Norm
ABGB §26Kopf
SZ 21/160
Spruch
Zulässigkeit der Bestellung eines Kurators für das Vermögen eines behördlich aufgelösten Vereines.
Die Verwertung und Verteilung des ehemaligen Vereinsvermögens nach den statutarischen Vorschriften obliegt dem Kurator nach § 276 ABGB. unter Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes.
Kein Rekursrecht eines Dritten gegen die Aufhebung des Beschlusses des Rekursgerichtes, womit der Kurator des Vermögens eines aufgelösten Vereines ermächtigt wurde, einem anderen einzelne Sachen unentgeltlich zu überlassen.
Entscheidung vom 24. November 1948, 1 Ob 259/48.
I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich vom 2. Juli 1947, Z. 7390/1 5 D, wurde der Männergesangverein H. gemäß § 24 VereinsG. aufgelöst, weil in den Statuten nationalsozialistisches Gedankengut enthalten sei und der Verein den Bedingungen seines rechtlichen Bestandes daher nicht mehr entspreche. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 4. Dezember 1947, P 642/47-4a, wurde Rudolf H. gemäß § 276 ABGB. zur Sicherung des Vermögens des aufgelösten Männergesangvereines H. zum Kurator bestellt.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes vom 9. Juni 1948, P 642/47-7, wurde der obengenannte Kurator H. ermächtigt, das vorhandene Klavier dem Arbeiter-Gesang- und Musikverein H., das übrige Inventar dem Musikverein H. unter näher ausgeführten Bedingungen zu überlassen. Dieser Beschluß wurde vom Musikverein H. angefochten, insoweit der Kurator ermächtigt wurde, das zum Vermögen des aufgelösten Vereines gehörige Klavier dem Arbeiter-Gesang- und Musikverein H. zu überlassen. Der Rekurswerber beantragte, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Musikverein H. auch das Klavier aus dem Vermögen des aufgelösten Männergesangvereines zugewiesen werde.
Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluß als nichtig aufgehoben, weil das Kuratelsgericht nicht befugt sei, über das Vereinvermögen eine Entscheidung zu treffen.
Dieser Beschluß wurde vom Kurator H. und vom Musikverein H. angefochten.
Der Oberste Gerichtshof hat den Revisionsrekurs des Musikvereines H. als unzulässig zurückgewiesen und dem Rekurs des Kurators des aufgelösten Männergesangvereines Folge gegeben und den angefochtenen Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten aufgehoben.
Rechtliche Beurteilung
Begründung des Obersten Gerichtshofes:
Der Rekurs des Musikvereines H. ist unzulässig und war daher zu verwerfen. Ein Rekursrecht im Sinne des § 9 AußstrG. steht nur derjenigen zu, dessen rechtlich geschützte Interessen durch den angefochtenen Beschluß beeinträchtigt worden sind. Da der Musikverein H. keinen Anspruch darauf hat, daß gerade ihm Gegenstände aus dem aufgelösten Vereinsvermögen überlassen werden, so steht ihm ein Beschwerderecht dagegen, daß ihm das fragliche Klavier nicht überlassen wurde, ebensowenig zu wie dem Kontrahenten eines Minderjährigen gegen die Nichtgenehmigung des Vertrages durch das Vormundschaftsgericht des Minderjährigen oder gegen die Aufhebung des Genehmigungbeschlusses durch das Rekursgericht.
Die Ermächtigung zur Verfügung über das Vermögen des ausgelösten Vereines durch das Kuratelgericht ist eine interne Angelegeheit zwischen dem Kurator und der Pflegschaftsbehörde. Auch aus der erfolgten Ermächtigung zu einer Verfügung kann der Dritte keinerlei Rechte ableiten. Er kann sich folgerichtig daher auch nicht beschweren, wenn das Rekursgericht die erteilte Ermächtigung von Amts wegen kassiert, wie es bezüglich derjenigen Sachen der Fall ist, hinsichtlich deren das Erstgericht den Kurator ermächtigt hat, sie dem Musikverein H. zu überlassen.
Dagegen ist der Rekurs des Kurators begrundet.
Das Rekursgericht geht von der Annahme aus, daß der Männergesangverein dem § 1 VerbotsG. unterliege, weil er aus dem Gründe aufgelöst worden ist, weil seine Satzungen nationalsozialistisches Gedankengut vertreten. Diese Auffassung ist rechtsirrig. § 1 VerbotsG. bezieht sich nur auf die Parteiorganisationen selbst, nicht aber auf freie Vereine, die die Förderung nationalsozialistischen Gedankengutes zum Vereinszweck erhoben haben. Die ersterwähnten Organisationen sind kraft Gesetzes durch die Erlassung der Verbotsgesetze aufgelöst worden, während die letzterwähnten nur durch eine besonderen behördlichen Akt im Sinne des § 24 VereinsG. zur Auflösung gebracht werden können. Nur das Vermögen der Parteiorganisationen ist der Republik nach § 1, Abs. 2 VerbotsG. verfallen und unterliegt nach § 2, Abs. 1, Z. 1, lit. b des Ges. BGBl. Nr. 56/46, der Erfassung, Sicherung, Verwaltung und Verwertung durch das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, während das Vermögen des durch Verwaltungsakt aufgelösten Vereines den allgemeinen Rechtsnormen über das Vermögen aufgelöster Vereine unterworfen ist.
Der Oberste Gerichtshof kann sich auch der Anschauung des angefochtenen Beschlusses nicht anschließen, daß es Sache der Verwaltungsbehörde sei, über das Vermögen eines aufgelösten Vereines Verfügungen zu treffen.
Die Lösung der gestellten Fragen zerfällt in zwei Teilprobleme:
1. Welcher Rechtsnorm unterliegt das Vermögen eines aufgelösten Vereines?
2. Welcher Behörde obliegt die Durchführung der ad I festgestellten Verteilungsordnung?
ad I: Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch kennt den terminus technicus "Verein" nicht (vgl. I g n. M. Wilderer v. Maithstein, Lexikon sämtlicher Worte des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches 1843, s. u. "Verein"). Er taucht in der Gesetzessprache erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf, besonders in den Vereinsgesetzes von 1852 und 1867 sowie deren Vorläufern von 1843 und 1849 (erstmalig gebraucht im Hofkanzleidekret vom 3. Jänner 1817, pol. GS. 45, S. 18, über die Bildung von Frauenvereinen zur Beförderung des Guten und Nützlichen). Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch gebraucht nur den Ausdruck "Gesellschaft" (insbesondere §§ 26, 1175 ABGB.). Nach der Auffassung der Redaktoren war jede Gesellschaft eine "moralische Person" (vgl. Zeiller 1 zu § 26 ABGB.). Sie unterscheiden scharf zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis. Nach außen sollten die allgemeinen Grundsätze wie für Einzelpersonen gelten; das innere Rechtsverhältnis, d. h. die "Beziehungen der Gesellschaft gegen die einzelnen Glieder, dieser gegen das Ganze und der einzelnen unter sich", werde teils aus den ausdrücklichen Vertragsbedingungen - wir sprechen heute von Statuten oder Satzungen -, teils (beim Mangel solcher) aus dem Zwecke, wozu man sich verbunden hat, teils aus den besonderen (öffentlichen), für selber bestehenden Vorschriften bestimmt (Zeiller 2 zu § 26 ABGB.). Die Regelung der Vermögensrechte wurde dem inneren Gesellschaftsrechte zugerechnet (Zeiller: Das natürliche Privatrecht, 163). Da die gesellschaftliche Bindung nur der Erfüllung der gesellschaftlichen Zwecke dient, so folgt daraus, daß im Falle der Auflösung der Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen, wenn die Gesellschaft nicht anders darüber verfügt hat, den Gesellschaftern zufällt. Das ergibt sich insbesondere aus § 1215 ABGB., der wie alle anderen Bestimmungen des 27. Hauptstückes auch auf Nichterwerbsgesellschaften analog anwendbar ist, sofern nicht aus dem Statut oder dem Zwecke, dem die Gesellschaft zu dienen bestimmt war, etwas anderes sich ergibt.
Nach dem System des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ist daher für ein Heimfallsrecht des Staates überhaupt kein Raum. Das Schicksal des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich nach rein zivilrechtlichen Gesichtspunkten.
Ein Rechtssatz, daß im Falle der Auflösung einer Gesellschaft das Vereinsvermögen als herrenloses Gut dem Staat anheimfällt, kann daher dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch nicht entnommen werden. Eine solche Auffassung ist auch weder von den Redaktoren, noch von den Schriftstellern der folgenden exegetischen Periode vertreten worden. Erst Unger, System I, 346, hat in Anlehnung an die im Reiche herrschenden gemeinrechtlichen Theorien aus dem Begriff der Korporation, der in dieser scharfen Ausprägung unserem Recht immer fremd war, folgern zu können geglaubt, daß ein Vereinsvermögen, wenn vor der Auflösung nicht im Sinne der Statuten ein abweichender Beschluß gefaßt worden ist, dem Staat anheimfalle. Vor der restlosen Durchführung dieses Gedankens ist freilich auch Unger zurückgeschreckt; so hat er, um seine Theorie zu retten, dem Aktionär einer Aktiengesellschaft Gläubigerrechte an den bona vacantia der aufgelösten Gesellschaft zuerkannt, als ob die Aktionäre Gläubiger der Gesellschaft, nicht deren Mitglieder wären.
Diese Lehre Ungers wurde von der Rechtswissenschaft übernommen (z.
B. Schiffner: Lehrbuch 210; Hruza: Mischler - Ulbrich, 1. Auflage, 202; Stubenrauch, 8. Auflage, I, 73, u. a. m.). Charakteristisch für jenen reinen Dogmatismus, mit dem die Rechtstheorie diese Problem behandelt hat, ist die Auffassung von Hugelmann, Studien zum österr. Vereins- und Versammlungsrecht (1879), S. 153, der die Auffassung vertritt, das Schicksal des Vermögens eines aufgelösten Vereines hänge davon ab, ob man der Meinung sei, daß die 1867er-Vereine "Korporationen" seien oder nicht. In dem einen Fall falle das Vermögen als bonum vacans an den Staat, von dem es abhänge, ob er es als Zweckvermögen behandeln wolle, im anderen Falle treten die Mitglieder des aufgelösten Vereines in die Vermögensrechte ein.
Der Oberste Gerichtshof hat bisher niemals Gelegenheit gehabt, zur Heimfallstheorie Stellung zu nehmen, es wäre denn, man wollte aus dem Erkenntnis vom 24. Oktober 1877, GlU. 6593, vielleicht entnehmen, daß der Oberste Gerichtshof ein Heimfallsrecht negiert, weil sonst die von ihm zugelassene Klage des ehemaligen Vereinsvertreters auf Rechnungslegung nach Vereinsauflösung sinnlos wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ein einziges Mal mit diesem Problem befaßt, im Erkenntnis vom 11. Juni 1886, Budw. 3105. In diesem Erkenntnis wird wohl ein Heimfallsrecht des Staates als selbstverständlich angenommen, doch besagt dieses Erkenntnis nichts, weil der Verwaltungsgerichtshof damals zu dem Ergebnis kam, daß der in Frage stehende Verein gar nicht aufgelöst sei, so daß der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung hatte, sich mit der Frage näher zu befassen, ob ein Heimfallsrecht des Staates nach österreichischem Recht besteht.
Prazak, Rakouske pravo ustavni (Österreichisches Verfassungsrecht), III, S. 92, Anm. 72, läßt die Frage, ob ein Heimfallsrecht anzuerkennen sei, ausdrücklich offen. Krainz, System (1885), § 82, S. 302, mit gewissen Einschränkungen und insbesondere Burckhard, System des österr. Privatrechtes (1884), II, 91, haben die Ungersche Lehre abgelehnt. Burckhard beruft sich dabei auf Ihering, der diese Lehrmeinung geradezu "haarsträubend" nennt und fährt dann fort:
"Aber diese Auffassung ist bei den meisten Privatkorporationen ganz gewiß dem nach allen Regeln des gesunden Menschenverstandes anzunehmenden Willen jener, aus deren Beiträgen oder deren Tätigkeit das Vermögen stammt, geradezu diametral entgegensetzt. Es ist vielmehr", fährt Burckhard unter Berufung auf Stobbe fort, "zu präsumieren, daß bei Vereinen, welche zur Förderung des vermögensrechtlichen Interesses ihrer Mitglieder bestimmt sind, der Anfall an den Fiscus ausgeschlossen ist; auch ohne statutarische Bestimmung muß es als ihrem Wesen entsprechend angesehen werden, daß bei ihrer Auslösung das reine Vermögen unter die Einzelnen aufgeteilt wird". Was mit dem Vermögen derjenigen Vereine zu geschehen hat, die nicht der Förderung vermögensrechtlicher Interessen ihrer Mitglieder dienen, läßt Burckhard offen.
Dies hat zur Folge gehabt, daß die neuere Lehre die Ungersche Theorie vom Heimfallsanspruch des Staates auf die nicht einem Erwerbszweck dienenden Vereine beschränkt hat, während sie bei den Erwerbsvereinen Burckhard folgt (z.B.Ehrenzweig, 6. Auflage, I, 199; Wolff, bei Klang, 1. Auflage, I, 289 f.).
Diese Auffassung wird dem Begriff der moralischen Person im Sinne des § 26 ABGB. nicht gerecht. Die moralische Person ist nichts anderes als das konstruktive Mittel, welches die Zusammenfassung mehrerer Personen nach außen als einer im Rechtsverkehr stehenden Einheit ermöglicht. Im Innenverhältnis bleibt das Vereinsvermögen immer Vermögen der Gesellschafter, die darüber im Rahmen der statutarischen Bestimmungen jederzeit, soweit sie die Gesetze einhalten, frei verfügen können. Da das Vereinsvermögen ihr Vermögen ist, so muß dieses Vermögen, wenn nicht eine anderweitige statutarische, bisher nicht aufgehobene Bindung besteht, im Auflösungsfall den Gesellschaftern selbst in Analogie des § 1215 ABGB. zufallen, woran vor Unger nie jemand gezweifelt hat. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die ein Heimfallrecht des Staates vorsehen würde. Der Staat kann daher auch nicht den Gesellschaftern ihr Vermögen entziehen, nur deshalb, weil die Organisation, unter der sie nach außen als Einheit auftreten konnte, wegefallen ist. Das Vereinvermögen fällt demnach denjenigen Personen zu, die nach den Statuten eine Anwatschaft darauf haben oder denen der Verein oder sein Organ (oder dessen Stellvertreter) im Sinne der Statuten es zuweist; in Ermangelung einer solchen Verfügung oder eines solchen Anwartschaftsrechtes teilen sich die ehemaligen Mitglieder in die Masse. Diese Aufteilung erfolgt nur nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten, für den Eingriff einer Verwaltungsbehörde bleibt daher gar kein Raum.
Es bleibt daher nur noch zu untersuchen, ob sich nicht etwa aus den positivrechtlichen Vorschriften der Vereinsgesetze eine abweichende Lösung ergibt.
Nach § 4, Abs. 2, lit. i VereinsG. 1867 müssen den Vereinsstatuten die Bestimmungen über dessen Auflösung zu entnehmen sein. Dies wird dahin ausgelegt, daß die Vereinssatzungen für die Eventualität der freiwilligen Auflösung Anordnungen vermögensrechtlicher Natur treffen müssen und für die Eventualität einer behördlichen Auflösung treffen können (siehe Freund: Das in Österreich geltende Vereins- und Versammlungsgesetz, 3. Auflage (1900), S. 84). Die Meinung, daß die Statuten für den letztangeführten Fall überhaupt keine Bestimmungen treffen können, und daß in diesem Fall die Verwaltungsbehörde frei über das Vermögen des aufgelösten Vereines ohne Bindung an stattarische Bestimmungen verfügen könne, ist nur vom tschechoslowakischen Obersten Verwaltungsgericht in einem Erkenntnis vertreten worden, doch ist auch dieses Gericht nach ganz kurzer Zeit von dieser Auffassung wieder abgegangen. In der Literatur ist diese Meinung nicht nachzuweisen.
Unbestritten ist es ferner, daß im Falle der freiwilligen Vereinsauslösung die Vereinsorgane (Generalversammlung, Vorstand) die näheren Verfügungen über die Liquidierung und die Verwendung des Vereinvermögens im Rahmen der statutarischen Bestimmung zu treffen haben (Freund a. a. O.; Vaclav Dusil, s. v. "Shromazd'ovac a spolkove pravo in Slovnik verejneho pravo ceskoslovenskeko IV (1935). S. 197).
Für den Fall der behördlichen Auflösung bestimmt § 27, daß die Behörden bezüglich des Vereinsvermögens die angemessenen gesetzlichen Verfügungen einzuleiten haben. Tezner, s. z. "Vereinrecht", in Mischler - Ulbrich, Österr. Staatswörterbuch, 2. Auflage, IV (109), S. 716, nennt das "eine Aufgabe, die mangels gesetzlicher Bestimmungen über diese Vorkehrungen vorläufig nicht lösbar ist".
Die Entwicklungsgeschichte des § 27 gibt keinen Anhaltspunkt. § 27 VereinsG. 1867 ist wörtlich aus § 26 VereinsG. 1852 übernommen, das seinerseits diese Bestimmung wiederum aus dem vorangegangenen Hofdekret vom 5. November 1843, JGS. Nr. 763, und dem Kais. Pat. vom 17. März 1849, RGBl. Nr. 171, übernommen hat. Prazak, der erstmalig eine Interpretation dieser Gesetzesstelle versucht hat (in Spory o prislusnost mezi soudy a urady spravnimi - Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden II (1886), S. 86, und in Rakouske pravo ustavn (Österreichisches Verfassungsrecht) III, S. 92), meint, daß im Falle der Auflösung eines Vereines durch die Behörde diese über das Vereinsvermögen vorläufig zu verfügen, bzw. vom Gericht die Bestellung eines Kurators zu begehren habe, daß aber die endgültige Entscheidung darüber, wem das Vereinsvermögen zuzufallen habe, dem Gerichte auf Grund der Vereinsstatuten zustehe, da es sich hier um eine rein privatrechtliche Frage handle.
Von ähnlichen Gedankengängen geht Freund a. a. O., S. 176, aus, der sich am eingehendsten und klarsten mit diesem Fragenkomplex auseinandergesetzt hat. Er meint, daß sich die Verwaltungsbehörde auf die Inventierung, Sperre und Versiegelung des Vereinsvermögens zu beschränken und im übrigen nur zu sorgen habe, daß vom Gericht ein Kurator für das Vereinsvermögen bestellt werde. Da die zufolge § 27 einzuleitenden gesetzlichen Vorkehrungen nur den Zweck der einstweiligen Sicherstellung des Korporationsvermögens und nicht etwa den der Konfiskation verfolgen, so habe die Sicherstellung unbeirrt von den bei diesem Anlaß seitens der etwa an dem Vereinsvermögen interessierten Parteien auf dasselbe erhobenen Rechtsansprüchen und sonach auch unabhängig von den statutarischen, die Verfügungen über dasselbe für den Fall der Auflösung enthaltenden Anordnungen Platz zu greifen. Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung falle nicht in den Wirkungskreis der das Vermögen lediglich sicherstellenden Behörde; die Geltendmachung von Ansprüchen auf das Vermögen habe im ordentlichen Rechtwege zu geschehen. Hinzugefügt sei, daß Freund kleinere Vereinvermögen, die zur Deckung der mit der Kuratelbestellung verbundenen Kosten augenscheinlich nicht ausreichen würden, als administratives Deposit behandeln will.
Die übrige Literatur zum § 27 VereinsG. beschränkt sich auf die allgemeine Bemerkung, daß es der politischen Behörde obliegt, im Falle der Auflösung eines Vereines die Sicherstellung, provisorische Verwahrung und allfällige provisorische Verwaltung des Vereinsvermögens vorzunehmen, daß aber diese mittlerweiligen Vorkehrungen zum Schutz des Vermögens eines aufgelösten Vereines etwaigen Ansprüchen hinsichtlich eines solchen Vermögens nicht präjudizieren. Diese Ansprüche gehören vor die ordentlichen Gerichte (so z. B. Radler: Wie grunde und führe ich einen Verein? (1930). Dusil a. a. O., S. 197; ähnlich auch Ulbrich, Lehrbuch 414).
Der Verwaltungsgerichtshof hat vor mehr als 60 Jahren in einem ganz ähnlichen Fall wie dem, der jetzt dem Obersten Gerichtshof vorliegt, zu dem hier in Frage stehenden Problemenkreis Stellung genommen. Nach der amtswegigen Auflösung des Bregenzer Arbeitebildungsvereines war von der Behörde nach § 25 der Statuten die Übergabe des Vereinsvermögens an das Bregenzer Gesellenspital verfügt worden. Dagegen beschwerte sich der Allgemeine Arbeiterverein in Bregenz und machte seinerseits Ansprüche auf Übergabe dieses Vermögens geltend. Das Ministerium wies diesen Anspruch unter Berufung auf § 27 VereinsG. ab. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte sich für unzuständig mit der Begründung, daß der Umstand, daß das Ministerium das Begehren des Beschwerdeführers abgewiesen hat, an der Inkompetenz des Verwaltungsgerichtshofes darum nichts ändere, weil nach § 27 VereinsG. die Behörden im Falle behördlicher Vereinsauflösung nur mittlerweile Vorkehrungen zum Schutze des Vermögens eines ausgelösten Vereines einzuleiten berufen sind, welcher Fall hier nicht zutrifft. Der Verwaltungsgerichtshof kommt zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde Eigentumsansprüche an ein bestimmtes Vermögen geltend macht, welche auf die statutarischen Dispositionen des aufgelösten Vereines basiert werden undeerklärt sich daher für unzuständig, weil diese Ansprüche zur Kompetenz der ordentlichen Gerichte gehören (B. vom 23. Februar 1880, Exel: Das Verfahren vor dem k. k. Verwaltungsgerichtshofe (1885), Nr. 194). Der Verwaltungsgerichtshof wollte damit offenbar sagen, daß die Verwaltungsbehörde gar nicht berechtigt gewesen sei, über das Vermögen des aufgelösten Vereines endgültige Verfügungen zu treffen, daß der Verwaltungsgerichtshof aber dazu keine meritorische Stellung nehmen könne, weil dem Beschwerdeführer, wenn überhaupt, so nur ein vor dem Gerichte verfolgbarer Anspruch zustehe, über den der Verwaltungsgerichtshof daher nicht zu entscheiden habe.
An diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes scheinen sich seither die Verwaltungsbehörden im wesentlichen gehalten zu haben. Vgl. z. B. den Erlaß der nö. Statthalterei vom 15. September 1903, Z. 69525, abgedruckt bei Dehmal, Österr. Polizeigesetzgebung, S.
676.
Wie aus dem Akte des Präsidiums des ehemaligen k. k. Ministeriums des Innern, Z. 8668/1916, betreffend Verwendung des Vermögens behördlich aufgelöster Vereine ersichtlich ist, hat sich das Ministerium des Innern bereits im Jahre 1897 unter Z. 6564/MI an das Justiz- und Finanzministerium wegen Auslegung des § 27 des Vereinsgesetzes gewendet.
Das Justizministerium nahm den Standpunkt ein, daß § 27 VereinsG. 1867 keine eigentliche Kompetenznorm enthalte, daß er also die politischen Behörden nicht zu Verfügungen irgendwelcher Art hinsichtlich des Vereinsvermögens ermächtigt, die nach anderen Gesetzen dem Wirkungskreis anderer Behörden zugewiesen sind, daß vielmehr die den politischen Behörden hier vorgezeichnete Aufgabe sich in der Vorsorge dahin erschöpfe, daß die betreffenden Verfügungen von der Kompetenzbehörde getroffen werden können. Nur so könnte der Auftrag des Gesetzes, die Vorkehrungen einzuleiten, verstanden werden. Soweit es sich um Vorkehrungen handle, die gesetzlich in den Wirkungskreis anderer Behörden fallen, werde also der Vorschrift des § 27 durch die Mitteilung der erfolgten Auflösung an die betreffende Behörde entsprochen sein. Der vorzitierte Paragraph enthalte aber nicht nur keine Kompetenzvorschrift, sondern auch keine meritorische Vorschrift über die hinsichtlich des Vereinsvermögens zu treffenden Verfügungen. Der Hinweis auf die "angemessenen gesetzmäßigen" Vorkehrungen, die von der politischen Behörde einzuleiten sind, lasse wohl klar erkennen, daß damit keine für alle Fälle gleichmäßig in Anwendung zu bringende Norm aufgestellt werde und daß es vielmehr der Beurteilung der Behörde nach Lage des einzelnen Falles überlassen werden sollte, welche Vorkehrungen zu treffen seien.
Das Finanzministerium interpretierte die Bestimmung des § 27 VereinsG. dahin, daß die Verwaltungsbehörde, sobald sie einen Verein aufgelöst hat, bezüglich des Vermögens solcher Vereine innerhalb der gesetzmäßigen Grenze die ihr angemessen erscheinenden Vorkehrungen überhaupt zu treffen habe. Hiebei sei ihr nur die naturgemäß aus ihrem Wesen als Administrativbehörde sich ergebende gesetzliche Schranke gezogen, daß sie privatrechtlichen Ansprüchen in keiner Richtung präjudiziere, daher in jedem Falle, in welchem die eigentliche Rechtslage bezüglich des Vereinsvermögens unbekannt oder strittig sei, die Entscheidung im Wege der Veranlassung der Bestellung eines Kurators dem ausländischen Gerichte überlassen müsse. In jenen Fällen aber, in welchen die Lösung der Frage der Sukzession in das Vereinsvermögen, sei es infolge genügender statutarischer, bzw. statutengemäß gültiger Verfügungen des aufgelösten Vereines, sei es in Fällen, in welchen es von vorneherein klar gegeben erscheine, oder in welchen die diesbezüglich aufgetauchten Zweifel durch die rechtskräftige Ablehnung des Kuratelsbestellungsansuchens seitens der Gerichte als nicht begrundet anzusehen sind, wird die Vereinsbehörde auf Grund ihrer Kompetenz aus dem § 27 VereinsG. das Vereinsvermögen dem Anspruchberechtigten ausfolgen und hiemit die Angelegenheit finalisieren. Solche Fälle, in denen das Vorhandensein unbekannter Gläubiger oder Vermögensnachfolger im vorhinein mit aller Bestimmtheit als ausgeschlossen angesehen werden kann, dürfte freilich nach der Meinung des Finanzministeriums in der Praxis selten sein.
Das Ministerium des Innern selbst nahm den Standpunkt ein, daß nach § 27 des Vereinsgesetzes die politischen Behörden im Falle der behördlichen Vereinsauflösung lediglich mittlerweilige Vorkehrungen zum Schutze des Vermögens eines aufgelösten Vereines einzuleiten berufen seien. Über die Berechtigung des Anspruches auf das Vermögen eines aufgelösten Vereines zu entscheiden, komme dem ordentlichen Gerichte zu, weil es sich um Eigentumsansprüche an ein bestimmtes Vermögen handle, welche auf die statutarischen Dispositionen des aufgelösten Vereines basiert werden. Diese Auffassung des Ministeriums des Innern finde ihre Bestätigung in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Entscheidung vom 23. 2. 1880, Z. 179). Die Verwaltungsbehörden seien in erster Linie berufen, öffentliche Interessen wahrzunehmen; auch für das Vereinsrecht gelte der Grundsatz, daß die privaten Rechtsverhältnisse eines Vereines sich der Ingerenz der Administrativbehörden entziehen. Den öffentlichen Interessen sei mit der Auflösung eines der bestehenden Ordnung entgegenhandelnden Vereines vollauf gedient. Falls nun die Administrativbehörden berechtigt werden sollten, ein Vereinsvermögen einem anspruchsberechtigten Anwärter zuzuweisen, so würde eine solche Verfügung wenigstens indirekt den Ausspruch über private Rechte enthalten, sie setze jedenfalls die Prüfung bestehender Privatrechtsverhältnisse voraus. Eine solche Beurteilung falle aber in der Regel nicht in den Wirkungskreis der Administrativbehörden. Eine derartige Administrativverfügung würde auch immer wieder der Korrektur der Gerichtsbehörden unterliegen, denn die Zuweisung eines Vereinsvermögens habe oft die Geltendmachung einer Reihe rein privatrechtlicher Ansprüche im Gefolge, welche der Judikatur der ordentlichen Gerichte unterliegen. Es sei kein Zweifel, daß derartige Eigentums- oder obligatorische Ansprüche im Hinblicke auf die im Zivilrechte geltenden Verjährungsfristen auch nach langer Zeit noch durch ein richterliches Urteil eine Lösung finden könnten, welche die Administrationsverfügungen illusorisch machen.
Mit diesen klaren und überzeugenden Ausführungen des seinezeitigen k. k. Ministeriums des Innern steht es freilich im Widerspruche, daß nach dem bei Dehmal und Dressler, Handbuch des Polizei- und Verwaltungsrechtes II, 1, S. 375, Nr. 514, abgedruckten Erlasse des Ministeriums des Innern vom 7. Juni 1916, Zl. 11240/MI, das Innenministerium im Abgehen von seinem früheren Standpunkt verfügt haben soll, im Falle der behördlichen Auflösung eines Vereines sei das Vermögen sicherzustellen und hievon sowohl dem Bezirksgerichte als auch der Finanzprokuratur die Anzeige zu erstatten. Dem Bezirksgerichte obliege die Bestellung eines Kurators zum Zwecke der Verwaltung des Vereinsvermögens. Die Entscheidung darüber, welchem zwecke das Vereinsvermögen zugewendet werden soll, sei aber Aufgabe der politischen Behörde. Welche Gründe das Ministerium des Innern zur Änderung seines Standpunktes veranlaßt haben, konnte nicht festgestellt werden, da der Akt Zl. 11240/MI laut Erhebungen beim Östereichischen Staatsarchiv derzeit noch verlagert und nicht greifbar ist.
Wie bei der Polizeidirektion Wien und beim Bundesministerium für Inneres festgestellt wurde, wird der Erlaß vom 7. Juni 1916 seit mindestens 25 Jahren nicht mehr gehandhabt. Der Erlaß ist auch in keines der jetzt gangbaren Handbücher des Vereinsrechtes aufgenommen worden, z. B. insbesondere nicht in die von Dehmal bearbeitete österr. Polizeigesetzgebung (Ausgabe Staatsdruckerei), was beweist, daß die Praktiker des Vereinsrechtes den Erlaß ebenfalls als überholt angesehen haben.
Daß auch der Gesetzgeber diesen Standpunkt des Erlasses vom 7. Juni 1916 nicht teilt, ergibt sich insbesondere aus § 9, Abs. 1 des Vereins-Reorganisationsgesetzes, StGBl. Nr. 102/45, der bis Ende 1946 die Vereinsbehörde für berechtigt erklärte, für das Vermögen von nach § 24 VereinsG. oder § 8, Abs. 3 Vereins-ReorganisationsG. aufgelösten Vereinen einen Liquidator zu bestellen und diesem Weisungen über die Verwertung des Vereinsvermögens zu erteilen. Diese Liquidatoren waren hiebei an die in den Statuten enthaltenen Vorschriften über die Auflösung (Liquidation) nicht gebunden, hatten jedoch hinsichtlich der Verwertung des Vereinsvermögens das Einvernehmen mit jenen Staatsämtern, in deren Wirkungskreis der aufgelöste Verein seinem Zweck nach fällt, herzustellen und das Vermögen dem statutengemäß erlaubten Zweck und, sofern dies nicht möglich ist, verwandten Zwecken oder, wenn auch dies nicht möglich ist, allgemeinen Fürsorgezwecken zuzuführen. Nach § 9, Abs. 2 des bez. Gesetzes hatten diese Bestimmungen am 31. Dezember 1946 außer Kraft zu treten und sollten an ihre Stelle sodann wieder die Bestimmungen des § 27 VereinsG. treten. Da eine Verlängerung nicht erfolgt ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß heute nunmehr das bloß vorübergehend eingeführte Recht der Verwaltungsbehörde, Verfügungen über das Vermögen aufgelöster Vereine zu treffen, nicht mehr besteht.
Zu demselben Ergebnis kommt auch das Bundesministerium für Inneres in seinem vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes mit Erlaß vom 6. August 1947, Zl. 50364, gebilligten Erlaß vom 29. Juli 1947, Zl. 89629-4/47, in dem ausgeführt wird, daß nach § 27 des Vereinsgesetzes bei Vereinsauflösungen bezüglich der vorhandenen Vermögen von den Behörden die angemessenen gesetzlichen Vorkehrungen einzuleiten sind. "Nach h. a. Ansicht müssen sich" sagt der Erlaß, "diese Vorkehrungen auf bestehende Gesetze grunden. Bis zur Erlassung des Vereinsreorganisationsgesetzes waren die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung, wonach für eine vorhandenes Vermögen eines aufgelösten Vereines von dem zuständigen Gerichte die Bestellung eines Kurators ersucht werden konnte, die einzige Möglichkeit für derartige gesetzliche Vorkehrungen. Das Vereinsreorganisationsgesetz hat mit § 9 die Möglichkeit der Bestellung von Liquidatoren für das vorhandene Vermögen aufgelöster Vereine gegeben. Eine solche Maßnahme kann zur Zeit nicht getroffen werden, da die Wirksamkeit des § 9 des Vereins-Reorganisationgesetzes am 31. Dezember 1946 abgelaufen ist. Für die h. a. Ansicht spricht auf die Ausdrucksweise des § 27 VereinsG., da dieser Paragraph nur von "Vorkehrungen" spricht, die von den Behörden bezüglich des Vereinsvermögens "einzuleiten" sind." Das Bundesministerium für Inneres hat daher den Vorgang einer Unterbehörde, die das Vermögen eines ausgelösten Vereines einem anderen Verein zuweisen wollte, als mit den bestehenden Gesetzen nicht vereinbar erklärt.
Mit dieser Auffassung der obersten Verwaltungsbehörde steht freilich der Erledigung der Obersten Rückstellungskommission vom 29. Mai 1948, Rkv 64/48, EvBl. Nr. 556, in Widerspruch, die es als einer näheren Begründung nicht bedürftig erachtet, daß im Falle der Auflösung eines Vereines bei der Verwaltungsbehörde eine Verfügung erwirkt werden kann, wonach im Sinne der Statuten eines aufgelösten Vereines einem Dritten das Vermögen des aufgelösten Vereines zugewiesen werden kann. Nach der dargelegten Praxis der Verwaltungsbehörden dürfte freilich ein solcher Schritt keinen Erfolg versprechen.
Zu dem gleichen Ergebnis wie die hier dargelegte österreichische Praxis ist auch nach einigem Schwanken die Judikatur des tschechoslowakischen Obersten Verwaltungsgerichtes gelangt.
Das älteste einschlägige Erkenntnis vom 12. Jänner 1922, Boh. 1112 (Adm.), besagt nicht mehr, als daß die Anordnung der Verwahrung des Vermögens eines aufgelösten Vereines zur Sicherung einer Einhaltung des verfügten Verbotes einer weiteren Tätigkeit dieses Vereines bloß als eine provisorische Maßnahme anzusehen sei, die der Entscheidung über etwaige Eigentumsansprüche auf dieses Vermögen keineswegs präjudiziere und daher nicht als gesetzwidrig angesehen werden könne.
Bedeutsamer ist das Erkenntnis vom 21. Dezember 1922, Boh. 1772 (Adm.), das im Widerspruch mit der im Schrifttum herrschenden Meinung die Auffassung vertrat, daß die Behörde berechtigt sei, über das Vermögen eines behördlich aufgelösten Vereines nach Willkür, ohne an die Statutenbestimmungen gebunden zu sein, zu verfügen, und daß daher jede Statutenbestimmung, die für den Fall der behördlichen Vereinsauflösung Vorsorge trifft, unzulässig sei.
Das tschechoslowakische Oberste Verwaltungsgericht hat aber an dieser Auffassung nicht festgehalten; in der Sitzung des Fachplenums vom 26. Jänner 1925, Präs. 1599/24, Boh. CCXXXIV, wurde der Rechtssatz beschlossen, daß die Statutenbestimmung eines 1867er-Vereines, wonach im Falle der behördlichen Auflösung das Vereinsvermögen einem anderen bestimmten Verein oder einer Gemeinde zufallen solle, nicht unzulässig sei.
Aus dem auf Grund dieses Plenarbeschlusses ergangenen Erkenntnisse vom 12. Februar 1925, Boh. 4405 (Adm.), seien nachstehende Ausführungen, die für die Entscheidung des gegenständlichen Rechtfalles von Bedeutung sind, angeführt: "§ 27 sollte nach Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichtshofes nicht etwa das Recht und die Pflicht der Behörden festsetzen, über das Vermögen des aufgelösten Vereines in dem Sinne definitiv zu disponieren, daß sie dessen künftigen Zweck bestimmen dürften oder zu bestimmen hätten, sondern diese Norm respektiert logischerweise nur die Tatsache, daß es sich um die behörliche Auflösung des Vereines handelt, also um die plötzliche Aufhebung seiner Existenz, welche es unmöglich macht, daß, da das satzungsgemäß berufene Vereinsorgan sodann nicht mehr vorhanden ist, dieses über das Vereinsvermögen wie immer gültig verfüge und sich daher auch nur um dessen ordentliche Sicherstellung kümmere, wie dies eine freiwillige Auflösung eines Vereines ermöglicht. Es war daher ganz am Platz, wenn das Gesetz im § 27 bestimmte, daß die Behörden für den Fall der behördlichen Auflösung eines Vereines gleichzeitig eine entsprechende gesetzliche Verfügung hinsichtlich des Vereinsvermögens zu treffen haben. Was die Behörden gemäß § 27 aus diesem Gründe veranlassen sollen, bestimmt das Vereinsgesetz natürlich nicht; genügt doch der Hinweis auf die zuständigen Gesetze. Zu diesem gehört auch § 276 ABGB., demzufolge - wenn dies den ergebenen Verhältnissen nach für angemessen erachtet wird - die Behörden dem Gerichte die Bestellung eines Kurators vorschlagen, damit sich dieser unter der Kontrolle des Gerichtes vor allem um die Ordnung der finanziellen Angelegenheiten des aufgelösten Vereines kümmere (der Aktiven und Passiven). Das verbliebene Reinvermögen ist sodann entweder dem durch die Statuten Bezeichneten auszufolgen oder ist, wenn die Statuten eine solche Bestimmung nicht enthalten, als Depositum aufzubewahren, das im Sinne der Hofdekrete von 1802 und 1842 als kaduk dem Staate zufällt, wenn sich kein hierzu Berechtigter meldet. In einfacheren Fällen wird der Vorschlag zur Bestellung eines Kurators nicht einmal notwendig sein. Daß im § 27 VereinsG. die endgültige Entscheidung über das Schicksal des Vereinsvermögens nicht in die Hände der Verwaltungsbehörden gelegt ist, ergibt sich schließlich schon aus der Stilisierung des zitierten zweiten Satzes diese Paragraphen, welcher diesen Behörden nur zur Pflicht macht: "... die ... angemessenen gesetzmäßigen Vorkehrungen einzuleiten", Worte, die selbstverständlich bezeichnen, daß es sich nur um Vorkehrungen formeller Art, keineswegs aber um meritorische Entscheidungen über das Vereinsvermögen handelt. Wenn es in der Absicht des Gesetzgebers gelegen gewesen wäre, den Vereinsbehörden die Ermächtigung zuzuerkennen, über das Vermögen eines aufgelösten Vereines nach Belieben zu disponieren, hätte er dies klar zum Ausdruck bringen müssen. Denn dann würde es sich hier im Prinzip um die Konfiskation des Vermögens analog einer Bestrafung dafür handeln, daß der Verein der Behörde Grund zu seiner Auflösung gab, ein Sinn, der den zitierten Worten des zweiten Satzes des § 27 VereinsG. nicht unterlegt werden kann. Eine sonstige spezielle Gesetzesbestimmung, von der diese Konfiskation abgeleitet werden könnte, und auf die sich § 27 VereinsG. mit den Worten "die angemessenen gesetzmäßigen Vorkehrungen zu treffen", berufen würde, gibt es nicht."
Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß die heute herrschende Auffassung dahin geht, daß die Verwaltungsbehörde nur Sicherstellungsmaßnahmen bezüglich des Vermögens eines aufgelösten Vereines treffen kann, daß es ihr aber verwehrt ist, irgendwelche Verfügungen über das Vermögen zu treffen, daß sie insbesondere nicht befugt ist, das Vermögen ähnlichen Zwecken zuzuwenden.
Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu nachfolgendem Ergebnisse:
§ 26 ABGB. unterscheidet scharf zwischen dem Innen- und Außenverhältnis einer moralischen Person. Nach außen geltend die allgemeinen Grundsätze wie für Einzelpersonen, das Innenverhältnis aber wird von den Statuten oder Satzungen teils aus dem Zwecke, zu dem sich die Gesellschafter verbunden haben, teils aus den besonderen, für bestimmte Arten von Gesellschaften bestehende Vorschriften bestimmt. Mag auch nach außen hin das Gesellschaftsvermögen nur der Gesellschaft zugerechnet werde, so bleibt es doch im Innenverhältnis immer Vermögen der Gesellschafter, die darüber im Rahmen der statutarischen Bestimmungen, sofern sie nur die Gesetze einhalten, verfügen können.
Da die gesellschaftliche Bindung nach außen nur der Erfüllung der gesellschaftlichen Zwecke dient, so folgt daraus, daß der Wegfall der Korporationsrechte, die nur das Außenverhältnis betreffen, nicht bewirken kann, daß das den Gesellschaftern gehörige Vermögen nunmehr seiner Zweckbestimmung entzogen wird; gesetzliche Bestimmungen, die im Falle der Auflösung eines Vereines den Heimfall des Vermögens des aufgelösten Vereines an den Staat vorsehen würden, sind dem österreichischen Rechte fremd. Die Auflösung des Vereines kann daher nur bewirken, daß das Gesellschaftsvermögen denjenigen Personen zufällt, die nach den Statuten ein Recht auf den Anfall dieses Vermögens besitzen oder denen der Verein, seine Organe oder derjenige, der die etwa verhinderten Organe vertritt, dieses Vermögen im Sinne der Statuten zuweisen. In Ermangelung solcher Verfügungen oder eines solchen Anwartschaftsrechtes fällt das Vermögen nicht an den Staat, sondern an die ehemaligen Gesellschafter. Das ergibt sich aus § 1215 ABGB., der wie alle anderen Bestimmungen des 27. Hauptstückes auch, auf Nichterwerbsgesellschaften analog anwendbar ist, sofern nicht aus dem Statute oder dem Zwecke, dem die Gesellschaft zu dienen bestimmt ist, sich etwas anderes ergibt. Das Schicksal des Vereinsvermögens bestimmt sich daher nur nach rein zivilrechtlichen Gesichtspunkten.
Daran hat auch § 27 VereinsG. 1867 nichts geändert; die vorübegehende Änderung durch § 9 Vereins-ReorganisationsG. braucht, da diese Bestimmung nicht mehr gilt, nicht näher erörtert zu werden. Aus der Anordnung des § 27 VereinsG. aber, daß die Behörde im Fall einer behördlich verfügten Auflösung bezüglich des Vereinsvermögens die angemessenen gesetzlichen Vorkehrungen einzuleiten habe, kann nicht abgeleitet werden, daß die Vereinsbehörden über das Vereinsvermögen verfügen dürfen. Den Vereinsbehörden obliegt es nur, die öffentlichen Interessen wahrzunehmen. Diesen ist aber Genüge geleistet, wenn ein der bestehenden Ordnung entgegenhandelnder Verein aufgelöst ist. Die Regelung der vermögensrechtlichen Nachfolge berührt die öffentlichen Interessen nicht; daher können auch die Vereinsbehörden nicht als befugt angesehen werden, die privaten Rechtsverhältnisse des Vereinvermögens nach der Auflösung zu ordnen. Sie sind nur berechtigt, mittlerweilige Vorkehrungen zum Schutze derjenigen Personen zu treffen, denen das Vereinsvermögen nach dem bürgerlichen Recht zufällt.
Die Regelung der Vermögensrechte eines Vereines obliegt auch im Falle der Vereinsauflösung den Vereinsorganen. Wird aber der Verein behördlich aufgelöst und werden damit auch die bisherigen Vereinsorgane von der Durchführung der Vermögensabwicklung ausgeschaltet, so muß ein Ersatzorgan bestellt werden, das an ihrer Stelle die Liquidation besorgt. Es muß daher im Sinne des § 276 ABGB. für die unbekannten Teilhaber am Vereinsvermögen, denen es kraft Statut oder Gesetz zufällt, ein Kurator bestellt werden. Ihm obliegt die Verteilung des Vereinsvermögens im Rahmen der Statuten in der Weise, wie es die Vereinsorgane wahrscheinlich verteilt haben würden, wenn sie nicht durch die Auflösung des Vereines daran behindert worden wären. Er hat also das Vermögen in erster Reihe dem in den Statuten bestimmten Zweck zuzuführen oder dieser Statutenbestimmung wenigstens sinngemäß weitgehendst zu entsprechen, sofern sich infolge der Änderung der Verhältnisse die statutarische Zweckbestimmung nicht wortwörtlich erfüllen läßt, und wenn auch das nicht möglich ist oder die Statuten keine Bestimmung über die Verwendung des Vermögens enthalten, das Vermögen unter den Mitgliedern zu verteilen bzw. für etwa unbekannte Teilhaber gerichtlich zu hinterlegen.
Als Kuratelvermögen unterliegt es aber wie jedes andere Kuratelvermögen gemäß § 282 ABGB. den Bestimmungen der §§ 222 ff. ABGB. über die Vermögensverwaltung von Pflegschaftsvermögen unter Aufsicht des Gerichtes. Es kann daher auch keine Nichtigkeit darin erblickt werden, wenn das Pflegschaftsgericht dem Kurator des Vermögens des aufgelösten Vereines die Ermächtigung erteilt hat, über dieses Vermögen zu verfügen.
Die Aufhebung des erstrichterlichen Beschlusses wegen Nichtigkeit durch das Rekursgericht war daher verfehlt. Der Beschluß des Rekursgerichtes mußte infolgedessen aufgehoben werden. Dem Rekursgericht obliegt es nunmehr, über den gegen den erstrichterlichen Beschluß eingebrachten Rekurs zu entscheiden, wobei es insbesondere zur Frage der Legitimation
Anmerkung
Z21160Schlagworte
Abwesenheitskurator für aufgelösten Verein, Gerichte, ordentliche, Zuständigkeit zu Verfügungen über das Vermögen, eines aufgelösten Vereines, juristische Person Vermögen eines aufgelösten Vereines, Kurator nach § 276 ABGB., für aufgelösten Verein, ordentliche Gerichte Zuständigkeit zu Verfügungen über das Vermögen, eines aufgelösten Vereines, Person juristische, Vermögen eines aufgelösten Vereines, Rekursrecht Dritter im Verfahren zur Verteilung des Vermögens eines, aufgelösten Vereines, Verein, Auflösung, Verteilung des Vermögens; Rekursrecht Dritter, Vermögen eines aufgelösten Vereines, Verteilung desselben, Verwaltungsbehörde Zuständigkeit zu Verfügungen über das Vermögen eines, aufgelösten VereinesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1948:0010OB00259.48.1124.000Dokumentnummer
JJT_19481124_OGH0002_0010OB00259_4800000_000