TE OGH 1947/7/12 1Ob343/47

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Veröffentlicht am 12.07.1947
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Norm

ABGB §536
ABGB §1278
ABGB §1282
Außerstreitgesetz §125
KO §1
KO §4
Strafgesetz §58
Verbotsgesetz 1945 §11
Verbotsgesetz 1945 §24
Volksgerichtsverfahrens- und Vermögensverfallsgesetz §20

Kopf

SZ 21/43

Spruch

Zum verfallen erklärten Vermögen gehört auch eine im Zeitpunkt der Verfallserklärung dem Verurteilten bereits angefallene Erbschaft.

Entscheidung vom 12. Juli 1947, 1 Ob 343/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes keine Folge, durch den der erstrichterliche Beschluß aufgehoben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Die am 19. Jänner 1945 ohne letztwillige Verfügung verstorbene Witwe K. T. hat als gesetzlichen Alleinerben ihren Sohn, den Kaufmann E. T. hinterlassen. E. T. wurde mit Beschluß des Landes- als Volksgerichtes Innsbruck vom 12. Juni 1946, 10 Vr 335/46, des Vebrechens des Hochverrates nach dem § 58 StG. in der Fassung des § 11 Verbotsgesetz 1945 schuldig erkannt und zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von einem Jahre verurteilt. Gemäß § 11 Verbotsgesetz wurde sein gesamtes Vermögen zugunsten des Staates für verfallen erklärt. In einer am 13. Juni 1946 beim Abhandlungsgericht eingelangten Eingabe stellte E. T. den Antrag, für seine minderjährige Tochter C. T. zum Zwecke ihrer Vertretung im Abhandlungsverfahren nach K. T. einen Sachwalter zu bestellen. Zur Begründung dieses Antrages führte er unter anderem an, daß er schon "seit jeher" die Absicht gehabt habe, im Verlassenschaftsverfahren nach seiner Mutter keine Erbserklärung abzugeben. Zu der für den 28. August 1946 anberaumten Tagsatzung zur Verlassenschaftsverfahren nach K. T. ist E. T., obwohl er hiezu vorgeladen war, nicht erschienen. Hingegen hat die Kuratorin der minderjährigen C. T. die bedingte Erbserklärung aus dem Titel des Gesetzes abgegeben. Am 31. Oktober 1946 hat auch das durch die Vermögenssicherungsstelle der Landeshauptmannschaft für Tirol vertretene Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung namens der Republik Österreich die bedingte Erberklärung zum Nachlaß der K. T. abgegeben, indem es sich auf den Standpunkt stellte, daß das Erbrecht des E. T. nach seiner Mutter K. T. ein Bestandteil des für verfallen erklärten Vermögens des E. T. gewesen sei.

Das Abhandlungsgericht hat mit Beschluß vom 1. Februar 1947 beide Erbserklärung angenommen und die Parteien auf den Rechtweg verwiesen, wobei es der minderjährigen C. T. die Klägerrolle zugewiesen hat. Infolge Rekurses der minderjährigen C. T. hat das Rekursgericht den angefochtenen Beschluß "außer der Annahme der Erbserklärung der minderjährigen C. T." aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, der Finanzprokuratur in Wien als der gesetzlichen Vertreterin der Republik Österreich die Erbserklärung abzufordern und, falls die Finanzprokuratur eine Erbserklärung abgebe, nach Vernehmung der Parteien neuerlich zu entscheiden. In der Begründung dieses Beschlusses wird im wesentlichen ausgeführt, daß zu dem für verfallen erklärten und gemäß § 20, Abs. 2 des Gesetzes vom 19. September 1945, StGBl. Nr. 177, auf die Republik übergegangenen Vermögen auch eine angefallene, wenn auch noch nicht angetretene Erbschaft gehöre. Die in dem Antrag vom 13. Juni 1946 enthaltene Erklärung des E. T., es sei immer seine Absicht gewesen, zum Nachlaß seiner Mutter keine Erbserklärung abzugeben, und sein Nichterscheinen zur Abhandlungstagsatzung seien rechtlich bedeutungslos, weil damals schon der Vermögensverfall ausgesprochen gewesen sei. Die Republik Österreich sei als Rechtsnachfolgerin des E. T. berechtigt, an seiner Statt das ihm angefallene Erbrecht geltend zu machen.

Gegen diesen Beschluß, insoweit er dem Erstgericht auftrug, der Finanzprokuratur eine Erbserklärung abzufordern und nach Vernehmung der Parteien neuerlich zu entscheiden, hat die minderjährige C. T. Revisionsrekurs eingelegt. In diesem wird die Rechtsansicht vertreten, daß unter "Vermögen" im Sinne des Gesetzes vom 19. September 1945, StGBl. 177, nur Vermögenschaften zu verstehen seien, die bereits in der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Eigentümers stunden, eine Voraussetzung, die bei einer zwar angefallenen, aber noch nicht angetretenen Erbschaft nicht zutreffe. Die Verlassenschaft eines Verstorbenen stelle vor der Antretung kein Vermögen der Erben dar. Da der Nachlaß der K. T. von der Verfallserklärung des Volksgerichtes nicht erfaßt worden sei, stehe der Republik Österreich nicht das Recht zu, eine Erbserklärung zu diesem Nachlaß abzugeben, denn es fehle ihr an einem vom Gesetze anerkannten Berufungsgrund. Die mit dieser Auffassung im Widerspruch stehende Rechtsansicht des Rekursgerichtes sei gesetzwidrig. Die Revisionsrekurswerberin stellt abschließend den Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes in seinem angefochtenen Teile abzuändern oder aufzuheben und anzusprechen, daß von der Republik Österreich wegen Abgangs eines Erbrechtstitels eine Erbserklärung nicht abzufordern sei, ferner daß eine Entscheidung gemäß § 125 AußstrG. über die Zuteilung der Klägerrolle, da widersprechende Erbserklärungen nicht vorlägen, zu unterbleiben hat, sowie daß der Nachlaß nach K. T. unter Abstandnahme von weiteren Maßnahmen der erbserklärten Erbin minderjährigen C. T. einzuantworten ist.

Auch die Republik Österreich hat gegen den Beschluß des Rekursgerichtes Revisionsrekurs eingelegt, diesen aber dann wieder zurückgezogen. Gleichzeitig mit der Zurückziehung hat die Finanzprokuratur namens der Republik Österreich erklärt, die von der Vermögensicherungsstelle der Landeshauptmannschaft für Tirol abgegebene bedingte Erbserklärung zu genehmigen.

Der Revisionsrekurs ist unbegrundet. Durch das Urteil des Volkgerichtes vom 12. Juni 1946 ist, da dagegen weder Nichtigkeitsbeschwerde noch Berufung zulässig ist (§ 24 VG.), gemäß § 20 des Verfassungsgesetzes vom 19. September 1945, StGBl. Nr. 177, sofort das ganze für verfallen erklärte Vermögen des E. T. auf die Republik Österreich übergegangen. Ein Bestandteil dieses Vermögens war auch das subjektive Erbrecht des E. T. zum Nachlaß seiner Mutter K. T., das mit dem Tode der K. T. am 19. Jänner 1945 entstanden war (§ 536 ABGB.). Unter dem Begriff "Vermögen" im juristischen Sinn versteht die Rechtslehre die Gesamtheit der einer bestimmten Person zustehenden schätzbaren geldwerten Vermögensrechte (Ehrenzweig § 43; Bartsch bei Klang, Bd. I/1, S. 1184). Auch subjektive Erbrechte haben einen Vermögenswert, denn sie sind bestimmt, geldwerte Interessen zu schützen (Handl bei Klang II/1, S. 31). Die "Schätzbarkeit" des Erbrechtes folgt schon aus der Tatsache, daß es gemäß § 1278 ABGB. Gegenstand eines Kaufvertrages sein kann. Ganz klar kommt aber der Standpunkt des Gesetzes, daß das subjektive Erbrecht als ein Bestandteil des Vermögens desjenigen zu gelten hat, dem die Erbschaft angefallen ist, im § 4 KO. zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift kann der Masseverwalter an Stelle des Gemeinschuldners Erbschaften mit dem Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars antreten. Tritt er die Erbschaft nicht an ..., so scheidet das Recht aus der Konkursmasse aus. Unter Konkursmasse versteht aber das Gesetz das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner im Zeitpunkte der Konkurseröffnung gehört ... (§ 1 KO.). Daraus, daß die Konkursordnung einerseits keine Sonderbestimmung darüber enthält, daß eine dem Gemeinschuldner angefallene, aber von ihm noch nicht angetretene Erbschaft zur Konkursmasse gehört und anderseits bestimmt, daß das Recht (die angefallene Erbschaft anzutreten) unter gewissen Voraussetzungen aus der Konkursmasse ausscheidet, folgt zwingend, daß der Gesetzgeber schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen das subjektive Erbrecht einer bestimmten Person als einen Bestandteil von deren Vermögen behandelt. Der Oberste Gerichtshof kommt daher ebenso wie das Rekursgericht und unter Hinweis auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses zu dem Schlusse, daß von der Verfallerklärung nach § 20 des Gesetzes vom 19. September 1945, StGBl. Nr. 177, auch das subjektive Erbrecht desjenigen, dessen Vermögen für verfallen erklärt wurde, erfaßt wird.

Dem Umstand, daß E. T. in der Eingabe vom 13. Juni 1946 erklärt hat, er habe seit jeher die Absicht gehabt, im Verlassenschaftsverfahren nach seiner Mutter keine Erbserklärung abzugeben, kommt schon aus dem Gründe keine rechtliche Bedeutung zu, weil diese Mitteilung schon nach ihrem Wortlaut nicht als Ausschlagung der Erbschaft gelten kann. Außerdem ist diese Eingabe erst am 13. Juni 1946 beim Verlassenschaftsgericht eingelangt, also in einem Zeitpunkt, daß E. T. zufolge des sofort wirksam gewordenen Urteils vom 12. Juni 1946 nicht mehr berechtigt war, über ihm bis dahin zugestandene Vermögenrechte, demnach auch nicht über sein Erbrecht nach K. T., zu verfügen. Aus demselben Gründe hat auch die Tatsache, daß E. T. zu der Abhandlungstagsatzung vom 28. Juni 1946 nicht erschienen ist, auf den Bestand dieses Erbrechts, das in diesem Zeitpunkt längst auf die Republik Österreich übergegangen war, keinen wie immer gearteten Einfluß.

Die beiden Untergerichte haben demnach ohne Rechtsirrtum die Republik Österreich für berechtigt erachtet, als Rechtsnachfolgerin des E. T. ebenso wie ein Erbschaftskäufer (§ 1282 ABGB.) zum Nachlaß der K. T. die Erbserklärung abzugeben. Sie hätten gegen das Gesetz verstoßen, wenn sie diese Erbserklärung mangels eines vom Gesetz anerkannten Berufungsgrundes nicht angenommen hätten. Da der Revisionsrekurs gerade diese Entscheidung anstrebt, war ihm der Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z21043

Schlagworte

Anfall einer Erbschaft, Ausschlagung einer Erbschaft, Erbrecht subjektives, ist Vermögensbestandteil des Erben, Erbschaftskauf, Erbsentschlagung, Erbserklärung nach Vermögensverfall, Rechtsweg Verweisung auf den R., § 125 AußStrG., Verfallserklärung erfaßt bereits angefallene Erbschaft, Vermögen, Begriffsbestimmung, Vermögensverfall, erfaßt bereits angefallene Erbschaft, Verweisung auf den Rechtsweg, § 125 AußStrG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1947:0010OB00343.47.0712.000

Dokumentnummer

JJT_19470712_OGH0002_0010OB00343_4700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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