Norm
ABGB §1151Kopf
SZ 22/21
Spruch
Die Ansprüche der Filmregisseure gegen die Filmunternehmung gehören vor die Arbeitsgerichte.
Entscheidung vom 15. Februar 1949, 4 Ob 1/49.
I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Kläger wurde von der Beklagten am 24. Juni 1946 als Regisseur für einen zu drehenden Film verpflichtet. Er sollte ein Pauschalhonorar von 30.000 S erhalten. Für die Fertigstellung des Films war ein Zeitraum von vier Monaten in Aussicht genommen. Wenn der Film nach dieser Zeit noch nicht fertiggestellt sein sollte, so hatte der Kläger nach dem Vertrag weitere pro rata Zahlungen zu erhalten. Der Film selbst wurde nie gedreht; der Kläger begehrt mit vorliegender Klage die vereinbarte Regisseurentlohnung von 30.000 S.
Die Beklagte hat unheilbare Unzuständigkeit eingewendet, weil der vorliegende Vertrag kein Dienstvertrag, sondern ein Werkvertrag sei; in merito macht sie geltend, daß der Arbeitsbeginn des Films auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, daß daher das Honorar noch nicht fällig sei; diese Einwendung wird im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht; in eventu wendet sie ein, daß sich der Kläger seine anderweitigen Einnahmen aufrechnen und von ihm ersparte Auslagen anrechnen lassen müsse.
Die erste Instanz bejahte die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit im Sinne des Klagebegehrens. Das Berufungsgericht gab der Nichtigkeitsberufung keine Folge und bestätigte das erstrichterliche Urteil hinsichtlich eines Teilbetrages von 22.500 S, von dem Standpunkt ausgehend, daß Kläger jedenfalls die auf drei Monate entfallende Entlohnung ohne Abzug verlangen könne; bezüglich des Restbetrages von 7500 S hob es das erstrichterliche Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf. Diese Entscheidung wird von dem Beklagten mit Revision angefochten.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Soweit die Revision hinsichtlich des bestätigenden Teiles der berufungsgerichtlichen Entscheidung die Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit bekämpft, ist sie zulässig, aber nicht begrundet.
Die Revision beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung, daß ein der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit nicht unterliegender Werkvertrag vorliegt, auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. September 1947, GZ. 1 Ob 559/47, JBl. 1948, S.
89. Da der arbeitsrechtliche Senat des Obersten Gerichtshofes bereits in der Entscheidung vom 21. September 1948, 4 Ob 12/48 (SZ. XXI/128), JBl. 1948, S. 594, von den in der erstangeführten Entscheidung angeführten Grundsätzen abgegangen ist, so erübrigt sich die Untersuchung, inwieweit die Gründe dieser Entscheidung für den Rechtsstandpunkt der Beklagten herangezogen werden können.
Maßgebend für das Rechtsverhältnis der Parteien ist allein der Regisseurvertrag vom 24. Juli 1946. Daß die Parteien daneben am gleichen Tage noch einen weiteren Vertrag abgeschlossen haben, in dem sich Kläger zur Herstellung eines Drehbuches für den in Rede stehenden Film verpflichtet hat, ist rechtlich bedeutungslos, weil die Herstellung eines Drehbuches mit der Regisseurtätigkeit in keinem Zusammenhange steht und daher aus dem zufälligen Umstand, daß Kläger zwei künstlerische Qualitäten in seiner Person vereinigt, die eines Drehbuchautors und eines Filmregisseurs, nicht zur Folge haben kann, daß die beiden Verträge, die voneinander vollkommen unabhängig sind, als eine rechtliche Einheit angesehen werden.
Es wurde auch in jedem der beiden Verträge eine besondere Honorarvereinbarung getroffen, woran die Tatsache nichts ändert, daß die Zahlungsfristen für das Gesamthonorar in einem besonderen Abkommen festgelegt wurden, wonach je 10.000 S bei Vertragsabschluß und bei Ablieferung des Drehbuches und je 10.000 S am 1. und 20. Drehtag und bei Fertigstellung des Films bezahlt werden sollten.
Die unteren Instanzen haben daher mit Recht bei Beurteilung der Frage, ob ein Werk- oder Dienstvertrag vorliegt, nur auf den Regisseurvertrag Bedacht genommen. Übrigens kommt es für die Lösung der Frage, ob die Ansprüche aus dem Regisseurvertrage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden können, auf die Frage, ob der gegenständliche Vertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren ist, nicht an, da nach § 2 Abs. 1 ArbGerG. auch "arbeitnehmerähnliche" Vertragsverhältnisse der arbeitsgerichtlichen Judikatur unterworfen sind.
Nach dem vorliegenden Regisseurvertrag hat Kläger für das Honorar von 30.000 S die gesamte künstlerische und technische Leitung der Filmherstellung übernommen. Er verpflichtete sich, für den Film ab 1. März 1947 bis zur Beendigung des Filmes zur Verfügung zu stehen. Sollte der Film nach Ablauf von vier Monaten noch nicht beendet sein, so treten nach dem Vertrag "die übrigen pro rata Zahlungen" ein. Überdies verpflichtete sich die beklagte Firma, den Kläger in allen Ankündigungen als Regisseur in der entsprechenden Aufmachung zu nennen; im Filmvorspann sollte dem Kläger ein Einzelkader zustehen.
Aus letztangeführten, der künstlerischen Persönlichkeit des Klägers eingeräumten Vorrechten kann gegen ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis ebensowenig etwas abgeleitet werden, als gegen die Dienstnehmerqualität eines höheren technischen Angestellten aus mit ihm getroffenen Vereinbarungen über die Nennung als Erfinder in den Patentanmeldungen usw., betreffend der Diensterfindungen, die er nach dem Dienstvertrag dem Dienstgeber zu überlassen hat.
Unselbständigkeit der Arbeit wird für einen Dienstvertrag nicht gefordert. Der Vorstand einer juristischen Person, insbesondere einer Aktiengesellschaft, steht in einem Dienstverhältnis. Entscheidend ist vielmehr, ob nach dem Willen der Parteien eine Eingliederung der Arbeitsleistenden in den Betrieb eines anderen so erfolgen soll, daß das wirtschaftliche Unternehmerrisiko nur oder vorwiegend den anderen treffen soll. Das ist aber beim Filmregisseurvertrag der Fall. Die Filmerzeugung geht auf Rechnung und Gefahr des Bestellers, er trägt das Risiko, ob der Film einschlagen und ob die hohen Kosten, die für seine Fertigstellung aufgewendet werden mußten, hereingebracht werden können. Der Regisseur erhält für seine Mitwirkung ein bestimmtes Honorar, das nicht notwendig sich nach der Dauer seiner Mitwirkung richtet, im vorliegenden Falle aber insoweit zeitbedingt war, als die Mitwirkung vier Monate übersteigen sollte. Der Kläger sollte bei diesem Ziel der beklagten Firma nach seinen besten Kräften mitwirken, aber immer nur an einem fremden Unternehmen ohne Aufwendung eigener Mittel, wenn von seinen persönlichen, mit jeder Arbeitstätigkeit verbundenen Auslagen abgesehen wird.
Daß dieses Verhältnis zeitlich auf die Dauer der Filmherstellung beschränkt war, berührt die Rechtsnatur des Filmregisseurvertrages als eines zumindest arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses nicht, weil auch Dienstverhältnisse zum Zwecke der Herstellung eines bestimmten Werkes auf Zeit eingegangen werden können. Ob Dienst- oder Werkvertrag, ist eine Frage der Organisation und hängt nicht davon ab, ob die Dienstleistung zeitlich begrenzt ist oder nicht. § 1151 ABGB. hat nur den Regelfall im Auge, schließt also ein Dienstverhältnis für die Dauer der Herstellung einer bestimmten Leistung nicht aus.
Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß die Unterinstanzen mit Recht die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit bejaht haben.
Anmerkung
Z22021Schlagworte
Arbeitsgericht sachliche Zuständigkeit, Dienstvertrag, Filmregisseur, Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, Filmregisseur, Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, Unzuständigkeit sachliche, des Arbeitsgerichtes, Werkvertrag, Filmregisseur, Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes, Zuständigkeit sachliche, des ArbeitsgerichtesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0040OB00001.49.0215.000Dokumentnummer
JJT_19490215_OGH0002_0040OB00001_4900000_000