Norm
Ehegesetz §57Kopf
SZ 21/151
Spruch
Die Fristen des § 57 EheG. sind materiellrechtliche Ausschlußfristen, auf die § 1 des Gesetzes vom 2. Juli 1947, BGBl. Nr. 193, Anwendung findet.
Entscheidung vom 10. November 1948, 1 Ob 741/47.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
In einem Ehescheidungsverfahren hatte das Berufungsgericht festgestellt, daß sich die beklagten Ehegattin zwar Ehebrüche zuschulden kommen ließ, daß aber diese Ehebrüche in die Zeit bis Mitte des Jahres 1936 fallen, daß daher der Scheidungsgrund des Ehebruches am 20. Juli 1946 vom Ehemann nicht mehr geltend gemacht werden könne, weil das Klagerecht in dieser Beziehung gemäß § 57, Abs. 2 EheG. infolge Ablaufes von zehn Jahren seit dem Eintritt des Scheidungsgrundes erloschen sei. Das Urteil des Berufungsgerichtes war vor Wirksamkeitsbeginn des Gesetzes vom 2. Juli 1947, BGBl. Nr. 193, gefällt worden. Nach Einbringung der Revision gegen das Berufungsurteil durch den Ehemann war dieses Gesetz in Kraft getreten.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Ehemannes stattgegeben, das Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Infolge der zwischenzeitig eingetretenen Änderung der Gesetzgebung kann der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes nicht mehr beigetreten werden, daß der Ehemann den Ehebruch der Beklagten mit X. nicht mehr als Scheidungsgrund geltend machen könne, weil die zehnjährige Frist des § 57, Abs. 2 EheG. hinsichtlich dieses Ehebruches bereits verstrichen sei. Denn kurze Zeit nach Fällung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist das Bundesgesetz vom 2. Juli 1947, BGBl. Nr. 193, kundgemacht worden und am 6. September 1947 in Kraft getreten. Diese im Laufe des Rechtsmittelverfahrens eingetretenen Änderung der Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof im Sinne wiederholter früherer Entscheidungen zu berücksichtigen, umsomehr, als in der Revision unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes geltend gemacht wird und daher das Rechtsmittelgericht - wieder im Sinne wiederholter Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes - berechtigt ist, auch eine in der Rechtsmittelschrift nicht ausdrücklich angeführte unrichtige Anwendung des Gesetzes wahrzunehmen.
Durch das erwähnte Gesetz ist die Rechtslage hinsichtlich des Ablaufes der Frist nach § 57, Abs. 2 EheG. völlig geändert worden. Nach § 1 dieses Gesetzes kann ein Recht trotz Ablaufes der für die Geltendmachung im gerichtlichen Verfahren vorgeschriebenen Frist noch bis 30. Juni 1948 geltend gemacht werden, wenn die Frist nach dem 31. Dezember 1945 abgelaufen ist. Um ein solches Recht handelt es sich hier hinsichtlich der Geltendmachung des Ehebruches der Gattin in diesem Scheidungsverfahren. Die im § 57 EheG. angeführten Frist sind materiellrechtliche Ausschlußfristen - nicht (wie die Revision meint) Verjährungsfristen -, die unter die Bestimmung des § 1 des erwähnten neuen Gesetzes fallen und von Amts wegen wahrgenommen werden müssen (siehe auch Volkmar - Antoni zu § 57 EheG.).
Anmerkung
Z21151Schlagworte
Ausschlußfrist des § 57 EheG., Einfluß des FristenG., Ehescheidungsgrunde, Einfluß des FristenG., Fristengesetz Verhältnis zu § 57 EheG., Gesetzesänderung, Berücksichtigung im Rechtsmittelverfahren, Präklusivfrist des § 57 EheG., Einfluß des FristenG., Scheidungsgrunde, Einfluß des FristenG., Verjährte- Rechte-Gesetz im Verhältnis zu § 57 EheG.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00741.47.1110.000Dokumentnummer
JJT_19481110_OGH0002_0010OB00741_4700000_000