Norm
ABGB §6Kopf
SZ 21/44
Spruch
§§ 276, 1006 ABGB. Der Abwesenheitskurator ist zur Erhebung einer Ehescheidungsklage namens des Abwesenden nicht legitimiert, ebensowenig ein Generalbevollmächtigter.
Entscheidung vom 12. Juli 1947, 1 Ob 464/47.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
K. O. ist seit Mitte Februar 1944 als Unteroffizier der deutschen Wehrmacht vermißt. Am 19. Jänner 1944 hatte der Beklagte geheiratet. Da seine Schwester J. P. gegen die Beklagte namens ihres vermißten Bruders K. O. eine Ehescheidungsklage einbringen wollte, weil diese ein Kind zur Welt gebracht hatte, das K. O. unmöglich gezeugt haben konnte, erwirkte sie den Beschluß des Bezirksgerichtes F. vom 9. Jänner 1945, 2 P 7/45-1, womit sie gemäß § 276 ABGB. zum Kurator des vermißten Klägers, unter anderem für die gegen R. O einzubringende Ehescheidungsklage bestellt wurde. Infolge Rekurses der Beklagten hob das Rekursgericht mit Beschluß vom 29. Juni 1946, 43 R 504/46-8, diesen Bestellungsbeschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus mit der Begründung auf, daß zum Zwecke der Überreichung einer Ehescheidungsklage ein Kurator für einen Abwesenden nicht bestellt werden dürfe, weil es sich hiebei um ein höchstpersönliches Recht desselben handle, das überdies durch Verzug nicht gefährdet werden könne (§ 276 ABGB.). Diese höchst persönliche Willensentscheidung könne durch den Willen eines Dritten nicht ersetzt werden. Inzwischen hatte die Kuratorin des Klägers am 14. Jänner 1946 beim Landesgerichtffür Zivilrechtssachen Wien zu 7 Cg 31/46 namens ihres Bruders, des Abwesenden K. O., die Ehescheidungsklage gegen dessen Gattin R. O. eingebracht; letztere begehrte nun mit Rücksicht auf die oben erwähnte, die Kuratorbestellung aufhebende Entscheidung des Rekursgerichtes, die Nichtigerklärung des bisherigen Ehescheidungsverfahren nach § 7 ZPO. Diesem Begehren begegnete aber der Bruder des Abwesenden, Ing. F. O.,indem er die auf ihn lautende Generalvollmacht des vermißten Klägers vom 11. Februar 1944 vorlegte, das bisherige Prozeßverfahren namens seines Auftragsgebers genehmigte und für diesen den Antrag stellte, den Antrag der Beklagten auf Nichtigerklärung des bisherigen Prozeßverfahrens abzuweisen und dieses selbst durch Anberaumung einer Streitverhandlung fortzusetzen.
Das Prozeßgericht erklärte das gesamte Verfahren für nichtig, nahm die Genehmigung des Verfahrens durch den Generalbevollmächtigten des Klägers nicht zur Kenntnis und wies dessen Anträge, das Begehren auf Nichtigerklärung abzuweisen und das Verfahren fortzusetzen ab.
Es begrundete seine Entscheidung damit, daß eine Generalvollmacht zur Einbringung einer Ehescheidungsklage, die ein höchstpersönliches Recht des verletzten Ehegatten sei, nicht hinreiche, wozu im vorliegenden Fall noch komme, daß der Kläger diese seinem Bruder in einem Zeitpunkte erteilt hatte, als er von der Eheverfehlung seiner Frau noch gar keine Kenntnis haben konnte und er als vermißt bisher noch gar nicht in die Lage gekommen war, seinen freien Willen auf Lösung der Ehe zum Ausdruck zu bringen. Daher könne dem Generalbevollmächtigten ebensowenig wie einem nach § 276 ABGB. bestellten Abwesenheitskurator das Recht zur Lösung der Ehe für den verletzten Ehegatten eingeräumt werden. Hiezu kämen noch die Bestimmungen der 5. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz, DRGBl. 1943, I S. 145. Daher liege auf Seite des Klägers der Mangel der Prozeßfähigkeit vor, der nach § 7 ZPO. zum Ausspruch der Nichtigkeit des ganzen Verfahrens führen müßte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurse des Generalbevollmächtigten des Klägers Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es den Eintritt des Bevollmächtigten in den Rechtsstreit an Stelle der früheren Kuratorin J. P. zur Kenntnis nahm, den Antrag der Beklagten auf Nichtigerklärung des Verfahrens abwies und das Erstgericht beauftragte, das Verfahren fortzusetzen. Es begrundete diese Entscheidung damit, daß nach der Entscheidung des Rekursgerichtes in der Abwesenheitspflegschaft des Klägers über die Aufhebung der Bestellung der J. P. als dessen Kuratorin dieser im Ehestreit nicht ordnungsgemäß vertreten war. Dieser Mangel sei aber durch den Eintritt des Generalbevollmächtigten des Klägers (nach § 6, Abs. 1 ZPO.) behoben worden, zumal dessen Vollmacht nach § 1022, ABGB. auch nicht durch den allfälligen Tod des Auftraggebers als erloschen betrachtet werden könnte. Der Generalbevollmächtigte sei daher zur Genehmigung der bisherigen Prozeßführung berechtigt gewesen und habe darum die Nichtigerklärung des Verfahrens abwenden und dessen Fortsetzung beanspruchen können. Die Bestimmungen der 5. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz, wozu noch die Bestimmungen über den Sühneversuch kämen, kämen für die Entscheidung bloß in der Hauptsache in Betracht, es sei aber unzutreffend, sich dieser Entscheidung mit Hilfe der formellen Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO. zu entziehen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Begründung:
Eine nach den §§ 1002, 1006 bis 1008 ABGB. erteilte Vollmacht kann sich nach dem Wortlaute und dem Sinn dieser gesetzlichen Bestimmungen immer nur auf die Erledigung von Rechtsgeschäften vermögensrechtlicher Natur, nicht aber auf die Erledigung von höchstpersönlichen Familienangelegenheiten beziehen, zu welchen die Abhängigmachung einer Ehescheidungsklage immer gehören wird.
Wenn § 1008 ABGB. schon für gewisse vermögensrechtliche Rechtgeschäfte eine Spezialvollmacht fordert, so muß hieraus nach § 6 ABGB. erschlossen werden, daß dies umso mehr bei der ungleich bedeutsameren Anhängigmachung einer Ehescheidungsklage der Fall sein muß und daß es also für diesen Zweck zumindest einer in Kenntnis dieser vom Machthaber ausgestellten Vollmacht bedarf.
Dies kann nach § 7 ABGB. auch daraus erschlossen werden, daß das Gesetz im § 156 ABGB. nur dem Ehemann das Recht zur Bestreitung der ehelichen Geburt eines in der Ehe geborenen Kindes gewährt und § 157 ABGB. die Bestreitung der Ehelichkeit eines Kindes durch einen Vertreter geradezu ausschließt. Es erachtet also in diesem Fall das ABGB. die Erledigung einer Familienangelegenheit als ein höchst persönliches Recht des Betroffenen.
Dasselbe ist aus der Bestimmung des § 490, Abs. 1 StG. zu entnehmen, nach welcher der Wahrheitsbeweis für die Übertretung der Ehrenbeleidigung des § 487 StG., begangen durch die fälschliche Beschuldigung der nur über Verlangen des Beleidigten nach § 503 StG. verfolgbaren Übertretung des Ehebruches nach § 502 StG., ausgeschlossen ist. Daraus ergibt sich, daß auch das Strafgesetz die freie Entscheidung des Beleidigten über die Verfolgung eines Ehebruches sogar in entfernterer Weise Dritten gegenüber schützt.
Aus allen diesen Gründen ist zu folgern, daß eine von einem Anwesenden zurückgelassene Generalsvollmacht für die Anhängigmachung und Führung eines Ehescheidungsprozesses in dessen Namen nicht genügen kann, sondern daß vielmehr hiezu eine ausdrücklich hierauf lautende oder zumindest in Kenntnis der Eheverfehlung ausgestellte Vollmacht erfordert wird.
Dem Revisionsrekurs war daher aus den zutreffenden Gründen der Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung dieser Folge zu geben.
Anmerkung
Z21044Schlagworte
Abwesenheitskurator nicht zur Erhebung der Scheidungsklage oder zur, Bestreitung der ehelichen Geburt legitimiert, der der ehelichen Geburt, nicht durch Abwesenheitskurator, Bestreitung der E., nicht durch Abwesenheitskurator, Ehescheidungsklage, nicht durch Abwesenheitskurator, Geburt eheliche, Bestreitung nicht durch Abwesenheitskurator, Generalvollmacht legitimiert nicht zur Erhebung einer, Ehescheidungsklage, Kurator nach § 276 ABGB., nicht zur Erhebung der Scheidungsklage, legitimiert, Scheidungsklage, nicht durch AbwesenheitskuratorEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1947:0010OB00464.47.0712.000Dokumentnummer
JJT_19470712_OGH0002_0010OB00464_4700000_000