TE OGH 1948/11/24 1Ob366/48

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Veröffentlicht am 24.11.1948
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Norm

Sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §1
Sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §13
Sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §14
Sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §19
EO §382
EO §402
Reichszivilprozeßordnung §627
Reichszivilprozeßordnung §627c

Kopf

SZ 21/161

Spruch

Gegen eine vom Prozeßgericht erlassene Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 19 der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz ist der Rekurs zulässig.

Entscheidung vom 24. November 1948, 1 Ob 366/48.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Zwischen den Streitteilen ist Klage und Widerklage wegen Ehescheidung anhängig.

In ihrer Klage hat die Klägerin auch den Antrag gestellt, ihr den abgesonderten Wohnort in der Weise zu bewilligen, daß dem Beklagten aufgetragen werde, die von ihm benützte, jedoch der Klägerin gehörige Wohnung und Werkstätte im Hause A. Nr. 13, bestehend aus Küche und Zimmer sowie Werkstattraum, zu räumen. Später änderte sie ihren Antrag dahin, daß ihr der abgesonderte Wohnort in der Weise bewilligt werde, daß dem Beklagten aufgetragen werde, in die Küche zu ziehen und die Werkstatt, sowie das Zimmer ihr zur ausschließlichen Benützung zu überlassen.

Der Beklagten hat die Abweisung des Antrages begehrt, jedoch seine Einwendungen eigentlich nicht gegen den abgesonderten Wohnort an sich, sondern nur gegen die Art der Durchführung erhoben.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt wurde der Antragstellerin der abgesonderte Wohnort bewilligt.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Rekurs ergriffen.

Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht hat den Rekurs als unzulässig verworfen. In den Gründen wird unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 17. April 1948, 2 Ob 36/48, darauf verwiesen, daß die Verfügung gemäß dem § 19 der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz erflossen sei, wogegen ein Rechtsmittel nicht zulässig sei; dies ergebe sich aus der Erwägung, daß auch im außerstreitigen Verfahren, welches die endgültige Regelung der Benützung der ehelichen Wohnung und des ehelichen Hausrates zum Ziele habe, der Richter gemäß dem § 13, Abs. 4 einstweilige Verfügungen treffen könne, welche aber unanfechtbar seien, weil § 14, erster Satz den Rekurs nur gegen die Endentscheidung des Bezirksgerichtes zulasse.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug ihm auf, in der Sache zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Die 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 21. Oktober 1944, DRGBl. I S. 56, regelt die Auseinandersetzung geschiedener Eheleute über die eheliche Wohnung und den Hausrat, über die im bisherigen Recht keine besonderen Vorschriften bestanden, die aber infolge des Krieges und der durch ihn hervorgerufenen Verknappung des Wohnraumes und der Schwierigkeiten der Beschaffung von Möbeln und sonstigem Hausrat besonders wichtig, aber auch schwierig geworden war.

Nach der bisherigen Rechtslage konnte die Gemeinschaft der geschiedenen Ehegatten an Wohnung und Hausrat nur im Prozeßwege gelöst werden. Nach den hiebei gemachten Erfahrungen hatte es sich gezeigt, daß für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen dieser Art das Außerstreitverfahren geeigneter ist als das Prozeßverfahren. Demgemäß hat die angeführte Verordnung im § 1, Abs. 2 ausgesprochen, daß die Streitigkeiten, welche sich nach der Scheidung der Ehe darüber ergeben, welcher von den Ehegatten die Ehewohnung künftig bewohnen und wer die Wohnungseinrichtung und den sonstigen Hausrat erhalten soll, ausschließlich nach den Vorschriften dieser Verordnung behandelt und entschieden werden sollen, wobei das Verfahren gemäß dem § 13 der Verordnung eine Angelegenheit der außerstreitigen Gerichtsbarkeit bildet. Hiebei werden gemäß § 14 der Verordnung die Rechtsmittel dahin eingeschränkt, daß eine Beschwerde lediglich gegen die Endentscheidung zulässig ist; bei einer Entscheidung über den Hausrat überdies nur dann, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 RM (Schillinge) übersteigt oder wenn das Gericht wegen der tatsächlichen oder rechtlichen Bedeutung der Sache die Beschwerde in seiner Entscheidung zugelassen hat. Da nun das Bedürfnis, die Benützung der Ehewohnung oder des Hausrates "einstweilen" zu regeln, schon auftreten kann, während der Eherechtsstreit noch schwebt, soll der Prozeßrichter auf Antrag über den bisherigen durch die §§ 627 und 627 c der RZPO., bzw. den § 382 der österreichischen Exekutionsordnung gegebenen Rahmen hinaus einstweilige Anordnungen auch in bezug die Ehewohnung und den Hausrat treffen können; eine derartige Anordnung soll, falls die Ehe durch Urteil aufgelöst wird, so lange wirksam bleiben, bis sie durch eine Entscheidung nach den Vorschriften der 6.

Durchführungsverordnung zum Ehegesetz ersetzt wird.

Daß eine solche Anordnung auch der durch den § 14 der zitierten Verordnung getroffenen Einschränkung des Rechtszuges in bezug auf jene Rechtsmittel unterliegt, die in der österreichischen Exekutionsordnung gegen einstweilige Verfügungen vorgesehen sind (§ 402 EO.), ist aber dem Wortlaute des § 19 dieser Verordnung nicht zu entnehmen. Gerade aus dem Umstande, daß dort lediglich der § 382 EO., der die Sicherungsmittel - und zwar beispielsweise - aufzählt, die das Gericht nach Beschaffenheit des im einzelnen Falle zu erreichenden Zweckes anordnen kann, bezogen wird, ist zu schließen, daß der § 19 der Verordnung die im § 382 EO. enthaltene Aufzählung der Sicherungsmittel durch die Aufnahme von Anordnungen über die Wohnung und den Hausrat erweitern wollte, ohne im übrigen in die österreichische Exekutionsordnung einzugreifen.

Daß an die Unanfechtbarkeit der einstweiligen Verfügungen gemäß dem § 19 der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz nicht gedacht war, ergibt sich aus daraus, daß im § 19, Abs. 1 die Anwendung des § 627 RZPO. ohne Einschränkung angeordnet ist, obwohl § 627, Abs. 4 RZPO. die Anfechtbarkeit der einstweiligen Verfügungen in Ehesachen besonders regelt. Die im Jahre 1944 geltenden Rechtsmittelbeschränkungen durch Kriegsvorschriften (Dritte Vereinfachungsverordnung vom 16. Mai 1942, DRGBl. I S. 333) sprechen nicht gegen diese Auffassung, da diese nur vorübergehend wirksam sein sollten, während der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz nicht nur vorübergehende Geltung zukommen sollte.

Die einstweiligen Verfügungen nach § 19 der vorgenannten Verordnung unterscheiden sich aber auch sonst in wichtigen Punkten von den einstweiligen Anordnungen nach § 13, Abs. 4 dieser Verordnung. Die letzteren werden von dem selben Richter erlassen, bei dem ein Verfahren nach dem § 1 dieser Verordnung anhängig ist, und können nur für die Zeit erlassen werden, bis eine endgültige Regelung im Sinne der Verordnung vorliegt. Die einstweiligen Verfügungen werden hingegen vom Prozeßrichter, u. zw. nicht nur für die Dauer des Eheverfahrens, erlassen, sondern bleiben gemäß § 19, Abs. 2 so lange wirksam, bis eine Regelung im Sinne des § 1 dieser Verordnung vom Richter des außerstreitigen Verfahrens getroffen wird, was einen besonderen Antrag voraussetzt. Wenn kein solcher Antrag gestellt wird, können sie also tatsächlich die Bedeutung einer endgültigen Regelung erlangen. Wegen dieser wesentlichen Verschiedenheiten kann daher aus der Unanfechtbarkeit der einstweiligen Anordnungen im Sinne des § 13, Abs. 4 der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz nicht darauf geschlossen werden, daß auch die einstweiligen Verfügungen nach § 19 dieser Verordnung unanfechtbar sind. Eine einstweilige Verfügung über die Benützung der Ehewohnung und des Hausrates nach § 19 dieser Verordnung setzt auch die Bewilligung des abgesonderten Wohnortes voraus, da die Ehegatten ja ohne diese rechtlich verbunden sind, die eheliche Gemeinschaft aufrechtzuerhalten und daher Wohnung und Hausrat gemeinsam benützen. Wurde aber der abgesonderte Wohnort bewilligt und gleichzeitig die Benützung der Wohnung und des Hausrates geregelt, so wäre es ganz widersinnig, wenn nur die erstere Bewilligung unanfechtbar wäre; denn dann müßten, auch wenn diese Bewilligung vom Rechtsmittelgericht beseitigt würde, die nur zur Durchführung dieser Absonderung getroffenen Anordnungen über die Benützung der Wohnung und des Hausrates aufrechtbleiben.

Der Oberste Gerichtshofe sieht sich aus diesen Gründen veranlaßt, von der in dem angefochtenen Beschluß zitierten Entscheidung vom 17. April 1948, 2 Ob 36/48, abzugehen und auszusprechen, daß gegen die vom Prozeßgericht ergangene Entscheidung über den Antrag auf eine einstweilige Anordnung nach § 19 der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz das Rechtsmittel des Rekurses zulässig ist.

Es war daher dem Revisionsrekurse Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Oberlandesgerichte Graz als Rekursgericht aufzutragen, sich der Beschlußfassung über den gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Juni 1948, 14 Cg 37/48, erhobenen Rekurs zu unterziehen.

Anmerkung

Z21161

Schlagworte

Anordnung, einstweilige (§ 19 der 6. DVzEheG.), Rekurs gegen, Entscheidung des Prozeßgerichtes, einstweilige Anordnung (§ 19 der 6. DVzEheG.), Rekurs gegen, Entscheidung des Prozeßgerichtes, Rekurs gegen Entscheidung des Prozeßgerichtes über Antrag auf, einstweilige Anordnung nach § 19 der 6. DVzEheG., Verfügung einstweilige, nach § 19 der 6. DVzEheG., Rekurs gegen, Entscheidungen des Prozeßgerichtes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00366.48.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19481124_OGH0002_0010OB00366_4800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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