TE OGH 1948/5/5 3Ob122/48

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Veröffentlicht am 05.05.1948
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Norm

Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2 Z7
Mietengesetz §19 Abs2 Z9a
ZPO §503 Z4

Kopf

SZ 21/93

Spruch

Der Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. kann auch von Gebietskörperschaften zugunsten von Bediensteten ihrer Hoheitsverwaltung geltend gemacht werden.

Entscheidung vom 5. Mai 1948, 3 Ob 122/48.

I. Instanz: Bezirksgericht Bludenz; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Die klagende Gemeinde kundigte dem Beklagten die Wohnung in dem ihr gehörigen Hause unter Anführung des Kündigungsgrundes nach § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. mit der Begründung auf, daß die Wohnung als Dienstwohnung (Hausbesorger) benötigt werde.

Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam und stellte fest, daß die Wohnung von vornherein als Dienstwohnung für Angestellte der klagenden Partei ausgebaut wurde und daß als erster Mieter der Angestellte der klagenden Partei L. die Wohnung bewohnt hat, schließlich daß die gekundigte Wohnung dringend für den Angestellten der klagenden Partei Anton H. benötigt wird, der auch das Amt eines Hausbesorgers im Hause übernehmen muß, Schwerkriegsbeschädigter ist und derzeit eine zu kleine und mit Rücksicht auf die große Entfernung vom Dienstort für sein Leiden ungeeignete Wohnung hat. Das Erstgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß der Kündigungsgrund nach § 19, Abs. 2, Z. 7 jedenfalls aber der nach § 19, Abs. 1 MietG. gegeben sei, da H. eine fünfköpfige Familie habe, zu der ein krankes, 13 Monate altes Kind gehöre, für welches nach dem amtsärztlichen Gutachten eine Pflegeperson und ein eigenes Zimmer dringend notwendig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Begründung, daß auch Gebietskörperschaften den Kündigungsgrund nach § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. in Anspruch nehmen können und der Kündigungsgrund gegeben sei, da die Wohnung für einen Angehörigen der eigenen Hoheitsverwaltung der Gemeinde bestimmt war und zur Unterbringung eines solchen gedient hat. Es sei von Anfang an beabsichtigt gewesen, H. in dieser Wohnung unterzubringen; ob dieser hauptberuflich Kassenangestellter oder Hausbesorger sei, sei für die Entscheidung ohne rechtliche Bedeutung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Aus dem Revisionsgrund des § 503, Z. 4 ZPO. macht die Revision geltend, es sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes unrichtig, daß auch Gebietskörperschaften der Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. zustehe; diesen Kündigungsgrund könnten vielmehr nur wirtschaftliche Körper geltend machen. Weiters fehle auch eine wesentliche Voraussetzung des angeführten Kündigungsgrundes, nämlich daß der Mietgegenstand bereits vor der Kündigung zur Unterbringung von Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, da von der dem Polizeiwachtmeister L. gehörigen Wohnung nach dessen Heimkehr ein Zimmer dem Beklagten abgetreten worden, somit eine Änderung der Zweckbestimmung der abgetretenen Räume eingetreten sei. Die Revision wendet sich weiters gegen die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, es sei gleichgültig, ob H., für dessen Unterbringung die Wohnung bestimmt ist, hauptberuflich Kassenangestellter oder Hausbesorger sei; sie führt hiezu aus, daß in der Kündigung als Kündigunggrund ausdrücklich angegeben sei, "die Wohnung wird als Dienstwohnung (Hausbesorger) benötigt"; dadurch sei die Wohnung ausdrücklich als für einen Hausbesorger bestimmt spezialisiert und es könne dieser Kündigungsgrund nicht nachträglich geändert werden. Es könne auch nicht, wenn die Wohnung für einen bestimmten Angestellten gekundigt werde, nachträglich die Kündigung darauf gestützt werden, daß sie zur Unterbringung eines anderen Angestellten benötigt werde, wie dies hier der Fall sei, da in der Kündigung von einem Hausbesorger, später aber von einem Kassenangestellten die Rede sei. Schließlich behauptet die Revision, daß auch die Voraussetzungen des § 19, Abs. 1 MietG. für die Kündigung wegen Bedarfes nach einem Hausbesorger nicht gegeben seien, da ein Bedarf nach einem solchen nicht bestehe.

Der Zweck der Bestimmung des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. geht dahin, es Dienst- oder Arbeitgebern zu ermöglichen, in den ihnen gehörigen Bestandobjekten Wohnungen zur Unterbringung ihrer Arbeiter oder Angestellten frei zu machen, sofern die Bestandobjekte zur Unterbringung von Arbeitern oder Angestellten bestimmt waren. Aus den Worten "des eigenen Betriebes" ist keineswegs zu erschließen, daß es sich beim Vermieter um einen Wirtschaftskörper (industrielles, kaufmännisches, gewerbliches Unternehmen oder dergleichen) handeln muß, denn sonst hätte sich der Gesetzgeber des Wortes "Unternehmen" bedient (siehe Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4. April 1923, Ob I 235/23, abgedruckt bei Sternberg, Das Mietengesetz, S. 384, Anmerkg. 86). Der Oberste Gerichtshof hat auch der Heeresverwaltung das Recht zur Kündigung nach § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. zur Unterbringung von Wehrmachtsangehörigen zugebilligt (ZBl. 1929, Nr. 300). Auch Hesse (Das Mietengesetz, S. 126) vertritt die Meinung, daß beispielsweise auch der Bund im Interesse seiner Bediensteten den Kündigungsgrund nach § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. in Anspruch nehmen kann. Wenn die Revision hieraus die Schlußfolgerung ableitet, daß dadurch die Inanspruchnahme des Kündigunggrundes zugunsten von Gebietskörperschaften eingeschränkt werde, so verfällt sie in einen Rechtsirrtum. Denn gerade dadurch, daß auch dem Bund, dem im § 19, Abs. 2, Z. 9a MietG. ein besonderes Kündigungsrecht eingeräumt wird, nach Lehre und Rechtsprechung auch der Kündigunggrund nach § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. zugebilligt wird, ist der Schluß gerechtfertigt, daß letzteres Recht auch Gebietskörperschaften wie Gemeinden zugunsten ihrer Angestellten zugute kommen soll, die die Bestimmung des § 19, Abs. 2, Z. 9a MietG. nicht für sich in Anspruch nehmen können. Es ist auch nicht einzusehen, warum ein Unterschied zwischen Angestellten von Unternehmen einer Gebietskörperschaft (Elektrizitätswerk oder dergleichen) und solchen der Hoheitsverwaltung dieser Gebietskörperschaften bei Anwendung des erwähnten Kündigungsgrundes gemacht werden soll, wie dies die Revision vermeint. Gerade aus der von der Revision zitierten Regierungsvorlage zum Mietengesetz ergibt sich die Richtigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund zur Freimachung von zu diesem Zwecke geschaffenen Wohnungen für Angestellte einer Gemeinde bestimmt ist. Wenn auch aus dem ursprünglichen Text der Regierungsvorlage der zweite Satz der Zahl 7, der die Anwendung des Kündigungsgrundes allgemein auf Wohnungen zuließ, die von öffentlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen und gemeinnützigen Unternehmungen, wie Baugenossenschaften, für einen bestimmten Personenkreis geschaffen wurden, nachträglich gestrichen wurde, so ist daraus nicht zu erschließen, daß Gemeinden oder andere Gebietskörperschaften sich dieses Kündigungsgrundes zugunsten ihrer Angestellten nicht bedienen dürfen; durch diese Streichung sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, daß sich die Gesetzesstelle nur auf Dienstwohnungen für Arbeiter oder Angestellte des Vermieters bezieht (Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, S. 242).

Wenn die Revision behauptet, es sei nachträglich eine Änderung der Zweckbestimmung der gekundigten Wohnung eingetreten, so ist dieses Vorbringen, das sich übrigens nicht an die Feststellungen der Vorinstanzen hält, ohne rechtliche Bedeutung, da es zur Herstellung des Kündigungsgrundes nach § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. lediglich notwendig ist, daß die Wohnung ursprünglich für die Unterbringung von Angestellten bestimmt war oder zur Unterbringung von solchen gedient hat. Da die Vorinstanzen dies festgestellt haben, sind die Voraussetzungen des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. gegeben. Eine Erörterung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 19, Abs. 1 MietG. gegeben sind, ist daher nicht notwendig. Es ist aber auch den Vorinstanzen beizupflichten, daß in dem von ihnen festgestellten Sachverhalt ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 19, Abs. 1 MietG. gelegen ist.

Anmerkung

Z21093

Schlagworte

Dienstwohnung, Gebietskörperschaft kann Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG., zugunsten von Bediensteten ihrer Hoheitsverwaltung geltend machen, Gemeinde kann Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG. zugunsten, von Bediensteten ihrer Hoheitsverwaltung geltend machen, Hoheitsverwaltung, zugunsten von Bediensteten ihrer H. kann, Gebietskörperschaft den Kündigungsgrund des § 19, Abs. 2, Z. 7 MietG., geltend machen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0030OB00122.48.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19480505_OGH0002_0030OB00122_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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