, dass er sich offenbar nicht dazu habe überwinden können, mit Dr. R über den fragwürdigen Zweck der Bestellung zu sprechen, weshalb er keine weiteren Verdachtsgründe gewonnen habe, obwohl er solche bei Ausübung seiner Pflichten sehr wohl hätte gewinnen können. Diese unbewusste Fahrlässigkeit sei dem Beschwerdeführer daher mit Recht angelastet worden. Durch die Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers sei es Dr. R möglich gewesen, über einen Zeitraum von rund vier Monaten insgesamt ca. 140.000 Stück Tabletten Rohypnol, Adipex und Regenon zu beziehen. Die Umstände, dass der Beschwerdeführer seine Angestellten angewiesen habe, die Rezepte aufzubewahren und dass er nachträglich den Direktor des Österreichischen Apothekerverbandes kontaktiert habe, vermögen ihn - dem Berufungsvorbringen zuwider - keinesfalls zu exkulpieren. Sie ließen den Sorgfaltsverstoß eher schwerer denn geringer erscheinen, zumal sich darin dokumentiere, dass der Beschwerdeführer sehr wohl Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Medikamentenbezuges gehegt habe, dennoch aber aktiv keinerlei Überprüfungsmaßnahmen gesetzt habe. Hinzu komme, dass es sich bei den Medikamenten Adipex und Regenon um Appetitzügler handle, weshalb deren Bezug den Einsatz in einem Kriegsgebiet selbst bei oberflächlicher Betrachtung als Vorwand entlarvt hätte. Die persönliche Qualifikation des Dr. R sei bei der Beurteilung der Sorgfaltspflichtverletzung belanglos, zumal die bezogene Medikamentenmenge einerseits auch für einen Internisten ungewöhnlich hoch gewesen sei und andererseits das kritische Hinterfragen des (erhöhten) Vertrauens in einen Beamten deutlich indiziert habe. Der Hergang der Verkäufe an Dr. R, die vom Beschwerdeführer gesetzten Aufsichtshandlungen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Direktor des Österreichischen Apothekerverbandes seien aktenkundig und würden vom Beschwerdeführer sowie den vernommenen Zeugen einhellig dargestellt, weshalb die Beweisanträge auf Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen Dr. S, Mag. W und R abzuweisen gewesen wären.
Das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis erweise sich somit in seinem Schuldvorwurf als rechtsrichtig. Die Strafberufung sei allerdings teilweise berechtigt. Der Magistrat der Stadt Wien habe den Beschwerdeführer nämlich mit Bescheid vom 3. November 1994 vorläufig von der Leitung der Apotheke "Z" enthoben. Nach Einstellung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer sei diese vorläufige Maßnahme mit Bescheid des Magistrats vom 1. Juli 1996 aufgehoben worden. Wenngleich eine Bedachtnahme auf diese Maßnahme im Sinn einer Anrechnung der Zeit rechtlich nicht geboten sei, bedürfe es doch bei der Strafbemessung im Disziplinarverfahren einer entsprechenden Abwägung des bereits erlittenen Übels. Es sei daher das erstinstanzlich gemäß § 23 Abs. 1 lit. f ApKG ausgesprochene Verbot der Ausübung des Apothekerberufes im Hinblick auf die für die Dauer von nahezu 20 Monaten vorläufig verhängte - inhaltsgleiche - Maßnahme aus dem angefochtenen Erkenntnis auszuschalten gewesen. Im Übrigen sei jedoch auch die Berufung gegen das Strafausmaß unbegründet. Die dauernde Entziehung des Rechtes zur Ausbildung von Aspiranten sei vor allem deshalb berechtigt, weil der Beschwerdeführer seine Aufsichtspflichten gröblich vernachlässigt habe, kaum in der Offizin anwesend gewesen sei und trotzdem nicht angeordnet habe, ihn detailliert und zeitnah über die von Dr. R vorgelegten Rezepte zu informieren. Die Geldstrafe erweise sich in Ansehung der gewichtigen Pflichtverletzungen, des erheblichen Schadens für die Reputation der Apothekerschaft in der Öffentlichkeit sowie des Umstandes, dass sie ohnedies nur etwa den Betrag des (legalen) Reingewinns aus den gegenständlichen Medikamentenverkäufen erreicht habe, als äußerst moderat und einer Reduktion daher keinesfalls zugänglich.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 234/01, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Apothekerkammergesetzes, BGBl. Nr. 152/1947
i. d.F. BGBl. Nr. 54/1989 (ApKG), begeht ein Mitglied der Apothekerkammer ein Disziplinarvergehen, wenn es
1. durch sein Verhalten gegenüber Kunden, Kollegen oder in der Öffentlichkeit das Ansehen der Apothekerschaft herabsetzt, oder
2. Berufspflichten gröblich verletzt, deren Einhaltung nach den Vorschriften über den Apothekenbetrieb oder Arzneimittelverkehr geboten ist.
Gemäß § 23 Abs. 1 ApKG sind Disziplinarstrafen:
a)
der schriftliche Verweis;
b)
Geldstrafen bis zur Höhe des 15-fachen Betrages der Gehaltskassenumlage, die für einen angestellten Apotheker auf Grund der Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes jeweils zu leisten ist;
c) die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten;
d) die zeitliche oder dauernde Entziehung des Wahlrechtes und der Wählbarkeit zur Apothekerkammer;
e) die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke;
f) das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes bis zur Dauer von drei Jahren.
Welche dieser Strafen zu verhängen ist, ist gemäß § 23 Abs. 2 ApKG nach der Schwere des Verschuldens und der daraus entstandenen oder drohenden Nachteile zu beurteilen. Die Disziplinarstrafen können auch nebeneinander verhängt werden.
Disziplinarstrafen nach Abs. 1 lit. b bis f können gemäß § 23 Abs. 3 ApKG bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren verhängt werden, sofern über den Beschuldigten bisher keine andere Disziplinarstrafe als die des schriftlichen Verweises verhängt worden ist oder eine andere Disziplinarstrafe bereits getilgt ist.
Der Beschwerdeführer erachtet das von der belangten Behörde gegen ihn durchgeführte Disziplinarverfahren für mangelhaft, weil sich die belangte Behörde in der mündlichen Berufungsverhandlung mit einer Zusammenfassung des erstinstanzlich erhobenen Sachverhaltes durch den Vorsitzenden begnügt habe. Der Antrag des Beschwerdeführers auf seine neuerliche Einvernahme sowie eine Einvernahme von im Einzelnen genannten Zeugen sei abgewiesen worden; die in erster Instanz aufgenommenen Zeugenaussagen seien nicht verlesen worden. Dies, obwohl der Disziplinarberufungssenat nach mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme in der Sache selbst zu entscheiden und die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen ohne Bindung an die erste Instanz treffen müsse. Dabei müssten die Zeugen persönlich vernommen werden, wenn nicht einer der Gründe des § 22b Abs. 3 Z. 1 bis 4 ApKG vorliege; nur in diesen Fällen sei eine Verlesung der Zeugenaussagen zulässig. Auch dürfe im Disziplinarbescheid nur verwertet werden, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen sei, also gewiss keine Zeugenprotokolle, die in der Verhandlung nicht verlesen worden seien. Aus dem Gesetz ergebe sich klar, dass auch im Berufungsverfahren die Vernehmung des Beschuldigten und die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen und, soweit erforderlich, die Verlesung der im Vorverfahren aufgenommenen Protokolle oder sonstigen belangreichen Unterlagen zu erfolgen habe, wobei dem Beschuldigten und dem Disziplinaranwalt das Recht zustehe, sich zu den einzelnen vorgebrachten Beweismitteln zu äußern und Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu stellen. Die Annahme, der Disziplinarberufungssenat könne auf ein Beweisverfahren von vornherein verzichten und sich mit einem (einleitenden) Resümee des Vorsitzenden begnügen, sei unvertretbar. Eine Zeugenaussage sei in der Verhandlung nämlich nur dann vorgekommen, wenn sie entweder neuerlich abgelegt oder zumindest das über sie errichtete Protokoll verlesen worden sei. Letztlich folge dies auch aus Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK, wonach jeder, der von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden sei, das Recht habe, dieses Urteil von einem übergeordneten Gericht nachprüfen zu lassen, wobei sich die Ausübung dieses Rechtes nach dem Gesetz richte. Die Tribunalqualität des übergeordneten Gerichts verlange, dass es Beweise zumindest mittelbar durch Verlesung aufnehme, wenn das - wie im vorliegenden Fall - von dem über die Ausübung dieses Rechts bestehenden Gesetz vorgesehen werde. Ein Senat, der die Beweismittel nicht kenne, könne die Beweiswürdigung auch nicht überprüfen. Durch die unterbliebene Beweisaufnahme (zumindest) durch Verlesung der Beschuldigten- und Zeugenprotokolle sei der Beschwerdeführer im Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 EMRK verletzt worden. Der Beschwerdeführer sei auch im Recht auf eine volksöffentliche mündliche Verhandlung verletzt worden; zumindest das Urteil hätte öffentlich verkündet werden müssen. Schließlich habe die belangte Behörde ohne Beweisaufnahme eine einschneidende Strafe, das lebenslange Verbot der Beschäftigung von Aspiranten verhängt. Auch wenn die Beschäftigung von Aspiranten in erster Linie zu Ausbildungszwecken erfolge, so diene ihre Beschäftigung doch auch der Entlastung bei der Führung der Apotheke unter den beim Beschwerdeführer vorliegenden schwierigen Verhältnissen. Die Verhängung dieses Verbotes erscheine exzessiv. Die Durchführung der erwähnten beantragten Beweise hätte gezeigt, dass ein dem Beschwerdeführer allenfalls unterlaufenes fahrlässiges Aufsichtsverschulden durch eine Reihe von Milderungsgründen kompensiert worden sei. Es seien auch keine Beweismittel angegeben worden, die die diesbezügliche Bescheidbegründung tragen könnten. Bedenke man, dass Dr. R ein zur Ausstellung von Rezepten befugter Arzt und überdies ein leitender Beamter der Aufsichtsbehörde der Apotheker gewesen sei, werde das Verschulden des Beschwerdeführers überschätzt. Der Beschwerdeführer sei auch, obwohl er leitende Organe seiner Standesvertretung um Unterstützung angerufen habe, "nur hinhaltend behandelt" worden und ohne Hilfe geblieben. Auch diese Tatsache hätte bei der Einvernahme des Beschwerdeführers und der von ihm beantragten Zeugen herausgearbeitet werden können. Der Ausspruch des dauernden Verbotes, Aspiranten auszubilden, erscheine unsachlich und einseitig. Das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren habe mit einer "glatten Einstellung" geendet. Das durch die vorläufige Maßnahme der Sperre der Apotheke erlittene Übel hätte auch beim Ausspruch des Verbotes, Aspiranten zu beschäftigen, berücksichtigt werden müssen. Auch hätte die Möglichkeit eines bedingten Strafausspruches in Erwägung gezogen werden müssen; werde ein Disziplinarvergehen zum ersten Mal begangen, könne nicht gleich mit lebenslangen Verboten vorgegangen werden. Schließlich sei auch die Verhängung der Geldstrafe in Höhe von S 100.000,-- fehlerhaft, weil über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers keinerlei Feststellungen getroffen worden seien.
Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Regelungen betreffend das Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Apothekerkammer finden sich in den §§ 18 ff ApKG, wobei § 22 Abs. 1 ApKG insoweit, als sich aus den Vorschriften dieses Bundesgesetzes nicht anderes ergibt, die sinngemäße Anwendung der §§ 107 bis 109 sowie der §§ 11 bis 151 der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914 in der zuletzt mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 213/1972 geänderten Fassung (DP), anordnet.
Nach diesen Bestimmungen hat der Disziplinarrat bei Fällung des Disziplinarerkenntnisses nur auf Dasjenige Rücksicht zu nehmen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist (§ 22 Abs. 1 ApKG iVm § 126 DP).
Für die Beweisaufnahme gelten gemäß § 22b Abs. 1 ApKG - soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist - die Bestimmungen im 2. Abschnitt, II. Teil, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. An jede Person, die vernommen wird, kann insbesondere der Beschuldigte Fragen stellen; der Verhandlungsleiter kann Fragen, die unangebracht oder zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht dienlich sind, zurückweisen (§ 22b Abs. 2 ApKG).
Niederschriften über die Vernehmung des Beschuldigten oder von Zeugen sowie die Gutachten Sachverständiger dürfen gemäß § 22b Abs. 3 ApKG nur verlesen werden:
1. wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind, ihr Aufenthalt unbekannt ist oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus anderen erheblichen Gründen nicht verlangt werden kann;
2. wenn die in der mündlichen Verhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von ihren früheren Aussagen abweichen;
3. wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder wenn Beschuldigte die Aussage verweigern oder
4. wenn alle anwesenden Parteien zustimmen.
Sonstige Beweismittel, wie Augenscheinsaufnahmen, Fotos oder Urkunden, müssen gemäß § 22b Abs. 4 ApKG dem Beschuldigten vorgehalten werden. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußeren.
Jeder Partei, insbesondere dem Beschuldigten muss gemäß § 22b Abs. 5 ApKG Gelegenheit geboten werden, alle zur Sache gehörenden Gesichtspunkte vorzubringen und unter Beweis zu stellen, sich über die von anderen Beteiligten, den Zeugen und Sachverständigen vorgebrachten oder die als offenkundig behandelten Tatsachen sowie über die von anderen gestellten Anträge und über das Ergebnis amtlicher Erhebungen zu äußern.
Gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates steht gemäß § 20 Abs. 4 ApKG dem Beschuldigten und dem Disziplinaranwalt binnen 14 Tagen das Recht der Berufung zu.
Gemäß § 20 Abs. 5 ApKG ist die Berufung, die begründet sein muss, beim Disziplinarrat in zweifacher Ausfertigung einzubringen. Sie ist dem Disziplinaranwalt bzw. dem Beschuldigten mit dem Hinweis mitzuteilen, dass er binnen 14 Tagen seine Gegenausführungen überreichen kann. Nach Überreichung dieser Gegenausführungen oder nach Ablauf der hiezu bestimmten Frist sind die Akten dem Disziplinarberufungssenat zu übersenden. Die Berufung hat aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 21 Abs. 1 ApKG erkennt der Disziplinarberufungssenat der Apothekerkammer über Berufungen gegen Erkenntnisse des Disziplinarrates.
Der Disziplinarberufungssenat entscheidet gemäß § 22 Abs. 1 ApKG iVm § 134 DP ohne mündliche Verhandlung:
a) wenn er eine Ergänzung der Untersuchung für nötig hält. In diesem Fall ist die Durchführung dem Disziplinarrat aufzutragen;
b) wenn wesentliche Mängel des Verfahrens dessen Wiederholung in erster Instanz erforderlich machen. In diesem Fall ist das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und die Sache an den Disziplinarrat zurückzuverweisen;
c) wenn die Berufung nur die Entscheidung über den Kostenersatz betrifft.
Ist keiner dieser Fälle gegeben, so bestimmt der Vorsitzende den Tag der mündlichen Verhandlung. Auf das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die mündliche Verhandlung und das Erkenntnis in erster Instanz sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdevorbringen liegt die Auffassung zu Grunde, der Disziplinarberufungssenat sei verpflichtet, die zur Entscheidung der Disziplinarsache erforderlichen Beweise selbst aufzunehmen; alle, auch die in erster Instanz aufgenommenen Beweise müssten in der vom Disziplinarberufungssenat durchzuführenden mündlichen Verhandlung neuerlich aufgenommen bzw. in den Fällen des § 22b Abs. 3 ApKG verlesen werden.
Dieser Standpunkt ist allerdings nicht auch jener des ApKG. Nach diesen Bestimmungen hat der Disziplinarberufungssenat nämlich
über die Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates zu entscheiden (§ 21 Abs. 1 ApKG), nicht aber über den gegen den Beschuldigten erhobenen Disziplinarvorwurf. Es ist daher nicht Sache des Disziplinarberufungssenates, in gleicher Weise wie die erste Instanz über den gegen den Beschuldigten erhobenen Disziplinarvorwurf - unter neuerlicher Durchführung des Beweisverfahrens - zu entscheiden. Vielmehr hat er die - von der Berufung bestrittene - Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Erkenntnisses zu beurteilen; hiezu bedarf es jedoch keiner neuerlichen Durchführung des (erstinstanzlichen) Beweisverfahrens. Nur insoweit, als zu dieser Beurteilung - gegebenenfalls auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers - eine Ergänzung der vorliegenden Beweisergebnisse erforderlich ist, kommt eine Beweisaufnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Disziplinarberufungssenates in Betracht. Nicht ist dem Gesetz jedoch die Anordnung zu entnehmen, der Disziplinarberufungssenat habe grundsätzlich alle bereits in erster Instanz aufgenommenen Beweise nochmals aufzunehmen bzw. im Falle des § 22b Abs. 3 ApKG zu verlesen. Es folgt im Gegenteil aus § 22 Abs. 1 ApKG iVm § 134 lit. b DP, wonach das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis ohne mündliche Verhandlung aufzuheben und an die Erstbehörde zurückzuverweisen ist, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens "dessen Wiederholung in erster Instanz erforderlich machen", dass eine Wiederholung des von der Erstbehörde durchgeführten Beweisverfahrens dem Disziplinarberufungssenat gerade nicht auferlegt ist. Lediglich Ergänzungen der Beweisaufnahmen sind von diesem selbst vorzunehmen.
Dieser Auffassung steht die Anordnung des § 22 Abs. 1 ApKG iVm § 126 bzw. § 134 letzter Satz DP, wonach bei Fällung des Disziplinarerkenntnisses bzw. Disziplinarberufungserkenntnisses nur auf das Rücksicht genommen werden darf, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist, nicht entgegen; besagt diese Anordnung doch lediglich, dass die im Disziplinarerkenntnis erster Instanz getroffenen Sachverhaltsannahmen ihre Grundlage in der von der Erstbehörde durchgeführten mündlichen Verhandlung und die von der Berufungsbehörde (davon abweichend oder diese ergänzend) getroffenen Sachverhaltsannahmen ihre Grundlage in der von der Berufungsbehörde durchgeführten mündlichen Verhandlung haben müssen. Dass sämtliche Sachverhaltsannahmen betreffend das dem Beschuldigten vorgeworfene Disziplinarvergehen auf Beweisergebnissen berufen müssten, die in der vom Disziplinarberufungssenat durchgeführten mündlichen Verhandlung aufgenommen wurden, ist dieser Anordnung jedoch nicht zu entnehmen.
Im Übrigen hat es der Beschwerdeführer unterlassen, die Relevanz der von ihm behaupteten Verfahrensmängel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG konkret aufzuzeigen; hat er doch nicht dargetan, zu welchem im Ergebnis wesentlich anderen Sachverhalt die belangte Behörde bei seiner neuerlichen Einvernahme, bei neuerlicher Einvernahme der von ihm beantragten Zeugen bzw. bei volksöffentlicher Durchführung der mündlichen Verhandlung bzw. der öffentlichen Verkündung des Disziplinarberufungserkenntnisses gelangt wäre. Der Beschwerdeführer ist auch, soweit er sich zufolge der von ihm behaupteten Verfahrensverstöße in den ihm durch die EMRK gewährleisteten Rechten verletzt erachtet, auf die vorstehenden Darlegungen zu verweisen.
Was schließlich das Beschwerdevorbringen anlangt, die dauernde Entziehung des Rechtes des Beschwerdeführers, Aspiranten auszubilden, sei unsachlich und einseitig und es hätte mit einem bedingten Strafausspruch das Auslangen gefunden werden können, zeigt der Beschwerdeführer auch in der Strafbemessung keine Rechtswidrigkeit des - das erstbehördliche Disziplinarerkenntnis bestätigenden - angefochtenen Bescheides auf. Weder legt er dar, dass die behördlichen Feststellungen, er sei kaum in der Offizin anwesend gewesen und habe dennoch nicht angeordnet, ihn detailliert und zeitnah über die von Dr. R vorgelegten Rezepte zu informieren, unzutreffend wären, noch bestreitet er das Vorliegen einer disziplinarrechtlichen Vorverurteilung zu einer Geldstrafe aus dem Jahre 1990. Mit der bloßen Behauptung, sein Verschulden sei behördlicherseits "überschätzt" worden, wird allerdings nicht dargetan, dass die Strafzumessung nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt sei. Gleiches gilt für die Behauptung, die verhängte Geldstrafe sei ohne vorherige Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers festgesetzt worden. Was aber die Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in Gestalt der vorläufigen Maßnahme der Sperre der Apotheke bereits erlittenen Übels anlangt, so wurde darauf im angefochtenen Bescheid in Form der Ausschaltung der Strafe des Verbotes der Ausübung des Apothekerberufes für die Dauer von 18 Monaten aus dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis ohnedies Bedacht genommen.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 31. Jänner 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002100106.X00Im RIS seit
07.03.2005