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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ApG 1907 §10 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde der O in O, vertreten durch Rechtsanwälte Siemer - Siegl - Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 30. September 2004, Zl. E 134/07/2004.001/002, betreffend Aussetzung eines Apothekenkonzessionsverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 14. Juni 2004 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg die Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (in der Folge als "Apothekenkonzession" oder "Konzession" bezeichnet) in Neudörfl.
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde das Verfahren über den Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 38 AVG bis zur Rechtskraft der Entscheidung über das Ansuchen des Mag. pharm. S. um Erteilung der Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Filialapotheke (in der Folge als "Filialapothekenbewilligung" bezeichnet) in Neudörfl ausgesetzt.
Begründend vertrat die belangte Behörde unter Hinweis auf § 38 AVG sowie die §§ 27 und 47 Abs. 2 ApG die Auffassung, die Frage der Erteilung der Filialapothekenbewilligung sei für die Entscheidung über die "Vollapothekenbewilligung" eine präjudizielle Rechtsfrage, über welche dieselbe Behörde in einem anderen Verfahren als Hauptfrage zu entscheiden habe, und somit eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Das Apothekengesetz unterscheide nicht, ob "eine Filialapotheke eröffnet werden soll oder eine sogenannte Vollapotheke". Bei mehreren Konzessionswerbern sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Priorität des Einlangens des Konzessionsansuchens bei der Behörde entscheidend. Es sei unstrittig, dass der Antrag des Mag. pharm. S. früher (als jener der Beschwerdeführerin) gestellt worden sei. Da "bei der vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Prioritätenregel ausschließlich auf das Datum des Einlangens des Antrages abgestellt wurde, ist die Rechtskraft einer Entscheidung nicht erforderlich".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht. Die Beschwerde vertritt unter Hinweis auf die §§ 24 Abs. 4 und 5, 27 und 47 Abs. 2 ApG die Auffassung, die "Prioritätenregel" käme im Fall einer Konkurrenz zwischen Bewerbern um die Errichtung einer "Vollapotheke" und einer Filialapotheke nicht zum Tragen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Der belangten Behörde steht offenbar der Fall einer Vorfrage vor Augen, die zwar von derselben Verwaltungsbehörde, aber in einem anderen Verfahren zu entscheiden ist; auch in einem solchen Fall nimmt die Rechtsprechung eine Ermächtigung zur Aussetzung an (vgl. hiezu z.B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 38 AVG, E 5 und E 7 referierte Rechtsprechung; vgl. weiters z.B. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3, 143 mwN).
Im vorliegenden Fall kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dass über die in Rede stehende Frage (der Erteilung der Filialapothekenbewilligung) in einem "anderen Verfahren" zu entscheiden wäre. Vielmehr ist - wie unten dargestellt wird - über die Anträge auf Grund einer Rechtslage zu entscheiden, die den (die) Bewerber um eine Apothekenkonzession und den (die) Bewerber um eine Filialapothekenbewilligung in der Gemeinde des betreffenden Standortes zu einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft verbindet (vgl. zum insoweit entsprechenden Fall konkurrierender Konzessionsanträge das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1994, Slg. Nr. 14103/A). In einem solchen Fall ist über die konkurrierenden Anträge in einem einzigen, alle Anträge erledigenden Bescheid derart abzusprechen, dass einem Bewerber die angestrebte Berechtigung verliehen, die Anträge der anderen Bewerber hingegen abgewiesen werden. Dies steht der getrennten Führung mehrerer Verfahren und demzufolge auch der Aussetzung eines der Verfahren im Sinne des § 38 AVG entgegen.
Die hier in Rede stehenden sachlichen Voraussetzungen der Erteilung der Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke (Apothekenkonzession; von der belangten Behörde "Vollapothekenkonzession" genannt) regelt § 10 ApG. Nach § 10 Abs. 1 leg. cit. ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht. Nach Abs. 2 leg. cit. besteht ein Bedarf nicht, wenn sich im Umkreis von 4 Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt (Z. 1) oder ... die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als
5.500 betragen wird (Z. 3).
Aus der soeben zitierten, die Grundlage der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Apothekenkonzession bildenden Vorschrift folgt somit nicht, dass die Bedarfsfrage unter Bedachtnahme auf die (rechtliche) Existenz von Filialapotheken im fraglichen Gebiet zu entscheiden wäre. Jedoch ist nach § 47 Abs. 2 letzter Satz ApG ein Apothekenkonzessionsgesuch ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn in der Gemeinde des angesuchten Standortes die Bewilligung zur Errichtung einer Filialapotheke vor weniger als fünf Jahren erteilt wurde. Diese Vorschrift soll offenkundig (vgl. dazu auch die EBzRV, 395 Blg. NR XVI. GP) die Amortisation der vom Inhaber der Filialapotheke getätigten Investition durch eine Bestandsgarantie für die Dauer von fünf Jahren ermöglichen, die - fehlte eine solche Vorschrift - im Hinblick auf § 27 ApG, wonach die Filialapothekenbewilligung bei Inbetriebnahme einer näher als 4 km gelegenen öffentlichen Apotheke zurückzunehmen ist, nicht gewährleistet wäre.
Die Vorschrift des § 47 Abs. 2 letzter Satz ApG knüpft diesen befristeten Bestandsschutz der Filialapotheke aber (erst) an die Erteilung der Bewilligung zur Errichtung der Filialapotheke. Voraussetzung eines Vorgehens nach § 47 Abs. 2 letzter Satz ApG gegenüber dem Bewerber um eine Apothekenkonzession ist somit, dass eine vor weniger als fünf Jahren erteilte Filialapothekenbewilligung dem Rechtsbestand angehört. Eine solche Bewilligung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Dem Gesetz kann auch nicht entnommen werden, dass bereits ein bei der Behörde anhängiger Antrag auf Erteilung einer Filialapothekenbewilligung der Erteilung einer Apothekenkonzession entgegenstünde bzw. die Abweisung des Konzessionsantrages ohne weiteres Verfahren ermöglichte.
Aus § 47 Abs. 2 letzter Satz ApG folgt jedoch, dass (jedenfalls) eine im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung einer Apothekenkonzession dem Rechtsbestand angehörende, vor weniger als fünf Jahren erteilte Bewilligung einer Filialapotheke in der Gemeinde des angesuchten Standortes der Konzessionserteilung entgegenstünde. Zum Anderen folgt aus § 24 Abs. 1 ApG, dass eine Filialapothekenbewilligung (nach Erteilung einer Apothekenkonzession) schon im Hinblick auf das Vorhandensein einer öffentlichen Apotheke in der betreffenden "Ortschaft" wie auch (gegebenenfalls) mangels Vorliegens eines "Bedarfes nach einer Verabreichungsstelle von Arzneimitteln" im Sinne des § 24 Abs. 1 ApG nicht erteilt werden könnte. Es liegt somit eine Konstellation vor, die jener mehrerer Bewerber um eine Apothekenkonzession im Sinne der durch das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1994, Slg. 14103/A, eingeleiteten ständigen Rechtsprechung insoweit entspricht, als die Erteilung der angestrebten Berechtigung an einen von mehreren Bewerbern - bei entsprechender zeitlicher Abfolge - die Abweisung der Anträge der anderen Bewerber nach sich ziehen müsste. Die solcher Art gegebene Konstellation begründet somit auch im vorliegenden Fall eine (notwendige) Verwaltungsverfahrensgemeinschaft der mehreren Bewerber. Über ihre Anträge ist (wie dargelegt) in einem einzigen, alle Anträge erledigenden Bescheid derart abzusprechen, dass einem Bewerber die angestrebte Berechtigung verliehen, die Anträge der anderen Bewerber hingegen abgewiesen werden (vgl. hiezu allgemein Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 91 mwN; Thienel, aaO, 86 mwN). Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Aussetzung steht mit dem aus der dargelegten Rechtslage abzuleitenden Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über die konkurrierenden Anträge - das auch ein Zuwarten mit der Entscheidung über den Apothekenkonzessionsantrag bis nach der allfälligen Erteilung einer Filialapothekenbewilligung, die sodann für die Dauer von fünf Jahren der Erteilung einer Apothekenkonzession entgegenstünde, nicht zuließe - in Widerspruch.
Diese Rechtslage hat die belangte Behörde bei Erlassung ihres die Aussetzung des Konzessionsverfahrens verfügenden Bescheides verkannt. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Der Vollständigkeit halber ist dem Folgendes hinzuzufügen:
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seiner mehrfach erwähnten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, dass zwischen mehreren Bewerbern um Apothekenkonzessionen (in der Diktion der belangten Behörde: "Vollapothekenkonzessionen"), deren Ansuchen einander im Hinblick auf die Bedarfslage ausschließen, die Priorität des Einlangens bei der Behörde entscheidet (vgl. zuletzt z. B. das Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, Zl. 2004/10/0138 mwN).
Zu dieser Auffassung gelangte der Verwaltungsgerichtshof insbesondere angesichts des Umstandes, dass dem Gesetz kein anderes Kriterium der Auswahl zwischen den konkurrierenden Bewerbern als jenes der zeitlichen Priorität des Antrages entnommen werden kann.
Die hier vorliegende Konstellation - die Konkurrenz eines Antrages auf Erteilung einer Apothekenkonzession im Sinne der §§ 9, 10 ApG mit einem Antrag auf Erteilung einer Filialapothekenbewilligung im Sinne des § 24 ApG in der Gemeinde des in Aussicht genommenen Standortes der öffentlichen Apotheke - ist zwar - wie dargelegt - insofern mit der der soeben erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Konstellation der Konkurrenz mehrerer Konzessionsanträge vergleichbar, als - gegebenenfalls - die Erteilung der einen Bewilligung die später erfolgende Erteilung der anderen Bewilligung (wenigstens befristet) ausschlösse. Für die Auswahl zwischen den mehreren Bewerbern - jenem um die Apothekenkonzession und jenem um die Filialapothekenbewilligung - ist dem Gesetz jedoch anders als in dem dem Erkenntnis vom 30. August 1994 und den Folgefällen zugrunde liegenden Fall der Konkurrenz von Bewerbern um mehrere Apothekenkonzessionen im selben Standort ein Auswahlkriterium zu entnehmen: Im Hinblick darauf, dass einer Filialapotheke im Verhältnis zu den öffentlichen Apotheken lediglich "Surrogatfunktion" zukommt (vgl. hiezu zusammenfassend das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2000, Slg. Nr. 15868, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 2000, Zl. 2000/10/0139) ist im Falle einer solchen Konkurrenzsituation der Errichtung der öffentlichen Apotheke - und somit der Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke - der Vorzug zu geben. Die nur mangels eines sonstigen dem Gesetz zu entnehmenden Auswahlkriteriums für insoweit anders gelagerte Fälle in der Rechtsprechung entwickelte Regel der "zeitlichen Priorität" kommt daher hier nicht zum Tragen. Vielmehr wäre im Falle der Erfüllung der (insbesondere Bedarfs -) Voraussetzungen die Apothekenkonzession (mit der Folge der Abweisung des Antrages auf Erteilung der Filialapothekenbewilligung) zu erteilen. Für die Erteilung einer Filialapothekenbewilligung wäre in einem Fall wie dem vorliegenden hingegen nur dann Raum, wenn (gleichzeitig) der Konzessionsantrag - insbesondere mangels Erfüllung der Bedarfsvoraussetzungen im Sinne des § 10 ApG - abgewiesen werden müsste, ein "Bedarf nach einer Verabreichungsstelle von Arzneimitteln" im Sinne des § 24 Abs. 1 ApG hingegen dennoch bestünde.
Wien, am 31. Jänner 2005
Schlagworte
Gesundheitswesen Apotheken Verwaltungsverfahrensgemeinschaft VwRallg13European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004100185.X00Im RIS seit
04.03.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008