TE OGH 1948/7/14 1Ob241/48

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Veröffentlicht am 14.07.1948
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Norm

ZPO §73

Kopf

SZ 21/117

Spruch

§ 73, Abs. 2 ZPO. ist auf das Berufungsverfahren analog anwendbar, wenn die arme Partei sofort nach Empfang der Urteilausfertigung den Antrag auf Bestellung eines Armenvertreters stellt und dieser ebenfalls unverzüglich die Berufung einbringt.

Entscheidung vom 14. Juli 1948, 1 Ob 241/48.

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Berufungsgericht hat die Berufung der klagenden Partei als verspätet zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hob diesen Beschluß auf.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Mit Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. April 1948, Cg 921/47-8, wurde die Ehe der beiden Streitteile aus beiderseitigem Verschulden geschieden, wobei ausgesprochen wurde, daß das Verschulden des Klägers überwiegt. Das Urteil wurde dem Kläger am 10. April 1948 zugestellt. Am 14. April 1948 beantragte Kläger beim Prozeßgericht protokollarisch unter Hinweis auf das ihm bereits am 2. Februar 1948 erteilte Armenrecht, ihm einen Rechtsanwalt für das Rechtsmittelverfahren zu bestellen und diesem auch das Urteil zuzustellen. Das Kreisgericht bewilligte dem Kläger mit Beschluß vom 16. April 1948 das Armenrecht für das Rechtsmittelverfahren. Zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrung seiner Rechte wurde mit ZPForm. 4 vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Dr. L. S. bestellt.

Nach Verständigung des Prozeßgerichtes von der Bestellung Dr. L. S. durch die Rechtsanwaltskammer am 21. April 1948 wurde noch am gleichen Tag die Abfertigung einer Urteilsausfertigung an Dr. S. verfügt. Laut Abfertigungsvermerk wurde diesem Auftrag am 27. April 1948 entsprochen. Noch vor Empfang der Urteilsausfertigung hat Rechtsanwalt Dr. S. am 26. April 1948 die Berufung namens der klagenden Partei zur Post gegeben. Laut dem auf dem mit der Berufung vorgelegten Bestellungsdekret angebrachten Eingangsvermerk hat Dr. S. das Bestellungsdekret am 21. April 1948 erhalten.

Das Prozeßgericht hat die eingebrachte Berufung der beklagten Partei zugestellt und die Akten, nachdem innerhalb der Frist zur Erstattung der Berufungsmitteilung eine Berufungsmitteilung nicht eingebracht worden war, dem Berufungsgerichte vorgelegt.

Dieses hat mit dem angefochtenen Beschluß die Berufung verworfen, weil die Berufung verspätet eingebracht worden sei, da die Berufungsfrist am 24. April 1948 abgelaufen sei.

Der gegen diesen Zurückweisungsbeschluß eingebrachte Rekurs ist begrundet. Die Bestimmung des § 73, Abs. 2 ZPO. ist sinngemäß auf das Berufungsverfahren anwendbar; dies folgt aus der Erwägung, daß eine nicht verschuldete Verzögerung bei der Bestellung des Armenanwaltes der armen Partei nicht zum Nachteil gereichen darf (E.

d. OGH. vom 5. November 1935, RZtg. 1936, S. 17; vom 5. März 1936, JBl. 1936, S. 281; SZ. XIX/300). Voraussetzung der analogen Anwendbarkeit der angeführten Gesetzesstelle ist, daß die arme Partei ohne Verzug nach Zustellung des Urteiles den Antrag gestellt hat, ihr für die Anfertigung der Berufungsschrift einen amtlichen Vertreter zu bestellen.

Das hat der Kläger getan. Das Urteil wurde ihm Samstag, den 10. April 1948, zugestellt, am Mittwoch, den 14., hat er bereits den Antrag auf Bestellung eines Armenvertreters und Zustellung einer Urteilsausfertigung an diesen beantragt. Das muß als unverzüglich angesehen werden, zumal wenn man bedenkt, daß Kläger nicht am Gerichtsort wohnhaft ist und man ihm als einer in Arbeit stehenden Person zubilligen muß, daß er nicht ohneweiters nach Wiener Neustadt fahren konnte, sondern sich erst dienstfrei nehmen mußte. Auch dem Armenvertreter fällt kein Verzug zur Last. Er hat Mittwoch, den 21. April 1948, die Verständigung von seiner Bestellung erhalten und noch vor Zustellung der Urteilsausfertigung am Montag, den 26. April 1948, die Berufung zur Post gegeben. Da der in Neunkirchen domizilierte Armenvertreter erst den beim Kreisgericht Wiener Neustadt befindlichen Akt einsehen und den Klienten zur Informationserteilung vorladen mußte, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß eine frühere Einreichung der Berufung nicht möglich gewesen ist und daher die normale 14tägige Berufungsfrist, die am 24. April 1948 ablief, nicht eingehalten werden konnte.

Es mußte demnach im Sinne der nunmehr ständigen Praxis der Oberste Gerichtshof dem Rekurs Folge geben und der angefochtene Beschluß aufgehoben werden.

Anmerkung

Z21117

Schlagworte

Armenvertreter, Einfluß auf Berufungsfrist, Berufungsfrist bei Bestellung eines Armenvertreters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00241.48.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19480714_OGH0002_0010OB00241_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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