Norm
ABGB §812Kopf
SZ 22/44
Spruch
Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes durch einen Kaufmann ist für diesen nur insoweit ein (akzessorisches) Handelsgeschäft, als sich die Vertretung auf Firmen- (und Betriebs-) angelegenheiten bezieht (§ 343 Abs. 2 HGB.).
Die Firma eines Einzelkaufmannes ist nur das Kennzeichen seines Unternehmens. Die Trennung von Geschäfts- und Privatvermögen hat beim Einzelkaufmann keine privatrechtliche Bedeutung. Durch die Bestellung eines öffentlichen Verwalters wird daran nichts geändert (§ 17 HGB., § 5 VerwG. 1946).
Der Honoraranspruch eines Rechtsanwaltes ist mangels einer anderen Vereinbarung so lange nicht fällig, als das Mandatsverhältnis nicht erloschen ist; der Lauf der Verjährungsfrist beginnt erst mit dem Eintritt der Fälligkeit des Anspruches (§ 1486 Z. 6 ABGB.).
Entscheidung vom 30. März 1949, 2 Ob 98/49.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Rechtsanwalt Dr. M. hatte den Kaufmann L., der nach der Okkupation ein Unternehmen arisiert und unter der auf seinen Namen geänderten Firma geführt hatte, durch Jahre vertreten. L. ist anläßlich des Zusammenbruches des nationalsozialistischen Regimes geflüchtet. Für sein Unternehmen ist in der Folge ein öffentlicher Verwalter bestellt worden. Dr. M. brachte gegen die durch den Verwalter vertretene Firma beim Handelsgericht die Klage auf Bezahlung seines Honorars in der Höhe von 14.103.16 S ein.
Das Erstgericht sprach aus, daß der Klagsanspruch nur hinsichtlich mehrerer Leistungen, für die ein Honorar von 9836.86 S begehrt worden war, dem Gründe nach zu Recht bestehe, und wies das Begehren auf Bezahlung des Mehrbetrages von 4266.30 S ab. Es berücksichtigte bloß die Ansprüche, die sich aus dem Betrieb des Handelsgewerbes durch L. ergeben haben, und lehnte in Ansehung der übrigen, die lediglich die Person des Firmeninhabers betroffen haben, die Passivlegitimation der beklagten Partei ab, die übrigens ihre Passivlegitimation gegenüber dem gesamten Klagebegehren bestritten und außerdem Verjährung eingewendet hatte. Dieser Einwendung wurde vom Erstgericht insoweit Rechnung getragen, als es die Ansprüche als verjährt behandelte, die bereits vor dem 15. Oktober 1944, dem Tag des Inkrafttretens der Zweiten Kriegsmaßnahmenverordnung vom 27. September 1944, DRGBl. I S. 229, verjährt waren, wovon der Entlohnungsanspruch für die im Jahre 1940 erbrachten Leistungen betroffen war.
Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien eingebrachten Berufungen Folge, hob das Urteil auf und verwies die Sache nach der Rechtskraft seines Beschlusses an das Prozeßgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Urteilsfällung zurück. Es teilte in der Frage der Verjährung nicht die Ansicht des Prozeßgerichtes und versagte dieser Einwendung aus den Gründen der Entscheidung SZ. XII/144 zur Gänze die Berechtigung; hingegen erachtete es die vom Kläger vorgelegte Kostennote nicht für ausreichend, um verläßlich beurteilen zu können, mit welchen Leistungen die Interessen der Firma und mit welchen nur die Person des Firmeninhabers vertreten worden waren.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Aus § 17 HGB. im Zusammenhalte mit § 51 JN. ergibt sich, daß die Firma eines Kaufmannes weder ein Rechtssubjekt noch ein besonderes Rechtsobjekt, sondern nur ein Kennzeichen des Unternehmens ist, dessen Subjekt und Rechtsträger der Kaufmann als physische Person ist (Hämmerle, Grundriß, S. 61). Da die Firma des Kaufmannes nichts anderes als sein Handelsname ist und kein selbständiges Rechtssubjekt darstellt, bedeutet die Norm des § 17 HGB. (die dem Allgemeinen Handelsgesetzbuch fehlte, deren Geltung aber schon für seinen Bereich von der Lehre und Rechtsprechung anerkannt war, vgl. Staub - Pisko, 3. Aufl., zu Art. 15, S. 145) nichts anderes, als daß bei Streitigkeiten, die mit dem Handelsbetriebe im Zusammenhang stehen, die Bezeichnung des beklagten Kaufmannes mit dem Namen gestattet wird, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und seine Unterschrift abgibt (Staub - Pisko, 3. Aufl., I, S. 138, Baumbach, Kurzkommentar, S. 82). Die Firma ist demnach nicht Partei, sondern der Kaufmann, der zur Zeit der Klagsanbringung Firmeninhaber war. Die Klage kann, aber sie muß nicht gegen die Firma gerichtet werden; der Handelsgläubiger hat daneben auch die Wahl, den Kaufmann unter seinem bürgerlichen Namen, der ja mit der Firmenbezeichnung nicht notwendig identisch sein muß (§ 22 HGB.), bei seinem allgemeinen Gerichtsstand oder dem etwa gegebenen Sondergerichtsstand zu belangen (Hämmerle, S. 61, Baumbach, S. 82). Keinesfalls aber kann die Klage gleichzeitig gegen die Firma und deren Inhaber gerichtet werden (Staub - Pisko, 2. Aufl., I, S. 75). Gläubiger, deren Ansprüche nicht mit dem Handelsbetrieb zusammenhängen, können die durch § 17 HGB. eröffnete Möglichkeit nicht für sich beanspruchen, sondern haben den Kaufmann unter seinem bürgerlichen Namen bei dem sachlich und örtlich zuständigen Gericht zu klagen.
Anderseits kennt das Gesetz keine Haftungsbeschränkung beim Einzelkaufmann und keine Sonderung von Firmen- und Privatvermögen eines solchen. Vielmehr haftet der Einzelkaufmann mit seinem ganzen Vermögen für alle aus dem Betrieb des Unternehmens sich ergebenden Verbindlichkeiten unbeschränkt. Die Forderungen der Geschäftsgläubigerkönnen demnach auch in das Privatvermögen des Einzelkaufmannes vollstreckt werden, jene der Privatgläubiger in das sogenannte Geschäftsvermögen. Die Trennung von Geschäfts- und Privatvermögen hat beim Einzelkaufmann darum keine privatrechtliche, sondern höchstens eine gewerbe-, steuerrechtliche und buchhalterische Bedeutung (Hämmerle. S. 26).
Daran ändert auch die Verhängung der öffentlichen Verwaltung über eine Firma nichts. Diese bezweckt im öffentlichen Interesse die Erhaltung und Sicherstellung einer Vermögenschaft, also auch eines Unternehmens, aus den in § 2 VerwG., BGBl. Nr. 157/46, ersichtlichen Gründen, hier also vor allem mit Rücksicht auf die Sicherstellung der Rückstellungansprüche der durch Entziehung geschädigten Eigentümer gegenüber dem Erwerber (§ 2 lit. d) und das Flüchtigsein des bisherigen Firmeninhabers (§ 2 lit. c). Die Verwaltung dient also dem Schutze des Vermögens gegen Verschleppung oder Verminderung durch Inhaber oder Dritte und läßt sich mit der Absonderung der Erbschaft vom Erbenvermögen nach § 812 ABGB. vergleichen. Rechte Dritter werden durch sie nicht berührt. Die Bestellung des Verwalters verfolgt den Zweck, nach den Weisungen der Aufsichtsbehörde die öffentlichen Interessen und jene des eventuellen Rückstellungsberechtigten zu sichern und das Unternehmen bis zur Aufhebung der Verwaltung zu erhalten und weiterzuführen. Seine Befugnisse sind in § 6 Abs. 1 VerwG. umschrieben und er ist zur Vertretung des Unternehmens nach außen im Umfang der Verwaltung berufen.
Dadurch ist wohl eine Art Sondervermögen geschaffen, sofern der bisherige Inhaber der unter Verwaltung stehenden Firma noch sonstiges, der öffentlichen Verwaltung nicht unterzogenes Vermögen besitzt; aber dieses Sondervermögen besitzt keine Rechtspersönlichkeit. Subjekt aller es betreffenden Rechte und Verbindlichkeiten, mögen sie aus der Zeit vor der Einleitung der Verwaltung stammen oder erst während ihrer Anhängigkeit aus dem weitergeführten Betrieb des verwalteten Unternehmens entstanden sein, bleibt der Einzelkaufmann als Rechtsträger der Firma so lange, bis das Rückstellungsverfahren zugunsten des geschädigten Eigentümers rechtskräftig beendet und das Unternehmen auf ihn rückübertragen worden ist. Nur seine Dispositionsfähigkeit und sinngemäß auch seine Prozeßfähigkeit wird durch die öffentliche Verwaltung eingeschränkt.
Mit Recht haben darum die Unterinstanzen ausgesprochen, daß die Bestimmungen des Dritten Rückstellungsgesetzes hier nicht zur Anwendung kommen können, daß aber auch das Bestehen einer öffentlichen Verwaltung der Geltendmachung von Forderungen aus dem Handelsbetrieb gegen die verwaltete Firma im Sinne des § 17 HGB. nicht entgegensteht. Die gegenteilige Ansicht des Rekurses, der dem Exekutionsverfahren die Entscheidung darüber vorbehalten will, ob und in welchem Umfang der Zugriff auf das Unternehmen eines Einzelkaufmannes zulässig ist, findet daher nicht die Zustimmung des Obersten Gerichtshofes.
Die Bestellung eines Rechtsanwaltes zur Durchführung rechtsfreundlicher Vertretungshandlungen prozessualer, verwaltungsrechtlicher oder rechtsgeschäftlicher Natur mittels eines Bevollmächtigungsvertrages im Sinn der §§ 1002 ff. ABGB. durch einen Kaufmann stellt, wenn es sich ausschließlich um Vertretungshandlungen im Bereich seines privaten Daseins handelt, kein Handelsgeschäft dar. Wird aber ein Rechtsanwalt mit der Vertretung des Kaufmannes, insoweit er unter einem Handelsnamen (Firma) Handelsgeschäfte betreibt, betraut, liegt für den Auftraggeber ein handelsrechtliches Hilfsgeschäft vor (§ 343 Abs. 2 HGB., Baumbach, S. 467). Honorarforderungen des Anwaltes aus solchen rechtsfreundlichen Vertretungshandlungen gehören daher zu jenen Ansprüchen, welche gegen die Firma selbst vor dem zuständigen Handelsgericht gemäß § 51 Abs. 1 Z. 1 JN. geltend gemacht werden können. Mit Recht hat darum das Berufungsgericht, wie schon das Erstgericht, die passive Legitimation der beklagten Partei gegenüber jenem Teil der klägerischen Forderung bejaht, welcher sich auf rechtsfreundliche Vertretungsleistung bezieht, die vom Kläger für die beklagte Partei in Betriebsangelegenheiten erbracht worden ist.
Inwieweit dies bei den einzelnen Teilleistungen zutrifft, kann nur nach postenweiser Prüfung der einzelnen Ansätze der Honorarnote unter ergänzender Heranziehung des Beweises durch die Bücher der Parteien, eventuell auch durch die Parteienvernehmung festgestellt werden, insoweit nicht die beklagte Partei bereits gewisse Posten dem Gründe nach als zu Recht bestehend anerkannt hat. Auf gemischte Fälle wird die Norm des § 273 ZPO. anzuwenden sein.
Der Ansicht des Berufungsgerichtes, das bisherige Verfahren habe den Sachverhalt nicht genügend geklärt und sei darum mangelhaft, ist daher zuzustimmen.
Was schließlich die Frage der Verjährung angeht, hält der Oberste Gerichtshof an der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung SZ. XII/144 und den darin niedergelegten Rechtsmeinungen grundsätzlich fest. Demnach ist davon auszugehen, daß es für den Beginn der dreijährigen Verjährung des § 1486 Z. 6 ABGB. nicht darauf ankomme, wann der Kläger den Honoraranspruch erworben hat, sondern wann dieser fällig wurde und darum mit Klage geltend gemacht werden konnte. Diesen Zeitpunkt setzt die bezogene Entscheidung mit der Beendigung des Auftragsverhältnisses, sei es nun durch Zweckerfüllung (Beendigung des Prozesses) oder aus anderen Gründen (Erlöschen der Vollmacht, Tod des Anwaltes u. dgl.) fest. Solange, fährt die Entscheidung fort, der Anwalt noch in die Lage kommen kann, pflichtgemäß im Interesse des Klienten im Prozeß tätig zu werden, ist das Mandatsverhältnis nicht erloschen und daher auch die Fälligkeit des Honoraranspruches nicht eingetreten.
Diese Grundsätze sind sinngemäß anzuwenden, wenn nicht Prozeßführung, sondern außergerichtliche Vertretung vor Behörden (Steuerämtern, Gewerbebehörden) oder rechtsgeschäftliche Transaktionen den Gegenstand des dem Anwalt erteilten Auftrages bildeten.
Im vorliegenden Fall liegt eine Dauervertretung vor, kraft derer der Kläger sämtliche mit dem Handelsbetrieb zusammenhängenden rechtsfreundlichen Vertretungshandlungen verschiedenster Art zu prästieren hatte und, wie die Honorarnote zeigt, auch prästiert hat. Es müssen daher die einzelnen Geschäfte gesondert geprüft und der Zeitpunkt ihrer Beendigung im Sinn der Entscheidung SZ. XII/144 ermittelt werden. Der Lauf der Verjährungsfrist setzt darum in jedem einzelnen Fall in einem verschiedenen Zeitpunkt ein, insofern nicht, was von den Parteien nicht behauptet wurde, anderweitige Abmachungen über jährliche oder sonst periodische Abrechnung getroffen wurden und solche Abrechnungen und Fälligstellungen auch wirklich stattgefunden haben. Anderseits ist bisher der Zeitpunkt, in welchem das Mandatsverhältnis endete, nicht festgestellt worden. Das Berufungsgericht setzt ihn dem der Flucht des L. gleich, die kalendermäßig den Akten nicht zu entnehmen ist. Die Eröffnung der Verwaltung im Sinne des Verwaltergesetzes 1945, StGBl. Nr. 9, erfolgte inhaltlich des Aktes 131 HRA 5753, ONr. 36, erst mit Erlaß des Staatsamtes für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr vom 19. Juli 1945 und wurde mit Beschluß des Amtsgerichtes Wien als Registergericht vom 22. August 1945 durchgeführt. Erst mit diesem Tage erloschen die Dispositionsbefugnis des L. über die Firma. Dies ist aber im vorliegenden Fall deswegen nicht belangreich, weil der Kläger Vertretungsleistungen nach dem 10. März 1945 selbst nicht behauptet.
Bei der Beurteilung der Frage der Verjährung werden aber jedenfalls auch die Vorschriften der Verordnung über Verjährungsfristen vom 9. Dezember 1943, DRGBl. I S. 668, zu beachten sein, der zufolge die in § 1486 ABGB. genannten Ansprüche, die bei inkrafttreten dieser Verordnung noch nicht verjährt sind, nicht vor Schluß des Jahres 1944 verjähren. Ebenso wie die Zweite Kriegsmaßnahmenverordnung vom 27. September 1944, DRGBl. I S. 229, §§ 32 - 34, aufrechterhalten durch StGBl. Nr. 188/45, Art. VIII Abs. 2 P. 20, wonach die Verjährungsfristen vom Inkrafttreten dieser Verordnung (5. Oktober 1944) bis zum Schluß des Jahres 1945 gehemmt werden und die Vorschriften der früher zitierten Verordnung vom 9. Dezember 1943, DRGBl. I S. 668, bis zum Ablauf der in § 32 der Zweiten Kriegsmaßnahmenverordnung genannten Frist nicht anzuwenden sind. Endlich käme auch noch das Gesetz vom 2. Juli 1947, BGBl. Nr. 193, in Frage. Aus diesen Erwägungen war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z22044Schlagworte
Einzelkaufmann Trennung von Geschäfts und Privatvermögen, Fälligkeit des Rechtsanwaltshonorars, Firmenvermögen, Trennung von Privatvermögen, Geschäftsvermögen, Trennung von Privatvermögen, Handelsgeschäft, Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes, Handelsunternehmen, Trennung von Geschäfts- und Privatvermögen, Kaufmann, Trennung von Geschäfts- und Privatvermögen, Klagslegitimation passive, bei öffentlicher Verwaltung, Öffentlicher Verwalter, Einfluß auf Passivlegitimation, Passivlegitimation bei öffentlicher Verwaltung, Rechtsanwalt, Bevollmächtigung durch Kaufmann, Handelsgeschäft, Rechtsanwalt Fälligkeit des Honorars, Unternehmen Passivlegitimation bei öffentlicher Verwaltung, Verjährung des Rechtsanwaltshonorars, Verwalter, öffentlicher, Einfluß auf PassivlegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00098.49.0330.000Dokumentnummer
JJT_19490330_OGH0002_0020OB00098_4900000_000