TE OGH 1948/11/10 3Ob330/48

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Veröffentlicht am 10.11.1948
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Norm

ABGB §427
ABGB §943
ABGB §956

Kopf

SZ 21/159

Spruch

Zur Gültigkeit der schenkungsweisen Abtretung einer Forderung auf den Todesfall genügt die Übergabe der Abtretungsurkunde an den Beschenkten. In diesem Falle ist die Errichtung eines Notariatsaktes nicht erforderlich.

Entscheidung vom 10. November 1948, 3 Ob 330/48.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der beklagten Verlassenschaft zur Wiederherstellung und Übergabe eines betriebsfertigen Sägewerkes mit den im Klagebegehren näher beschriebenen Anlagen Zug um Zug gegen Erstattung eines Betrages von 36.694.42 S mit der Begründung, ihr verstorbener Bruder Ludwig K. habe dem Erblasser im Jahre 1930 sein Sägewerk auf der Bahnstation Annaberg - Reith samt Inventar zur Sicherstellung für die ihm im Ausgleichsverfahren zu leistende finanzielle Hilfe verpfändet, der Erblasser habe dem Ludwig K. einschließlich Zinsen nur insgesamt 36.694.42 S zur Verfügung gestellt, welcher Betrag noch unberichtigt aushaftet, und habe dann eigenmächtig das Sägewerk abbrechen und abtransportieren lassen und die Einrichtung verkauft; er sei deshalb zur Wiederherstellung verpflichtet. Diese Forderung habe Ludwig K. vor seinem Ableben auf Grund einer Schenkungsurkunde vom 17. Juni 1946 der Klägerin und deren Brüdern Friedrich und Ing. Emil K. abgetreten, welch letztere ihre Ansprüche der Klägerin abgetreten hätten.

Das Prozeßgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von weiteren Beweisen ab, weil es sich um eine schenkungsweise Zession handle, die mangels Notariatsaktes ungültig sei, da eine Übergabe nach § 427 ABGB. weder behauptet wurde noch erfolgt ist.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach aus, daß die Klägerin weder eine Übergabe von Urkunden anläßlich der Schenkung behauptet noch angeführt habe, um welche Urkunden es sich handle.

Der oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile beider Vorinstanzen auf und verwies die Rechtsache an das Prozeßgericht zurück

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision ist begrundet. Die Feststellung der Untergerichte, die Klägerin habe weder behauptet, daß eine Übergabe der Forderung gemäß § 427 ABGB. erfolgt sei, noch habe sie angeführt, auf welche Art oder mit welchen Urkunden die Übergabe zustande gekommen sei, ist insofern aktenwidrig, als die Klägerin bereits in der Klage behauptet hat, daß Ludwig K. über die Abtretung der Forderung am 17. Juni 1946 eine Urkunde errichtet hat, und dadurch, daß sie sich zur Vorlage dieser Urkunde erbot, auch zum Ausdruck brachte, daß ihr diese Urkunde von Ludwig K. übergeben worden sei, da sonst nicht erfindlich wäre, wie sie in den Besitz dieser Urkunde gelangt ist. Aus dem Vorbringen der Klage läßt sich keineswegs entnehmen, daß die Zeugen Friedrich, Marie und Ing. Emil K. nur über die Tatsache der Schenkung, nicht aber darüber geführt wurden, daß diese Schenkung durch Übergabe der Urkunde vom 17. Juni 1946 zustande kam. In der Unterlassung der Aufnahme dieser Beweise und in der Billigung dieser Unterlassung durch das Berufungsgericht sind daher wesentliche Verfahrensmängel zu erblicken.

In rechtlicher Hinsicht ist darauf zu verweisen, daß, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des ABGB. ergibt, nach der Ansicht der Redaktoren unter den Urkunden, durch deren Übergabe gemäß § 427 ABGB. das Eigentum an Schlußforderungen übertragen wird, in erster Linie Abtretungsurkunden zu verstehen seien, durch die das Eigentum des Erwebers, nicht aber das des Übergebers dargetan werden soll, und daß bei allen Schuldforderungen zu deren Übertragung gemäß § 427 ABGB. eine Übergabe derartiger Urkunden notwendig sei (Pfersche, Sachenrecht, S. 135; Krasnopolski, Obligationenrecht, S. 264, und die dort angeführten Entscheidungen; ferner die bei Ehrenzweig II/1, § 329 IV in Anmerkung 45 angeführten Quellen). Die neuere Lehre, so Winwarter II, S. 200, Randa, S. 310 f., Hasenöhrl II, S. 185, Exner, Hypothekarrecht, S. 378, und eine Teil der Rechtsprechung (siehe die Anführung bei Klang I/2 zu § 427, 3) verlangt für die Abtretung einer Forderung nur dann die Übergabe von Urkunden, wenn es sich um Inhaberpapiere oder solche verbriefte Forderungen handelt, deren Geltendmachung an den Besitz des Papieres gebunden ist, während bei anderen Forderungen die Abtretung bereits durch die Willensübereinstimmung zwischen dem Zedenten und dem Zessionar zustande kommt, da der Abtretungsvertrag ein Konsensualvertrag ist. Das Judikat Nr. 142 steht zwar auf dem Standpunkt, daß die unbedingte Anerkennung der Gültigkeit formloser unentgeltlicher Zessionen der klaren Absicht des Gesetzgebers widerstreitet spricht aber ausdrücklich aus, daß zur Gültigkeit eine Übergabe nach § 427 ABGB. in einem sinngefälligen, nach außen bemerkbaren Akt genügt, aus dem der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, das Objekt der Schenkung aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen, und daß bei Beurteilung der Frage, welche Zeichen als zur wirklichen Übergabe im Sinne des § 427 ABGB. ausreichend anzusehen sind, die Umstände des einzelnen Falles entscheidend seien, da § 427 ABGB. nicht alle denkbaren, für die Übergabe maßgebenden Zeichen aufzählen konnte. Jedenfalls werden im angeführten Judikat solche Zeichen als ausreichend bezeichnet, aus denen der wirklich erfolgte Übergang der geschenkten Forderung in das Vermögen des Beschenkten unzweifelhaft und nach außenhin erkennbar zu entnehmen ist.

Es kommt nicht darauf an, ob diese Zeichen fortwährend erkennbar sind oder von einem Dritten wahrgenommen wurden, sondern was als der tatsächliche Vorgang bei der schenkungsweisen Übertragung als erwiesen festgestellt wurde (SZ. VIII/87). Die Entscheidung GlU. 7398 stellt ausdrücklich fest, daß für die Übertragung des Eigentums an Schuldforderungen die Übergabe der ausgefertigten Zessionsurkunde genügt, durch die der Zessionar in den Stand gesetzt wird, den Eigentumserwerb darzutun. Die Rechtsprechung hat auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sogar unentgeltliche Abtretungsverträge zwischen Ehegatten keines Notariatsaktes bedürfen, wenn eine Übergabe nach § 427 ABGB. erfolgt ist (ZBl. 1914, Nr. 5; JBl. 1937, S. 146 u. a. m.).

Aus dem Gesagten folgt, daß zur unentgeltlichen Übertragung einer Forderung die Errichtung eines Notariatsaktes nicht notwendig ist, vielmehr die Übergabe der schriftlichen Abtretungsurkunde an den Beschenkten genügt. Dies gilt besonders im gegenständlichen Falle, in welchem es sich um die Abtretung einer vom Schuldner bestrittenen Schadenersatzforderung handelt, bei der es nicht vorstellbar wäre, welche Urkunden zum Nachweise des Eigentums an einer solchen Forderung geeignet wären. Ob es sich nun bei der Urkunde vom 17. Juni 1946 um eine schenkungsweise Abtretung einer Forderung unter Lebenden oder um eine unwiderrufliche schenkungsweise Abtretung einer Forderung auf den Todesfall im Sinne des § 956 ABGB. handeln mag, so sind jedenfalls durch die Ausfertigung und Übergabe die in den §§ 427 und 943, bzw. 956, letzter Satz ABGB., geforderten Formvorschriften erfüllt, wenn die Schenkungsurkunde der Klägerin tatsächlich von Ludwig K. übergeben wurde, worüber im Verfahren vor den Untergerichten jede Erörterung unterlassen wurde.

Anmerkung

Z21159

Schlagworte

Abtretung schenkungsweise, Formvorschrift schenkungsweise Zession, Notariatsakt bei schenkungsweiser Zession, Schenkung einer Forderung auf den Todesfall, Übergabe einer Forderung durch Zeichen, Urkunde, Übergabe durch Zeichen, Zession, schenkungsweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0030OB00330.48.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19481110_OGH0002_0030OB00330_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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