TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/22 2003/06/0011

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Veröffentlicht am 22.02.2005
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauG Stmk 1995 §23;
BauG Stmk 1995 §29;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der HU in W, Vereinigte Staaten von Amerika, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 25. November 2002, Zl. A 17 - 68/2000 - 10, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. MK in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte kann dem hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2000/06/0090, entnommen werden. Das verfahrensgegenständliche Bauansuchen des Mitbeteiligten betraf die Errichtung von vier überdachten Stellplätzen auf einem Grundstück in der KG W.

Mit dem im ersten Rechtsgang ergangenen Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 8. Mai 2000 wurde für dieses Bauvorhaben die Baubewilligung erteilt. Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass die geplante bauliche Anlage, deren Seitenflächen bzw. Umfassungswände nach einem eingeholten Gutachten insgesamt 48,5 % ausmachten (im Verhältnis zu 51,5 % unverschließbare Öffnungen) nach § 4 Z. 28 erster Satz Stmk. BauG kein Gebäude darstelle, weshalb das geltend gemachte subjektive öffentliche Recht auf Einhaltung des Abstandes gemäß § 13 leg. cit. nicht verletzt sein könne. Es läge auch keine offene Garage im Sinne des § 4 Z. 28 zweiter Satz Stmk. BauG vor, da von Umfassungsmauern nur dann gesprochen werden könne, wenn diese Mauern etwas (ein Gebäude, ein Bauwerk, eine bauliche Anlage) allseits umschlössen. Die vorliegende bauliche Anlage sei aber nicht allseits von Seitenwänden ("Umfassungswänden") umgeben, sondern nur zu (maximal) 48,8 %. Sie weise daher keine "Umfassungswände" auf, wie sie im § 4 Z. 28 zweiter Satz Stmk. BauG für das Vorliegen einer offenen Garage gefordert seien.

Mit dem angeführten hg. Erkenntnis wurde dieser Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof teilte die Ansicht der belangten Behörde nicht, dass von Umfassungswänden gemäß § 4 Z. 27 Stmk. BauG nur dann gesprochen werden könnte, wenn diese Wände ein Bauwerk allseits umschlössen. Dies finde im Gesetz keine Deckung. Unter Umfassungswänden seien nach außen abschließende Wände zu verstehen. Nach § 4 Z. 28 zweiter Satz leg. cit. seien jedenfalls Garagen als Gebäude zu qualifizieren, die den Voraussetzungen des § 4 Z. 27 siebenter Unterbegriff leg. cit. entsprächen. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob § 4 Z. 28 zweiter Satz Stmk. BauG auch Garagen erfasse, die als Gebäude im Sinne des § 4 Z. 28 erster Satz leg. cit. zu beurteilen wären. Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Amtssachverständigen ergebe sich, dass das verfahrensgegenständliche Bauwerk zu max. 48,8 % von Seitenflächen bzw. Umfassungswänden umschlossen sei. Die unverschließbaren Öffnungen machten 51,2 % - also mehr als ein Drittel - der Gesamtfläche der Umfassungswände aus. Da für die Qualifikation als offene Garage unverschließbare Öffnungen in der Größe von insgesamt mindestens einem Drittel der Gesamtfläche der Umfassungswände notwendig seien, handle es sich um eine offene Garage im Sinne des § 4 Z. 27 7. Unterbegriff Stmk. BauG und somit um ein Gebäude im Sinne des § 4 Z. 28 zweiter Satz leg. cit. Im Hinblick auf diese Umfassungswände könne aber auch keine Rede davon sein, es lägen bloße Abstellflächen mit Schutzdächern vor, wie sie in § 4 Z. 27 7. Unterbegriff letzter Satz genannt seien. Sei die vorliegende bauliche Anlage aber als Gebäude zu qualifizieren, kämen die Abstandsregelungen des § 13 Stmk. BauG (insbesondere des Abs. 2) für dieses Gebäude zum Tragen.

In der Folge teilte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes mit und räumte ihm die Möglichkeit ein, sein an sich nicht bewilligungsfähiges Projekt so abzuändern (zu modifizieren), dass es vorschriftskonform und damit bewilligungsfähig sei.

In der Folge legte der Mitbeteiligte Änderungspläne vor, nach denen an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin eine Abschlussmauer vorgesehen war.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Einwendungen.

In einem Schreiben der belangten Behörde vom 19. September 2002 wurde der Mitbeteiligte darauf hingewiesen, dass das geänderte Projekt nicht mehr dieselbe Sache betreffe, sondern ein "aliud". Der Mitbeteiligte wurde aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen bekannt zu geben, ob er am geänderten Projekt festhalte oder das ursprüngliche Bauansuchen aufrechterhalte oder aber zurückziehe.

In der Folge nahm der Mitbeteiligte das geänderte Vorhaben zurück und definierte den Antragsinhalt wie folgt:

"1. Gegenstand des Antrages ist die Baukörperkonfiguration nach Maßgabe der ursprünglichen Einreichung.

2. Diese Einreichung wird dahingehend modifiziert, dass die beabsichtigte Situierung von vier Kfz-Stellplätzen unterhalb der Decke zurückgezogen wird.

3. Das Bauvorhaben stellt sich somit zusammenfassend als Ausbildung einer Terrasse dar (und nicht mehr einer Garage, womit die Gebäudequalifikation nach § 4 Z 28 zweiter Satz BauG entfällt).

Diese Modifikation im Sinne einer Rückführung auf den ursprünglichen Antragsinhalt unter gleichzeitiger Einschränkung des Ansuchens durch Wegfall der Kfz-Stellplätze wolle behördlicherseits zur Kenntnis genommen und auf dieser Grundlage der Bewilligungsbescheid ausgefertigt werden".

Nachdem dieser Schriftsatz des Mitbeteiligten dem Vertreter der Beschwerdeführerin zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt worden war, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid

"auf Grund der vorgenommenen Modifikation des eingereichten Projekts durch den Bauwerber dahingehend, dass Gegenstand des Antrages die Baukörperkonfiguration nach Maßgabe der ursprünglichen Einreichung ist, diese Einreichung dahingehend modifiziert wird, dass die beabsichtigte Situierung von vier Kfz-Stellplätzen unterhalb der Decke zurückgezogen wird und das Bauvorhaben sich somit zusammenfassend als Ausbildung einer Terrasse darstellt, als

unbegründet abgewiesen.

Auf Grund der vorgenommenen Modifikation wird die Entscheidung der Behörde erster Rechtsstufe von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass Bewilligungsgegenstand nicht (mehr) die Errichtung von 4 überdachten Stellplätzen auf dem Grundstück Nr 202/4, EZ 2650, KG W..., ist, sondern - projektsmodifikationsgemäß - die plan- und bechreibungsgemäße Errichtung einer Terrasse. Ferner wird die Entscheidung der Behörde erster Rechtsstufe von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass zu den darin vorgeschriebenen besonderen Auflagen als Auflage Nr. 3 die nachstehende tritt:

3.) Im Raum unterhalb der Terrasse ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen unzulässig.

Im Übrigen wird der bekämpfte Bescheid bestätigt."

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass vom Mitbeteiligten tatsächlich keine Modifikation des ursprünglichen Antrages vorgenommen worden sei und die Behörde daher über ein Projekt entschieden habe, welches vom Mitbeteiligten tatsächlich nicht zur Bewilligung eingereicht worden sei. Da es sich bei einem Bauverfahren um ein projektbezogenes und antragsbezogenes Verfahren handle, könne die Behörde nach den Bestimmungen des Stmk. BauG nur über das eingereichte Projekt und den zu Grunde liegenden Antrag entscheiden. Wenn aber der Mitbeteiligte letztendlich erklärt habe, er beabsichtige, eine Terrasse zu errichten, handle es sich dabei nicht um die Modifikation der Errichtung von vier überdachten Stellplätzen, sondern tatsächlich um ein völlig anderes Bauvorhaben. Der Mitbeteiligte hätte diesbezüglich einen neuerlichen Antrag bei der Baubehörde erster Instanz einbringen müssen, wenn er nunmehr eine Terrasse errichten wolle.

Der Beschwerdeführerin ist zunächst dahingehend Recht zu geben, dass in den ursprünglich eingereichten Plänen des Mitbeteiligten eine Änderung des Projektes nicht vorgenommen wurde.

Der Mitbeteiligte hat aber eindeutig gegenüber der Berufungsbehörde erklärt, dass mit der aus den eingereichten Plänen ersichtlichen baulichen Anlage nunmehr keine Stellplätze errichtet werden, sondern die Errichtung einer Terrasse erfolgt. Die belangte Behörde hat in ihrem Spruch ausdrücklich auf dieses so geänderte Bauvorhaben Bezug genommen und in einer Auflage klargestellt, dass im Raum unterhalb der Terrasse das Abstellen von Kraftfahrzeugen unzulässig ist. Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 12. Oktober 1993, Zl. 93/05/0166, und die in diesem dazu angeführte Vorjudikatur) ist im Falle einer Diskrepanz zwischen verbaler Beschreibung im Baubewilligungsbescheid und der zeichnerischen Darstellung in den genehmigten Bauplänen im Zweifel davon auszugehen, dass die verbale Umschreibung des Baubewilligungsbescheides maßgeblich ist. In diesem Sinne ist im vorliegenden Fall die verbale Umschreibung des verfahrensgegenständlichen geänderten Bauvorhabens im Spruch des angefochtenen Bescheides maßgeblich. Danach betrifft das im Berufungsverfahren in Reaktion auf das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2000/06/0090, geänderte Bauvorhaben nur die Errichtung einer Terrasse und nicht mehr die Errichtung von vier Kfz-Abstellplätzen.

Der Beschwerdeführerin kann aber auch nicht darin gefolgt werden, wenn sie meint, dieses geänderte Bauvorhaben stelle ein neues Bauvorhaben und somit ein "aliud" zum ursprünglichen Bauvorhaben dar.

Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 95/06/0185) sind, wenn nicht nur Einschränkungen des ursprünglichen Bauvorhabens vorgenommen werden, Änderungen des ursprünglichen Bauvorhabens im Berufungsverfahren zulässig, die insgesamt betrachtet kein Ausmaß erreichen, dass das Bauvorhaben als ein anderes zu beurteilen wäre bzw. die das Wesen (den Charakter) des Vorhabens beträfen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, Zl. 93/05/0117, u.v.a.). Nach dieser Judikatur kann ein gegenüber den ursprünglichen Bauplänen geändertes Projekt nicht als ein "aliud" beurteilt werden, wenn im Zuge des Berufungsverfahrens Modifikationen erfolgen, welche - nach Art und Ausmaß geringfügig - dem Zweck dienen, das Projekt zur Gänze dem Gesetz anzupassen.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine solche Änderung des Bauvorhabens, mit der das Vorhaben im Sinne des angeführten hg. Vorerkenntnisses dem Gesetz angepasst wurde. Solange das Bauvorhaben als offene Garage im Sinne des Stmk. BauG zu qualifizieren war, stand es im Widerspruch zu den Abstandsregelungen in § 13 leg. cit. Die nunmehr geplante Errichtung einer Terrasse steht mit diesen Abstandsregelungen im Einklang. Der unter der Terrasse befindliche Raum, dessen Umfassungs- bzw. Seitenwände nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin maximal 48,8 % ausmachen, kann aber - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht im Sinne des § 4 Z. 28 Stmk. BauG als Gebäude qualifiziert werden, weil dieser Raum an den Seitenflächen nicht allseits oder überwiegend geschlossen im Sinne dieser Bestimmung ist. Als offene Garage kann dieser Raum aber im Hinblick auf die Änderung des Bauvorhabens, nach der keine Abstellplätze mehr für diesen Raum vorgesehen sind, nicht mehr qualifiziert werden. Diese Änderung des Bauvorhabens ist daher auch als eine Einschränkung des ursprünglichen Bauvorhabens zu beurteilen. Es stellt somit kein "aliud" zum ursprünglichen Bauvorhaben dar.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Februar 2005

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt des Spruches Diverses Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003060011.X00

Im RIS seit

13.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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