TE OGH 1948/2/4 3Ob26/48

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Veröffentlicht am 04.02.1948
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Norm

ABGB §6
ABGB §42
ABGB §179
ABGB §183
ABGB §184
ABGB §681
ABGB §755
ABGB §756
ABGB §762
ABGB §763
Mietengesetz §19 Abs2 Z11

Kopf

SZ 21/64

Spruch

Nachkommen von Wahlkindern gehören zu dem im § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. geschützten Personenkreis.

Entscheidung vom 4. Februar 1948, 3 Ob 26/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Erstgericht erkannte die von der Klägerin auf den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. gestützte Aufkündigung der dem verstorbenen Beklagten Johann F. vermieteten Wohnung als wirksam. Es begrundete diese Entscheidung damit, die Wohnung diene nunmehr den Bedürfnissen der minderjährigen Senta F., die bloß eine Großnichte des verstorbenen Mieters sei und daher nicht zu dem im § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. erwähnten Personenkreis gehöre. Aber auch dann, wenn sie die Tochter des Wahlkindes des verstorbenen Johann F. wäre, gehöre sie diesem Personenkreis nicht an, da zu diesem nur das Wahlkind selbst, nicht aber dessen Nachkommen gehören.

Der hiegegen von der beklagten Verlassenschaft ergriffenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes mittels Beschlusses auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück, wobei es diesem den Auftrag erteilte, das Verfahren erst nach Rechtskraft dieses Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen. Es schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht an, daß Nachkommen von Wahlkindern nicht zu den im § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. erwähnten Personenkreis gehören, sondern bejahte dies vielmehr. Im § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. liege die Betonung nicht auf dem Worte "Verwandte", sondern auf den Worten "in gerader Linie", in welchen Personenkreis die Wahlkinder ausdrücklich eingeschlossen werden. Hätte der Gesetzgeber das Eintrittsrecht in den Mietvertrag bloß auf die Person des Wahlkindes selbst beschränken wollen, so hätte er Wahlkinder entweder als eine eigene Gruppe anführen oder sie der Gruppe der Geschwister anfügen müssen. Das Gesetz bringe aber die Wahlkinder unter einen Begriff mit den Verwandten in gerader Linie. Nach § 183 ABGB. bestehen zwischen Wahleltern und ihrem Wahlkinde und dessen Nachkommen, insoweit das Gesetz keine Ausnahme macht, die gleichen Rechte wie zwischen ehelichen Eltern und ihren Kindern. Dazu komme, daß nach §§ 42 und 681 ABGB. unter dem Namen Kinder auch die Nachkommen von Kindern im engeren Sinne begriffen werden. Dem stehe die Bestimmung des § 179 ABGB., die nur vom Wahlkind selbst rede, nicht entgegen, da diese Gesetzesstelle eben bloß an das Wahlkind selbst und nicht an dessen Nachkommen denkt. Nach § 755 ABGB. haben Wahlkinder bei der gesetzlichen Erbfolge in das frei vererbliche Vermögen ihrer Wahleltern grundsätzlich ein gleiches Recht wie eheliche Kinder. Daher müsse sich nach §§ 42 und 681 ABGB. ihr Erbrecht auch auf ihre Nachkommen erstrecken. Der Ausschluß der Wahleltern aber vom Erbrechte gegenüber ihren Wahlkindern nach § 756 ABGB. schlösse allerdings den Eintritt in die Mietrechte ihres verstorbenen Wahlkindes nach § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. aus. Es sei daher daraus nach § 6 ABGB. zu erschließen, daß auch die Nachkommen eines Wahlkindes eines verstorbenen Mieters unter den im § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. genannten Personenkreis fallen. Da aber das Erstgericht von der gegenteiligen unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, sei sein Verfahren mangelhaft geworden. Es müßten Feststellungen darüber getroffen werden, ob die minderjährige Senta F. tatsächlich die Tochter des Wahlkindes Josef F. des verstorbenen Mieters Johann F. ist, darüber, ob nicht im Adoptionsvertrag das Wahlkind oder dessen Nachkommen vom Erbrecht im Sinne des § 184 ABGB. ausgeschlossen wurden, darüber, ob die minderjährige Senta F. im gemeinsamen Haushalt mit dem verstorbenen Mieter Johann F. gelebt hat und endlich darüber, ob sie ein dringendes Bedürfnis an der angekundigten Wohnung hat.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen von der Klägerin erhobenen Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Der Rekurs stützt sich auf § 179 ABGB. Hierüber habe auch schon das Erstgericht richtig geurteilt, indem es darauf verwies, daß der Gesetzgeber bei dieser Bestimmung gar nicht an die Nachkommen eines Wahlkindes gedacht hat und, wie hinzuzufügen ist, der Sachlage nach nicht hat denken müssen. Der Rekurs vermeint auch, daß die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes deswegen unrichtig sei, seil § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG. die Nachkommen eines Wahlkindes nicht ausdrücklich in den geschützten Personenkreis einbeziehe. Es kann aber der Rekurswerber auch in dieser Richtung mit dem Berufungsgericht auf die Bestimmungen der §§ 42 und 681 ABGB. verwiesen werden, wonach unter Kindern grundsätzlich auch die Nachkommen der Kinder im engeren Sinne zu verstehen sind. Die Rekurswerberin zieht auch die Bestimmungen des § 763 ABGB. über ihre Rechtsansicht heran, da dort ausdrücklich bestimmt ist, daß zwischen ehelicher und unehelicher Geburt, sobald für Verwandte in gerader Linie das Recht und die Ordnung der gesetzlichen Erbfolge eintrete, kein Unterschied statthat. Daraus kann angesichts der Bestimmung des § 755 ABGB. aber nicht erschlossen werden, daß das Gesetz zwischen Wahlkindern und leiblichen Kindern im engeren Sinne hinsichtlich ihrer Nachkommen einen Unterschied machen wollte. Im übrigen verweist die fälschlich als Revisionsbeantwortung bezeichnete Äußerung der beklagten Verlassenschaft zum Rekurs der Klägerin mit Recht darauf hin, daß durch das Hofdekret vom 10. Mai 1833, JGS. Nr. 2610 auch Wahlkinder unter diejenigen Kinder gehören, denen ein Pflichtteil gebührt. Pflichtteilberechtigt sind aber im Sinne des § 763 ABGB. nach der allgemeinen Regel des § 42 ABGB. im Sinne des § 762 ABGB. auch Enkel und Urenkel, also Nachkommen von Kindern im engeren Sinne.

Dem Rekurse war daher unter Verweisung auf die durchaus zutreffende Begründung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z21064

Schlagworte

Adoptivkinder, Nachkommen von Adoptivkindern gehören zum Personenkreis, des § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG., Nachkommen von Wahlkindern gehören zum Personenkreis des § 19, Abs. 2„ Z. 11 MietG., Wahlkinder, Nachkommen von Wahlkindern gehören zum Personenkreis des, § 19, Abs. 2, Z. 11 MietG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0030OB00026.48.0204.000

Dokumentnummer

JJT_19480204_OGH0002_0030OB00026_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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