Norm
ABGB §690Kopf
SZ 21/108
Spruch
Stellung eines auf Vorschlag der Erben vom Abhandlungsgericht ernannten Nachlaßverwalters.
Entscheidung vom 23. Juni 1948, 2 Ob 197/48.
I. Instanz: Bezirksgericht Bezau; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.
Text
Am 17. April 1945 verstarb der ledige Landwirt Josef B. aus A. Er hat eine letztwillige Verfügung vom 7. Jänner 1945 hinterlassen, worin er verschiedenen Personen Vermächtnisse aussetzt, die zusammen den Großteil des Nachlasses erschöpfen. Die gesetzlichen Erben - zahlreiche Nachkommen der väterlichen und mütterlichen Großeltern - haben dieses Kodizill nicht als gültig anerkannt. Sie haben am 27. August 1947 die bedingte Erbserklärung abgegeben und haben beantragt, den Bauer Alois F. in Sch., den Beistand einer beschränkt entmundigten Miterbin, zum Nachlaßverwalter zu bestellen. Der Kurat von R. war für die Legatare damit einverstanden. Das Nachlaßgericht hat am 8. Oktober 1947 unter A 92/47-14 die bedingte Erbserklärung angenommen und hat auf Grund des übereinstimmenden Antrages der Erben und Legatare den Alois F. zum Nachlaßverwalter bestellt.
Zum Nachlasse gehören unter anderem das Haus A-L. Nr. 11, das Berggut L. und das Vorsäß Sch. Der Nachlaßverwalter Alois F. hat im Oktober 1947 den bisherigen Pächtern gekundigt und wollte das Hofstattgut L. 11 und Sch. selbst für die Erben bewirtschaften, das Berggut L. anderweitig vergeben. Das Nachlaßgericht hatte nach Erhebungen bei der Gemeinde und den Ortsschätzen von A. dagegen Bedenken und erließ am 31. März 1948 an den Nachlaßverwalter die Weisung, für das heurige Jahr hinsichtlich sämtlicher Nachlaßliegenschaften mit den bisherigen Pächtern das Pachtverhältnis fortzusetzen.
Dagegen erhob der Nachlaßverwalter Alois F. Rekurs, indem er nachzuweisen versucht, daß der von ihm beabsichtigte Wechsel in der Bewirtschaftung unbedingt erforderlich sei.
Das Rekursgericht hob den erstrichterlichen Beschluß auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung des Rekursgerichtes:
Auf Grund des Rekurses hatte das Rekursgericht nicht nur die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Weisung, sondern auch ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Entscheidend für die Beurteilung ist die Frage nach der Rechtsstellung des von den Erben vorgeschlagenen, von den Legataren gebilligten und vom Nachlaßgericht bestellten "Nachlaßverwalters". Das Außerstreitgesetz regelt die Bestellung des Verlassenschaftskurators in den §§ 78, 79 grundsätzlich, die §§ 128 ff. enthalten nähere Ausführungsbestimmungen. § 78 AußstrG. sieht die Bestellung eines Kurators zur Verwaltung von Verlassenschaften vor, deren Erben gänzlich unbekannt sind oder rücksichtlich welcher die Erben, obgleich sie bekannt sind, von ihrem Erbrecht ungeachtet der erfolgten Verständigung keinen Gebrauch machen. Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Auch keiner der sonst in dem Gesetze bezeichneten Fälle (§§ 690, 811, 812 ABGB.), die eine solche Maßnahme des Verlaßgerichtes erfordern und rechtfertigen würden (§ 79 AußstrG.). Es bestand also überhaupt kein Grund, einen Nachlaßverwalter im Sinne dieser Gesetzesstellen zu bestellen.
Der § 145 AußstrG. dagegen besagt, daß das Gericht den Erben, dessen Erbrecht hinreichend ausgewiesen ist, die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft zu überlassen hat. Das Erbrecht der gesetzlichen Erben ist hinreichend ausgewiesen. Es ist nicht bestritten. Der Streit geht nur um die Gültigkeit eines Kodizills und der darin ausgesetzten Vermächtnisse. Die gesetzlichen Erben haben daher Anspruch, daß ihnen die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen wird. Alois F. ist also richtig als Verwalter des Nachlasses im Auftrag der Erben, die durch ihn diese Verwaltung ausüben wollten,zu betrachten. Er bedurfte daher zur Ausübung seiner Verwaltertätigkeit weder der Zustimmung der Legatare, noch der gerichtlichen Bestellung. Er ist auch nur den Erben Rechenschaft schuldig, nicht dem Gerichte und das Gericht ist auch nicht befugt, ihm für seine Tätigkeit Weisungen zu geben.
Die Weisung des Verlassenschaftsgerichtes war daher als ungesetzlich zu beseitigen, ohne überhaupt zu prüfen, ob die vom Verwalter getroffenen Anordnungen für die Erben vorteilhaft oder bedenklich sind.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.
Aus der Begründung:
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhoben sämtliche Personen, die in dem erblasserischen Kodizill vom 7. Jänner 1945 mit Legaten bedacht sind, Revisionsrekurs.
Aus dem Abhandlungsakte ergibt sich folgender Sachverhalt:
In der letztwilligen Anordnung vom 7. Jänner 1945, die keine Erbeinsetzung enthält, sind verschiedene Personen Legate ausgesetzt, wodurch beinahe über das ganze Nachlaßvermögen verfügt wurde. Die gesetzlichen Erben, deren bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen wurde, bekämpfen die Gültigkeit dieser letztwilligen Anordnung. Bei der Tagsatzung vom 27. August 1947 erklärten die gesetzlichen Erben, daß sie mit der weiteren Verwaltung des Nachlasses durch Ludwig B., der zu den im Kodizille bedachten Personen gehört, nicht einverstanden sind und die Bestellung eines neuen Nachlaßverwalters in der Person des Alois F. vorschlagen. Die Legatare erklärten sich mit diesem Vorschlage einverstanden, worauf das Abhandlungsgericht den Alois F. zum Nachlaßverwalter bestellte. Die Bestellung eines Kurators der Verlassenschaft wäre im Gesetze nicht begrundet gewesen. Von den vom Rekursgericht angeführten Fällen der Kuratorbestellung käme nur jener des § 690 ABGB. in Betracht. Die Voraussetzung dieser Bestimmung ist aber gleichfalls nicht gegeben; denn die gesetzlichen Erben vertreten den Standpunkt, daß der Nachlaß mit Legaten nicht belastet ist, weil das Kodizill ungültig ist, und sie begehren die Bestellung eines Nachlaßverwalters nicht zu dem Zwecke, daß dieser den Nachlaß für die Legatare verwaltet, und mit diesen schließlich Verrechnung pflegt, sondern deshalb, damit der Verwalter ihr eigenes Interesse vertrete, was auch dadurch zum Ausdrucke kommt, daß sie den gesetzlichen Vertreter einer gesetzlichen Erbin für diese Stelle namhaft machen, der dann vom Abhandlungsgerichte zum Nachlaßverwalter bestellt wurde. Das Begehren des gesetzlichen Vertreters war daher auf Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses aufzufassen und nach § 145 AußstrG., § 810 ABGB. gerechtfertigt. Bei der großen Anzahl der gesetzlichen Erben war es zweckmäßig, eine einzige Person mit der Verwaltung zu betrauen. In der Bestellung des Alois F. zum Nachlaßkurator ist daher die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die gesetzlichen Erben zu erblicken, die dieses Geschäft gleichzeitig dem Genannten übertrugen. Das Abhandlungsgericht ist nicht befugt, den Erben oder den von diesen bestellten Verwalter hinsichtlich der den Erben überlassenen Verwaltung Vorschriften zu erteilen. Würden durch Verfügungen der gesetzlichen Erben die angeblichen Rechte der Legatare verletzt, dann bliebe es diesen unbenommen, entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu begehren.
Der Revisionsrekurs bestreitet auch zu Unrecht die Legitimation des Alois F. zur Erhebung des Rekurses gegen die ihm erteilt Weisung der ersten Instanz. Dieser nimmt zwar nicht als Partei am Abhandlungsverfahren teil, er ist aber von den gesetzlichen Erben mit der Verwaltung des Nachlasses betraut und vertritt in diesem Rahmen das Interesse der gesetzlichen Erben; da die vom Erstgerichte getroffene Verfügung in die von ihm zu wahrende Interessensphäre eingreift, war er gemäß § 9 AußstrG. zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert.
Anmerkung
Z21108Schlagworte
Abhandlungsgericht, Voraussetzungen für die Bestellung eines, Nachlaßverwalters, Nachlaßverwalter, Stellung desselbenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1948:0020OB00197.48.0623.000Dokumentnummer
JJT_19480623_OGH0002_0020OB00197_4800000_000