TE OGH 1947/2/22 1Ob87/47

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Veröffentlicht am 22.02.1947
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Senatspräsidenten Dr.Strobele als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klang, die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr.Etz und Dr.Duhan und den Rat des Oberlandesgerichtes Dr.Kuch als Richter in der Verlassenschaftssache nach Johann W***** infolge Revisionsrekurses der Frau Katharina S*****, verwitwete W*****, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 4.Jänner 1947, GZ 3 R 194/46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 14.April 1945, GZ A 5/43-29, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der auf Grund der Erbregelungsverordnung vom 4. Oktober 1944 DRGBl. I, Seite 242, ergangene Beschluß des Erstgerichts, mit dem die Witwe des ohne letztwillige Verfügung verstorbenen Johann W***** als Alleinerbin zum ganzen Nachlaß ihres Ehegatten eingesetzt worden war, aufgehoben. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß die Erbregelungsverordnung zufolge der Kundmachung der provisorischen Staatsregierung vom 3. Oktober 1945, StGBl. Nr.190, aufgehoben ist.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen eingelegte Revisionsrekurs ist unbegründet. Die Streitfrage, ob im allgemeinen eine nach der angefochtenen Entscheidung eingetretene Rechtsänderung von der Rechtsmittelinstanz zu berücksichtigen ist, oder ob diese ihre Entscheidung auf Grund der im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung wirksamen Vorschriften zu treffen hat, kann dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Falle handelt es sich um eine Rechtsänderung, die zwingender Natur und daher jedenfalls zu beachten ist, auch wenn sie erst nach der Entscheidung der ersten Instanz Wirksamkeit erlangt hat. Die zwingende Natur der Aufhebung der Erbregelungsverordnung ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Gemäß dem § 1 des Rechtsüberleitungsgesetzes vom 1. Mai 1945, StGBl. Nr.6, werden alle nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen, die mit dem Bestand eines freien und unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar sind, die dem Rechtsempfinden des österreichischen Volke widersprechen oder typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthalten, aufgehoben. Die provisorische Staatsregierung stellt mittels Kundmachung fest, welche Rechtsvorschriften im Sinne des Absatzes 1 als aufgehoben zu gelten haben. Alle Gerichte sind an die Feststellungen dieser Kundmachung gebunden. In der Kundmachung vom 5. Oktober 1945, StGBl. Nr.190, hat nun die provisorische Staatsregierung unter Berufung auf den § 1 des Rechtsüberleitungsgesetzes unter anderem festgestellt, daß die Erbregelungsverordnung und die Erbregelungsdurchführungsverordnung aufgehoben sind. Durch die Berufung auf den § 1 des Rechtsüberleitungsgesetzes hat der Gesetzgeber in einer für alle Gerichte bindenden Weise zum Ausdruck gebracht, daß die aufgehobenen Verordnungen zu einer der im § 1, Absatz 1, des Rechtsüberleitungsgesetzes angeführten Kategorien von Vorschriften gehören, die für die Republik Österreich nicht tragbar sind. Nach dem Inkrafttreten der diese Feststellung enthaltenden Kundmachung ist es daher ausgeschlossen, daß ein österreichisches Gericht, sei es erster, sei es höherer Instanz, auf Grund dieser Verordnung eine Entscheidung trifft oder aufrecht erhält.

Anmerkung

E73326 1Ob87.47

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1947:0010OB00087.47.0222.000

Dokumentnummer

JJT_19470222_OGH0002_0010OB00087_4700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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