Norm
Mietengesetz §19 Abs2 Z9aKopf
SZ 21/84
Spruch
Der Bund kann in einem bundeseigenen Gebäude trotz §§ 20, Abs. 1 und 23 WAG. eine Wohnung zum Zwecke der Erweiterung von Diensträumen aufkundigen.
Entscheidung vom 2. April 1948, 2 Ob 121/48.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, womit die Aufkündigung der Wohnung des Beklagten für wirksam erkannt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichtes:
Ein dem Mietengesetze unterliegendes Mietverhältnis kann vom Vermieter nur aus wichtigen Gründen gekundigt werden. Als solchen wichtigen Kündigungsgrund hat die Klägerin geltend gemacht, daß der dem Bundes gehörige Mietgegenstand auf eine Art verwendet werden soll, die im höherem Maße den Interessen der Verwaltung diene, als die gegenwärtige Verwendung. Das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau hat mit Entscheidung vom 24. Oktober 1947, Z. 176.332/I/3/47 entschieden, daß die Wohnung der Beklagten für die Erweiterung der Diensträume des Landesarbeitsamtes dringend benötigt werden und daher eine im höheren Interesse der Verwaltung dienende, geplante Verwendung als die bisherige im Sinne des § 19, Abs. 2, Z. 9 a MietG. vorliege.
Die Beklagten geben in ihrer Berufung zu, daß das Gericht diese Entscheidung des Bundesministeriums nicht überprüfen durfte, daher den Kündigungsgrund nach § 19, Abs. 2, Z. 9 a MietG. anzunehmen hatte. Jedoch meint die Berufung, daß gemäß § 20 WAG. die Umbildung von Wohnräumen in Geschäftsräume unzulässig wäre, da die Bezirkverwaltungsbehörde eine Ausnahme von diesem Verbote nicht zugelassen habe. Auch meint die Berufung, daß diese Bewilligung der Bezirkverwaltungsbehörde hätte nachgewiesen werden müssen und daß das Urteilsgericht verpflichtet gewesen sei, selbst zu prüfen, ob die Umwandlung der gekundigten Wohnung in Kanzleiräume zulässig sei.
Die Bestimmung des § 20 WAG., die die Umwandlung von Wohnungen in Räume anderer Art (Büro- und Geschäftsräume) verbietet, wurde nach dem Motivenberichte, obwohl sie nicht im unmittelbaren Zusammenhange mit dem Wohnungsanforderungsrechte steht, deshalb in dieses Gesetz eingeführt, um dadurch die Aufhebung der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen vom 14. August 1942, DRGBl. I S. 545, zu ermöglichen. Tatsächlich wurde diese Verordnung durch § 23 WAG. außer Kraft gesetzt. § 1 dieser Verordnung lautet: "Die Umwandlung von Wohnungen in Räume anderer Art, z. B. Werkstätten, Dienst-, Fabriks-, Lager- oder Geschäftsräume, ist verboten". Der Wortlaut des § 20 WAG. hat den gleichen Wortlaut, mit Ausnahme der beispielsweisen Anführung (es heißt jetzt nur: "Büro- und Geschäftsräume"). Es wurde gerade der Ausdruck "Diensträume" ausgelassen. Daraus ist zu schließen, daß die Umwandlung einer Wohnung in einen Dienstraum nun nicht mehr verboten ist. Durch die Verordnung DRGBl. I S. 545 war im § 5 bestimmt, daß bei Zuwiderhandlungen gegen § 1 der dieser Verordnung entsprechenden Zustände im Wege des polizeilichen Zwanges herbeigeführt werden kann und daß eine solche Zuwiderhandlung auch bestraft werden kann (§ 6). Auch das WAG. bestraft Übertretungen des WAG. als Verwaltungsübertretung. Es fehlt aber gerade eine Bestimmung ähnlich jener des § 5 der aufgehobenen Verordnung, daß der frühere Zustand durch Polizeimaßnahmen wieder herbeigeführt werden kann. Wohl aber können gemäß § 5, Z. 11 WAG. Räumlichkeiten, die ohne die vorgeschriebene Bewilligung dem Wohnzwecke entzogen werden, angefordert werden. Nun darf aber die Bestimmung des § 3, Abs. 1, Z. 3 WAG. nicht übersehen werden, nach welcher einer Wohnungsanforderung nicht unterliegen Gebäude und Räume aller Art, die ganz oder teilweise für Amts- oder sonstige Zwecke des Staates, eines Landes, Bezirkes, einer Gemeinde usw. bestimmt sind. Aus dieser Bestimmung geht eindeutig hervor, daß die Gemeinde die gegenständliche Wohnung niemals anfordern könnte. Ist aber eine Anforderung nicht möglich, dann könnte bei einer ohne Zustimmung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommenen Umbildung einer Wohnung für Kanzleiräume, wenngleich dies verboten wäre, doch der frühere Zustand nicht wieder hergestellt werden. Schon aus diesem Gründe hat das Erstgericht die Anwendung des § 20 WAG. mit Recht als die Annahme des Kündigungsgrundes nach § 19, Abs. 2, Z. 9 a MietG. ausschließend nicht angenommen. Nun kommt aber folgendes in Betracht: Da bei Verwendung eines dem Bunde gehörigen Mietgegenstandes auf eine andere Art diese Umwandlung nur geschehen darf, wenn die beabsichtige Verwendung in höherem Maße den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung, so hätte das Gericht zwar dies selbst prüfen dürfen, ob diese Voraussetzung gegeben ist; denn nur im Zweifel hat das Bundesministerium, dem die Verwaltung des Mietgegenstandes untersteht, das Vorliegen dieser Voraussetzung festzustellen. Dies ist gegenständlich erfolgt. Damit ist aber auch schon die Ausnahme von dem Verbote nach § 20, Abs. 1 WAG. zugelassen worden.
Eine andere Auslegung würde dahin führen, daß entgegen der Entscheidung des Bundesministeriums eine Bezirksverwaltungsbehörde gleichsam diese Entscheidung der höchsten Verwaltungsbehörde überprüfen und allenfalls gegenteilig entscheiden könnte. Dies hat das Gesetz nicht beabsichtigt.
Das angefochtene Urteil hat den Sachverhalt rechtlich richtig gewürdigt, so daß der angerufene Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gegeben erscheint. Eine Beweiswürdigung hat überhaupt nicht stattgefunden, so daß dem Berufungsgrunde der unrichtigen Beweiswürdigung jeder Boden entzogen ist. Die Auslegung von Gesetzesbestimmungen erfolgt jedoch nicht im Wege einer Beweiswürdigung, sondern nur im Wege der rechtlichen Beurteilung. Bei dieser war jedoch eine Prüfung dahin, ob das Landesarbeitsamt infolge allgemeinen Abbaues in der Verwaltung keine weiteren Kanzleiräume brauchen würde, nicht notwendig, sondern überhaupt unzulässig, weil ja über diese Voraussetzung in einem Zweifelsfalle nur die Oberste Verwaltungsbehörde über das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu entscheiden hat und eine solche Entscheidung für das Gericht bindend ist. Das erstrichterliche Verfahren ist daher auch nicht mangelhaft geblieben, da keine Beweise aufzunehmen waren.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht erklärte die auf die Bestimmung des § 19, Abs. 2, Z. 9 a MietG. gestützte Kündigung für rechtswirksam. Infolge Berufung der Beklagten wurde das Urteil der ersten Instanz vom Berufungsgerichte bestätigt. Gegen das berufungsgerichtliche Urteil, welches die Revision für zulässig erklärte, erhoben die Beklagten Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Eine Bekämpfung des Urteiles wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nach § 502, Abs. 4 ZPO. nicht zulässig. Wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung wird das berufungsgerichtliche Urteil deshalb bekämpft, weil es die Kündigung für wirksam erklärte, obwohl die gekundigte Wohnung in einen Dienstraum umgewandelt werden soll und eine Ausnahme von dem Verbote nach § 20, Abs. 3 WAG. nur von der Bezirksverwaltungsbehörde zugelassen werden kann. Die Revision ist nicht begrundet. Das Bundesministerium für soziale Verwaltung, dem die Verwaltung des Mietgegenstandes untersteht, entschied, daß die Wohnung der Beklagten für die Erweiterung der Diensträume des Landesarbeitsamtes K. dringend benötigt wird und daher auf eine Art verwendet werden soll, die im höheren Maße den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung. Diese Entscheidung war für das Gericht bindend. Wenn aber das Interesse der Allgemeinheit, wie im vorliegenden Falle, dem Interesse des Staates, der die Räume zum Zwecke der ihm obliegenden Hoheitsaufgabe für Amtsräume benötigt, weichen muß, dann kann die Vorschrift des § 20, Abs. 1 WAG., betreffend das Verbot der Umwandlung von Wohnungen in Räume anderer Art, nicht Anwendung finden. Der Revision war demgemäß nicht Folge zu geben.
Anmerkung
Z21084Schlagworte
bundeseigene Gebäude, Umwandlung von Wohnungen in Diensträume des, Bundes trotz § 20, Abs. 1 WAG. zulässig, Diensträume, Umwandlung von Wohnungen in D. des Bundes, Wohnung Umwandlung in Diensträumen des Bundes trotz § 20, Abs. 1 WAG., in bundeseigenem Gebäude zulässig, Zweckentfremdung, Verbot der Z. von Wohnungen (§ 20, Abs. 1 WAG.), hindert nicht die Umwandlung von Wohnungen in bundeseigenen Gebäuden in, Diensträume des BundesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1948:0020OB00121.48.0402.000Dokumentnummer
JJT_19480402_OGH0002_0020OB00121_4800000_000