Norm
ZPO §240Kopf
SZ 22/14
Spruch
Wenn die erste Wechselklage, in der die klagende Partei behauptet hat, sie habe selbst Protest mangels Zahlung erhoben und den Wechsel nicht eingelöst, wegen mangelnder Aktivlegitimation abgewiesen wurde, so steht einer neuerlichen Wechselklage, in der behauptet wird, der Protest sei von einem Inkassomandatar erhoben und der Wechsel rückgelöst worden, die Einrede der entschiedenen Sache nicht entgegen.
Entscheidung vom 2. Februar 1949, 1 Ob 418/48.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Das Erstgericht hat der Einrede der entschiedenen Streitsache mit der Begründung keine Folge gegeben, daß der Wechselklage 5 Cg 260/48 ein anderer Sachverhalt zugrunde liege, als der Wechselklage 5 Cg 46/47. Das Rekursgericht gab der Einrede dagegen Folge und wies die Klage zurück.
Der Oberste Gerichtshof stellte den erstrichterlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
In beiden Klagen leitet die Klägerin ihren wechselmäßigen Anspruch aus einem Blankoindossament des B. G. und aus dem auf ihren Antrag von der C.-B., Filiale G., erhobenen Wechselprotestes vom 3. Jänner 1947 ab. Der Unterschied zwischen den beiden Wechselprozessen besteht aber darin, daß die Klägerin in der ersten Klage behauptete, sie habe selbst den Protest mangels Zahlung erhoben und sie habe den Wechsel nicht eingelöst, während sie in der derzeitigen Klage geltend macht, der Protest sei zwar von der C.-B. erhoben worden, diese habe jedoch in der Eigenschaft als Inkassomandatarin gehandelt und Klägerin habe den Wechsel selbst eingelöst. Die Klage wurde im ersten Rechtsstreit, weil der Inhalt der Wechselklage nicht dem Wechselbild entsprach, mangels Klagslegitimation abgewiesen. Das Erstgericht fand, daß sich die zweite Klage auf eine anderes Vorbringen und auf einen anderen Sachverhalt stütze, der geeignet sei, jetzt die Legitimation der Klägerin sowohl auf Grund der Wechselklage als auch auf Grund des Wechselbildes darzutun. Daraus folge, daß eine rechtskräftig entschiedene Streitsache nicht anzunehmen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurse der Beklagten Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Einrede stattgegeben und die Klage zurückgewiesen wurde.
Es liegt, so meint das Rekursgericht, im zweiten Prozesse der unverändert gebliebene Sachverhalt des ersten Prozesses vor und es werde dasselbe Begehren jetzt auf Grund eines nicht früher vorgebrachten, aber auch nach dem neuen Vorbringen bereits früher vorhanden gewesenen Tatbestandes gestellt. Es laufe dem Begriffe der Rechtskraft zuwider, wenn die neuerliche Einklagung eines Anspruches zum Zwecke der Nachholung einer im Vorstreite versäumten oder der Aufstellung einer von der ersten abweichenden Tatsachenbehauptung geschehe.
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist begrundet.
Entscheidend ist die Frage, wie weit die materielle Rechtskraft eines Urteils den Tatbestand, der zur Zeit der Fällung des Urteils erster Instanz vorgelegen ist, deckt. Schon die Entscheidung SZ. V/154 sprach aus, daß die Identität der Sache dann vorhanden ist, wenn das Rechtsverhältnis, welches entschieden wurde, dem Inhalte und dem Entstehungsgrunde nach dem Rechtsverhältnis gleich ist, das neuerlich geltend gemacht wird. Im ersten Rechtsstreite wurde die Klägerin, weil sie zur Klage aktiv nicht legitimiert war, abgewiesen. Wird aber eine Klage wegen Mangel der aktiven Klagslegitimation abgewiesen, so erlangt das Urteil insofern Rechtskraft, als damit die Frage, ob der seine Berechtigung zur Klageführung auf dieselben Tatsachen stützende Kläger aktiv legitimiert erscheint, endgültig verneint ist (Neumann, 4. Aufl., zu § 411 ZPO., S. 1171). Im vorliegenden Falle stützt die Klägerin die neue Klage jedoch nicht auf dieselben Tatsachen, nämlich nicht darauf, daß sie bloß deshalb, weil die C.-B. den Wechselprotest erhoben hat und sie (Klägerin) den Wechsel in Händen habe, zur Klage legitimiert sei, sondern deshalb, weil sie nach Protesterhebung, die in ihrem Auftrage von der C.-B. erfolgt sei, den Wechsel eingelöst habe. Es liegt tatsächlich also ein anderer Sachverhalt als im ersten Rechtsstreite vor. Die Tatsache, welche der zweiten Klage zugrunde gelegt wird, ist die Einlösung des Wechsels durch die Klägerin im Rücklauf; diese war nicht Gegenstand des früheren Rechtsstreites. Derselbe Grund (Mangel der Klagslegitimation), aus dem die vorhergegangene Klage abgewiesen wurde, würde demnach die neue nicht treffen. Es kann daher der neu angestellten Klage die Einrede der entschiedenen Sache nicht entgegengehalten werden.
Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurse Folge zu geben und der erstrichterliche Beschluß wiederherzustellen.
Anmerkung
Z22014Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00418.48.0202.000Dokumentnummer
JJT_19490202_OGH0002_0010OB00418_4800000_000