TE OGH 1948/4/28 1Ob83/48

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Veröffentlicht am 28.04.1948
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Norm

Außerstreitgesetz §2 Abs3 Z10
Todeserklärungsgesetz vom 16. Februar 1883. RGBl. Nr. 20 §7
Todeserklärungsgesetz vom 16. Februar 1883. RGBl. Nr. 20 §10
Verschollenheitsgesetz §4

Kopf

SZ 21/91

Spruch

Ob der Beweis des Todes nach § 10 TodeserklärungsG. erbracht ist, beurteilt der Richter ohne Bindung an Beweisregeln nach freier Überzeugung.

Im Verfahren zur Beweisführung des Todes von Kriegsverschollenen kann vom Ediktalverfahren Umgang genommen werden.

Entscheidung vom 28. April 1948, 1 Ob 83/48.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Erstrichter hat auf Antrag des Franz G. gemäß dem § 10 des Todeserklärungsgesetzes vom 16. Februar 1883, RGBl. Nr. 20, angesprochen, daß der Bruder des Antragstellers, Johann G. am 16. Juli 1944 im Kriegsgefangenenlager Nr. 260 in Orsk gestorben ist. Infolge Rekurses der Schwester des Verschollenen, Juliane G., hat das Rekursgericht den Beschluß des Erstrichters aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung nach Durchführung weiterer Erhebungen und Einleitung des Ediktalverfahrens aufgetragen.

Aus den Gründen des Rekursgerichtes:

Die vorliegenden Beweisergebnisse reichen nicht aus, um den Tod des Vermißten als erwiesen feststellen zu können, da die einzige vernommene Auskunftsperson Hans H. das Sterben oder die Leiche des Johann G. nicht selbst gesehen hat, sondern seine Angaben lediglich auf das Hörensagen stützt, was im vorliegenden Fall umso weniger ausreicht, als eine irrige Annahme des Todes oder eine Verwechslung des Kranken unter den damals gegebenen Verhältnissen keineswegs ausgeschlossen erscheint. Es wird daher insbesondere zu trachten sein, eine Person zur Auskunft ausfindig zu machen, die das Sterben oder die Leiche des Johann G. selbst gesehen hat, insbesondere wird der Versuch zu unternehmen sein, den Peter Z., der damals politischer Betreuer der Kriegsgefangenen im Lager Nr. 260 in Orsk war, ausfindig zu machen und als Auskunftsperson zu hören, ob er über den Tod des Johann G. aus eigener Wahrnehmung etwas weiß.

Wenn keine Person ausfindig gemacht werden kann, die über den Tod des Vermißten unmittelbar aus eigener Wahrnehmung etwas weiß, kann nur das Verfahren zur Todeserklärung des Vermißten nach § 4 VerschollenheitsG. eingeleitet werden.

Wenn es sich um eine Beweisführung des Todes handelt, ist das Ediktalverfahren unbedingt notwendig, und im Verfahren auf Todeserklärung zweckmäßig und nicht einmal die Unterlassung der Einschaltung des Ediktes in einer Tageszeitung im Sinne des § 1 der VO. vom 17. Jänner 1942, DRGBl. I S. 31, zu empfehlen, da gerade in letzter Zeit eine große Anzahl von Kriegsgefangenen aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt ist, vermutlich auch solche aus dem Lager Orsk, die vielleicht Auskunft geben können, ob Johann G. tatsächlich im Oktober 1945 gestorben ist oder ob er nachher noch gelebt hat.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diesen Beschluß.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht steht auf dem Standpunkt, daß der Beweis des Todes gemäß dem § 10 des Todeserklärungsgesetzes nur durch Auskunftspersonen geführt werden könne, die beim Tode des Betroffenen anwesend waren oder seine Leiche gesehen haben. Damit stellt das Rekursgericht zu strenge Anforderungen an diesen Beweis. Der Richter ist vielmehr auch im Verfahren zur Beweisführung des Todes an Beweisregeln nicht gebunden und hat nach freier Überzeugung, ohne Zweifelsucht und Ängstlichkeit (§ 2, Abs. 3, Z. 10 AußstrG.) zu entscheiden, ob die vorhandenen Indizien ausreichen, um den Tod eines Menschen anzunehmen, auch wenn unmittelbare Zeugen des Todes nicht vorhanden sind. Nichtsdestoweniger will der Oberste Gerichtshof dem Versuch des Rekursgerichtes, durch Einvernahme des Peter Z. größere Klarheit über die Tatsache und die näheren Umstände des Todes des Johann G. zu gewinnen, nicht entgegentreten, wenn auch die Aussicht, diese Auskunftsperson ausfindig zu machen, äußerst gering ist.

Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß in jedem Verfahren zur Beweisführung des Todes infolge zwingender gesetzlicher Vorschrift ausnahmslos ein Aufgebotsverfahren durchgeführt werden müsse, kann ebenfalls nicht beigepflichtet werden. Die zweite Verordnung zur Ergänzung des Gesetzes über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Beweisführung des Todes vom 20. Jänner 1943, DRGBl. I S. 66, beseitigt das Aufgebotsverfahren allerdings ausdrücklich nur für das Verfahren zur Todeserklärung von Kriegsverschollenen. Diese Verordnung kann aber auch im Verfahren zur Beweisführung des Todes von Kriegsverschollenen entsprechend angewendet werden, weil in diesem Verfahren zu der Tatsache, daß der Kriegsteilnehmer im Gefahregebiet vermißt und verschollen ist (§ 4, Abs. 1 des Verschollenheitsgesetzes) noch weitere Beweise für den Tod des Verschollenen treten und demnach die Gefahr, daß ein Lebender für tot erklärt wird, viel geringer ist als im einfachen Todeserklärungsverfahren (vgl. auch Sabaditsch: Die Gesetzgebung über Verschollenheit, Todeserklärung und Beweisführung des Todes, S. 126, Anm. 1). Da es aber anderseits auch nicht verboten ist, im Verfahren zur Beweisführung des Todes ein Ediktalverfahren einzuleiten, sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, den dem Erstrichter vom Rekursgericht erteilten weiteren Auftrag, in diesem besonderen Falle ein Edikt nach §§ 7, 10 des Todeserklärungsgesetzes zu erlassen, zu widerrufen.

Anmerkung

Z21091

Schlagworte

Beweisführung des von Kriegsverschollenen, keine Beweisregeln;, Ediktalverfahren nicht obligatorisch, Beweiswürdigung, freie, im Verfahren nach dem TodeserklärungsG., Ediktalverfahren bei Beweisführung des Todes von Kriegsverschollenen, nicht obligatorisch, Kriegsverschollenheit, Beweisführung des Todes auch ohne, Ediktalverfahren; keine Beweisregeln, Todeserklärung von Kriegsverschollenen, keine Beweisregeln

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00083.48.0428.000

Dokumentnummer

JJT_19480428_OGH0002_0010OB00083_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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