TE OGH 1948/4/7 3Ob81/48

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Veröffentlicht am 07.04.1948
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Norm

Mietengesetz §1
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs3
Mietengesetz §23

Kopf

SZ 21/86

Spruch

Von einer dringenden Benötigung von Wohnräumen im Sinne des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. kann nur dann gesprochen werden, wenn das Wohnungsbedürfnis des Vermieters oder seiner begünstigten Verwandten überhaupt nicht oder nur in unzulänglicher Weise, also auch nicht durch ein Untermietverhältnis befriedigt ist.

Ein Hauseigentümer, dessen Haus erst nach dem 27. Jänner 1917 erbaut wurde, ist berechtigt, den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. geltend zu machen. Die Einschränkungsbestimmungen des § 19, Abs. 3 MietG. kommen in einem solchen Falle nicht zur Anwendung.

Entscheidung vom 7. April 1948, 3 Ob 81/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.

Text

Das Prozeßgericht hat die auf den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG gestützte Kündigung der Klägerin mit der Begründung für unwirksam erklärt, daß das Wohnungsbedürfnis der Tochter der Klägerin durch die von ihr als Untermieterin benützten Räume gedeckt sei und die Kündigung nur bezwecke, Wohnräume in Geschäftsräume umzuwandeln, was unzulässig sei.

Über Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht dieses Urteil auf und wies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß die Frage, ob die Tochter der Klägerin und deren Gatte einen weiteren Wohnraum zur Abwicklung ihrer kommerziellen Tätigkeit benötigen, nicht hinreichend geklärt sei, und daß das Erstgericht sich mit der Frage der Möglichkeit einer Teilkündigung nicht befaßt habe.

Mit dem Urteil vom 29. November 1947 erklärte das Prozeßgericht nunmehr die Aufkündigung teilweise für rechtswirksam und trug der Beklagten auf, die von ihr bisher bewohnten Wohnräume, nämlich Zimmer und Kabinett, gegen Tausch des von der Tochter der Klägerin bisher benützten Zimmers und der Küche und gegen Einräumung der Mitbenützung des Badezimmers zur Verfügung zu stellen.

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht dieses Urteil ab und hob die Aufkündigung als rechtunwirksam auf.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat auf Grund des ergänzten Beweisverfahrens festgestellt, daß die Tochter der Klägerin zusammen mit ihrem Gatten einen Teil der gekundigten Wohnung, nämlich ein Zimmer, eine Küche und das Badezimmer, bereits als Untermieter bewohnt und daß die Tochter der Klägerin ihren Beruf als Heilgymnastiklehrerin noch nicht ausübe. Es stellt weiters fest, daß auch der Schwiegersohn der Klägerin seine Büroarbeiten als Kaufmann in seinen Geschäftslokalen durchführen könne und nach dem Umfang seiner Geschäfte einen eigenen Büroraum nicht benötige. Das Berufungsgericht erklärte die Kündigung zur Gänze für rechtsunwirksam, weil das Wohnungsbedürfnis der Tochter und des Schwiegersohnes der Klägerin durch die von ihnen als Untermieter benützten Wohnräume gedeckt sei, die Tochter der Klägerin keine Erwerbstätigkeit ausübe und auch der Schwiegersohn der Klägerin einen Büroraum in der gekundigten Wohnung nicht benötige. Es verwies ferner darauf, daß der Schwiegersohn der Klägerin nicht zu den im § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. genannten begünstigten Personen gehöre, so daß die Kündigung sich nicht auf den Eigenbedarf des Schwiegersohnes stützen könne.

Der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß der Kündigunggrund des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. nicht gegeben sei, schließt sich der Oberste Gerichtshof unter Verweisung auf seine zutreffenden Gründe an. Die Auffassung der Revision, daß der Hauseigentümer und seine begünstigten Verwandten den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. schon dann mit Erfolg geltend machen können, wenn sie keine eigene Wohnung besitzen, und daß es ohne Belang sei, daß das Wohnungsbedürfnis dieser Personen durch ein Untermietverhältnis gedeckt sei, muß als im Gesetze nicht begrundet abgelehnt werden. Von einer dringenden Benötigung von Wohnräumen im Sinne des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. kann jedenfalls nur dann gesprochen werden, wenn das Wohnungsbedürfnis des Vermieters oder seiner begünstigten Verwandten überhaupt nicht oder nur in unzulänglicher Weise, also auch nicht durch ein Untermietverhältnis befriedigt ist.

In der Revisionsbeantwortung wird die Ansicht vertreten, daß die Klägerin zufolge der Bestimmung des § 19, Abs. 3 MietG. nicht berechtigt sei, den Kündigungsgrund der Ziffer 5 geltend zu machen, weil das Haus erst im Jahre 1925 erbaut worden sei. Hiezu ist folgendes zu bemerken: Nach § 1, Abs. 2, Z. 2 MietG. waren Räume in Häusern, für welche die behördliche Baubewilligung erst nach dem 27. Jänner 1917 erteilt wurde, von den Bestimmungen des Mietengesetzes gänzlich ausgenommen. Durch die Verordnung vom 5. September 1939, DRGBl. I S. 1671, wurde diese Vorschrift dahin abgeändert, daß nunmehr auch solche Räume den Kündigungsbeschränkungen der §§ 19 bis 23 MietG. unterliegen. Darauf ergibt sich, daß ein Hauseigentümer, dessen Haus erst nach dem 27. Jänner 1917 erbaut wurde, wohl berechtigt ist, den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG. geltend zu machen, und daß die Einschränkungsbestimmungen des § 19, Abs. 3 MietG. in solchen Fällen nicht zur Anwendung kommen können, weil sie sich nur auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb nach dem 31. Juli 1914 oder nach dem 31. Dezember 1917 von schon erbauten Häusern beziehen. Die Verordnung vom 5. September 1939 enthält keine Anordnung, daß die Einschränkung des § 19, Abs. 3 MietG. auch auf Häuser auszudehnen sei, für die die Baubewilligung erst nach dem 27. Jänner 1917 erteilt wurde.

Anmerkung

Z21086

Schlagworte

Baubewilligung, nach § 19, Abs. 2, Z. 5 MietG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0030OB00081.48.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19480407_OGH0002_0030OB00081_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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