TE OGH 1948/1/21 1Ob25/48

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Veröffentlicht am 21.01.1948
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Norm

ABGB §293
ABGB §297
ABGB §417
ABGB §418
ZPO §273
ZPO §496
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z4

Kopf

SZ 21/57

Spruch

§ 418 ABGB. ist unabwendbar, wenn die Bauführung auf einem die Errichtung eines Gebäudes auf fremden Grund einvernehmlich regelnden Abkommen beruht.

Ein Superädifikat setzt ein von vornherein zeitlich begrenztes Grundbenützungsrecht voraus; fehlt die Befristung, so gilt § 297

ABGB.

Entscheidung vom 21. Jänner 1948, 1 Ob 25/48.

I. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Oberste Gerichtshof hob die beiden unterinstanzlichen Entscheidungen auf.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Das Erstgericht hat dem auf das klägerische Eigentumsrecht gestützten Begehren auf Herausgabe des vom Beklagten auf einer der Klägerin grundbücherlich zugeschriebenen Liegenschaft mit deren Einverständnis erbauten Hauses Zug um Zug gegen Bezahlung eines nach dem Schätzwert dieses Hauses errechneten Betrages nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil, wiewohl aus anderen rechtlichen Erwägungen, bestätigt.

Die Untergerichte stellen fest, daß das Haus mit Einwilligung der Klägerin auf einer dieser bücherlich gehörenden Liegenschaft vom Beklagten erbaut wurde, daß dieser als Bauherr anzusehen war und die Klägerin und deren Angehörige bei der Bauführung mitgeholfen haben. Als festgestellt muß auch gelten, daß eine Vereinbarung darüber, wem das neuerbaute Haus nach seiner Fertigstellung gehören solle, nicht getroffen wurde. Es war lediglich von der Klägerin beabsichtigt, daß das Haus einmal samt Grund in das Eigentum des Beklagten und seiner Gattin, der Tochter der Klägerin, übergehen sollte. Diese Absicht wurde jedoch nicht verwirklicht. In der Folge wurde die Ehe des Beklagten mit der Tochter der Klägerin geschieden, diese verließ das Haus, und der Beklagte heiratete abermals und nahm die neue Ehegattin in das Haus auf.

Das Erstgericht hielt das Klagebegehren deswegen für unbegrundet, weil es einen Anwendungsfall des § 418, Satz 3 ABGB. für gegeben fand. Eine Vereinbarung, wonach die Klägerin sich das Eigentumsrecht an Haus und Baugrund vorbehielt, sei nie getroffen worden. Ohne sie fehle es aber der Klägerin an einem Rechtsgrund für ihr Klagebegehren. Sie habe vielmehr, da sie von der Bauführung wußte und sie nicht sogleich untersagte, das Eigentum an dem Baugrundstück verloren und könne nur den gemeinsamen Wert für den Baugrund fordern. Ein Anspruch auf Herausgabe des Hauses bestehe darum nicht.

Das Berufungsgericht gab der auf unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache gestützten Berufung der Klägerin nicht Folge. Es erklärt § 418 ABGB. als auf diesen Fall unanwendbar, weil er nur solche Bauführungen betreffe, die a) ohne Wissen und Willen des Gründeigentümers oder b) mit Wissen, aber ohne Willen des Genannten vorgenommen wurden. Der vorliegende Fall passe aber in keine dieser Kategorien, denn die Bauführung sei mit Wissen und Willen der Klägerin erfolgt. Zum Ausschluß der Anwendbarkeit des § 418 ABGB. bedürfe es aber keiner Vereinbarung darüber, wer nach Erbauung des Hauses dessen Eigentümer, einschließlich des zu seiner Benützung erforderlichen Gründes, werden solle. Es genüge schon eine Übereinkunft hinsichtlich der Tatsache der Bauführung allein. Eine solche aber sei hier vorgelegen. Die Klägerin sei darum Gründeigentümerin geblieben. Dagegen lehnt das Berufungsgericht die Ansicht ab, daß sie Eigentümerin des Hauses geworden sei, weil es nicht Zubehör, des Baugrundes, sondern Superädifikat mit eigenem rechtlichen Schicksal sei. Darum sei das auf das Gründeigentum gestützte Klagebegehren unbegrundet und die Abweisung gerechtfertigt, wenngleich das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes nicht beitreten konnte.

Die auf § 503, Z. 4 ZPO. gestützte Revision bekämpfte das angefochtene Urteil mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne des Klagebegehrens, allenfalls Aufhebung und Rückverweisung an das Berufungsgericht.

Die Ausführungen der Revision, welche aus den Bemerkungen des Kommentars von Klang I/2, S. 146, über die Rechtsverhältnisse an sogenannten Grenzüberbauten fordert, daß in den getroffenen Vereinbarungen nur die Einräumung einer Dienstbarkeit, nicht aber die des Eigentumsrechtes an dem Baugrund zu erblicken sei, vermögen freilich nichts zur Lösung der hier maßgebenden Rechtsfrage beizutragen, weil die Begründung einer Dienstbarkeit, in deren Ausübung die Bauführung stattgefunden hätte, weder behauptet wurde, noch nach der Aktenlage und den Beweisergebnissen angenommen werden kann.

Bei der Beurteilung des Falles ist davon auszugehen, daß nach österreichischem Recht Gebäude Bestandteile eines Grundstückes, auf dem sie errichtet wurden, bilden und daß die Bauführung eine Form des Zuwachses darstellt, demnach grundsätzlich durch sie der Gründeigentümer auch das Eigentum am Gebäudes erwirbt (§ 297 ABGB., §§ 417, 418, 1. und 2. Satz ABGB.). Es gilt demnach der romanistische Grundsatz superficies solo cedit, sofern das Gebäude in der Absicht errichtet wurde, daß es dauernd auf dem Gründe verbleibt. Wo es an dieser Voraussetzung fehlt, sei es, daß das Fehlen der Absicht aus der Beschaffenheit des Gebäudes, oder aus dem beschränkten Grundbenützungsrecht des Erbauers sich ergibt, greift der Rechtsgrundsatz des § 297 ABGB. nicht Platz. Ein ohne die erwähnte Absicht erbautes Objekt wird vielmehr zum bloßen Überbau (Superädifikat) und darum auch nicht Zubehör des Grundstückes. Rechtlich gilt der Überbau als bewegliche Sache, mit gewissen den Erwerb dinglicher Rechte betreffenden Ausnahmen.

Eine gesetzliche Ausnahme von dem Grundsatz des § 297 ABGB. stellt der Fall des § 418, Satz 3 ABGB. dar, insofern der redliche Bauführer, der mit eigenen Materialien auf fremden Gründe baut, Eigentümer des Baugrundes wird, wenn der Gründeigentümer von der Bauführung des redlichen Bauführers Kenntnis hatte und es unterlassen hat, dagegen sogleich durch Bauverbot einzuschreiten. Das Erstgericht nahm an, daß dieser Fall vorliege, und die Revisionsbeantwortung schließt sich dieser Begründung mit dem Argument an, wenn schon die bloße Versäumnis des Eigentümers ihn seines Eigentumes am Baugrund durch Verschweigung (vgl. Klang I/2, S. 144, Ehrenzweig I/2, S. 305) verlustig mache, so müsse dies um so mehr dann gelten, wenn die Unterlassung des Bauverbotes nicht auf bloßer Versäumnis, sondern auf einer ausdrücklichen Einwilligung des Gründeigentümers beruhe. Dieses Argument a minori ad majus ist nicht stichältig, weil § 418 ABGB. nach einheitlicher Lehre und Rechtsprechung unanwendbar ist auf Fälle, in denen die Bauführung auf einem, welchem Vertragstyps immer angehörenden, die Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund einvernehmlich regelnden Abkommen beruht (vgl. SZ. XIV/174, JBl. 1934, S. 168, GlUNF. 5569, 6472 u. a.; Stubenrauch S. 517, Anm. 3, und S. 519, Anm. 5). Die Untergerichte haben aber das Vorliegen einer solchen Willenseinigung zwischen den Streitparteien festgestellt, auf Grund derer der Beklagte zur Errichtung eines Gebäudes vorwiegend aus eigenen Mitteln auf der zum Gutsbestand der klägerischen Liegenschaft EZ. Y. Grundbuch H. gehörenden Parzelle X. (Wiese) geschritten ist. Damit fällt die Begründung des Ersturteils, wie das Berufungsgericht zutreffend dargetan hat.

Allein auch der Begründung der zweiten Instanz kann nicht zugestimmt werden. Wenn die Bestimmungen der §§ 417, 418 ABGB. nach allgemeiner Ansicht nachgiebiges, durch Parteivereinbarung abänderliches Recht darstellen, so gilt das doch nicht von der Norm des § 297 ABGB. Auf dem Satz, daß ein Gebäude als Bestandteil von Grund und Boden anzusehen sei und das auf einem Grundstück errichtete Gebäude als Zuwachs automatisch Eigentum des Liegenschaftseigentümers wird, ohne daß eine bücherliche Eintragung (abgesehen von der rein deklarativen, rechtsunerheblichen Ersichtlichmachung der Hauserbauung im Gutbestandblatte, vgl. Ehrenzweig I/2, S. 104, Anm.

3) erforderlich wäre, beruht wesentlich das österreichische Sachrecht. Dieser Grundsatz ist aber unabdingbar. Keine Ausnahme stellt das Institut des Überbaues dar, da ja solche Superädifikate mangels der Voraussetzung des § 297 ABGB., daß sie nämlich in der Absicht errichtet wurden, stets darauf zu bleiben, nicht als Bestandteil der Liegenschaft gelten können. Hier fehlt es also an einer wesentliche Voraussetzung des Bestandteilbegriffes und darum unterliegen Überbauten nicht der Regel des § 297 ABGB. Für das echte Inädifikat dagegen gilt § 297 ABGB. ausnahmslos und es ist den Parteien verwehrt, diesen Grundsatz durch gegenteilige Verabredungen zu durchbrechen. Auch das kraft Baurechtes oder Bergwerkseigentums errichtete Bauwerk ist nicht Bestandteil der Liegenschaft, weil es nach positivem Recht als Bestandteil des Bergwerkseigentums oder des Baurechtes gilt, die ihrerseits unbewegliche Sachen im Sinn des § 293 ABGB. sind. Als echte Ausnahme ließen sich allenfalls die Keller und Preßhäuser ansehen (Klang I/1, S. 1172), die unter fremder Grundfläche errichtet werden. Allein auch diese Ausnahme beruht auf gesetzlicher Sonderregelung (Min Vdg. vom 11. Mai 1875, Z. 5111) und der dieser Verordnung in der Rechtsprechung zuteil gewordenen Auslegung (vgl. Ehrenzweig I/2, S. 30).

Das Berufungsgericht erblickt nun in dem vom Beklagten errichteten Gebäude ein solches Superädifikat, freilich ohne dies näher zu begrunden. Offenbar geht es von der Meinung aus, es sei auf Grund des dem Beklagten von der Klägerin eingeräumten Bauführungsrechtes errichtet und darum infolge der Rechtsbeschränkung des Beklagten nicht als in der Absicht dauernden Verbleibens erbaut und somit nicht als Bestandteil der Liegenschaft anzusehen. Diese Ansicht erscheint rechtsirrig. Wohl ist zuzugeben, daß das Grundbenützungsrecht des Erbauers nicht einem bestimmten Vertragstypus, wie Pacht, Miete, Fruchtgenußrecht, angehören muß und daß es auch der Schaffung eines solchen Grundbenutzung selbst darstellen kann. Aber auch in diesem Fall müßte es nach dem Parteiwillen von vornherein zeitlich begrenzt sein. Eine solche Begrenzung hat aber nach den Feststellungen der Untergerichte nicht stattgefunden. Die Widmung des Hauses als Domizil für das junge Ehepaar steht wohl außer Streit, ebenso die Absicht der Klägerin, künftig auch die erforderlichen rechtsgeschäftlichen und bücherlichen Schritte (Parzellierung, Abtrennung, Schenkungsvertrag, Verbücherung desselben und Einverleibung der klägerischen Tochter und des Beklagten auf die neugeschaffene Einlage je zur Hälfte) durchzuführen. Allein wenn auch zweifelsfrei den festgestellten Vorgängen das Motiv zugrunde lag, dem Beklagten und seiner Frau eine Wohngelegenheit zu schaffen, und zwar für die Dauer ihrer ehelichen Vebindung, so stellt doch das Erstgericht richtig fest, daß an den Fall einer vorzeitigen Aufhebung derselben durch Scheidung nicht gedacht wurde. Eine Befristung des durch die Parteivereinbarung geschaffenen Benutzungsrechtes des Beklagten am klägerischen Grund durch Bauführung ist also nicht erfolgt und es ist nicht festgestellt und nach dem Akteninhalt auch nicht anzunehmen, daß es mit der Ehe enden sollte. Es fehlt daher an Grundlagen für die Annahme, daß ein Superädifikat beabsichtigt war, das nur vorübergehend, nämlich für die Dauer des aufrechten Bestandes der Ehe des Beklagten mit der klägerischen Tochter, auf Grund und Boden errichtet werden sollte. Ist dem so, dann hat es aber bei dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des § 297 ABGB. zu verbleiben, demzufolge das auf dem Gründe der Klägerin geschaffene Bauwerk durch Zuwachs ihr Eigentum wird. Die Annahme des Erstgerichtes, hiezu hätte es einer besonderen Vereinbarung bedurft, die ja tatsächlich hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse am Bauwerk nie getroffen wurde, ist also rechtsirrig.

Bis zu dem Zeitpunkt, in welchem die Klägerin die oben erwähnten rechtsgeschäftlichen und grundbücherlichen Handlungen durchgeführt haben würde, bildete darum das mit ihrer Einwilligung auf ihrem Grundstück errichtete Bauwerk ihr Eigentum. Ob nach Wegfall der bestandenen Voraussetzungen der Beklagte eventuell berechtigt wäre, auf bücherliche Einverleibung auf einen Hälfteanteil zu dringen, steht hier nicht zur Entscheidung. Zunächst wurde und blieb das Gebäude Eigentum der Klägerin, ein Ergebnis, gegen das auch vom Billigkeitsstandpunkt und in wirtschaftlicher Hinsicht keine Bedenken bestehen. Denn das Haus sollte nach dem Willen der Beteiligten das eheliche Domizil bilden, wobei die Klägerin den Baugrund, der Beklagte vor allem Kapital und Baumaterialien bestellte. Diesen Zweck kann es heute nicht mehr erfüllen. Anderseits wird die Rückgabe des Hauses nicht umsonst, sondern nur Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrages von 2550 S oder eines vom Gericht gemäß § 273 ZPO. zu ermittelnden Betrages gefordert. Die Klägerin wird dem Beklagten jedenfalls den durch den Bau hervorgebrachten Mehrwert (Klang I/2, S. 145, Ehrenzweig I/2, S. 306) zu vergüten haben.

Da über diesen zu vergütenden Betrag beide Untergerichte von ihrem Rechtsstandpunkt aus keinerlei Feststellungen vorgenommen haben, erscheint das Verfahren im Sinn des § 496, Z. 3, § 503, Z. 2 ZPO. mangelhaft und es bedarf offenbar einer Verhandlung in erster Instanz, um die Sache spruchreif zu machen. Es war darum nicht nur das Berufungsurteil, sondern auch jenes der ersten Instanz aufzuheben und die Streitsache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z21057

Schlagworte

Bauführung auf fremden Grund, Bauverbot, Bestandteil, Gebäude als B. des Grundstückes, Superädifikat Wesen desselben, Verhältnis zum Zubehör, superficies solo cedit, Überbauten, Wesen derselben; Verhältnis zum Zubehör, Verschweigung bei Bauführung, Zubehör Superädifikat, Zuwachs durch Bauführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00025.48.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19480121_OGH0002_0010OB00025_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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