TE OGH 1949/4/13 1Ob172/49

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.1949
beobachten
merken

Norm

Gerichtliche Einbringungs- und Amtswirtschaftsverordnung vom 2. Juli 1948, BGBl. Nr. 185 §25
Gerichtliche Einbringungs- und Amtswirtschaftsverordnung vom 2. Juli 1948, BGBl. Nr. 185 §77
Geschäftsordnung für die Gerichte I, und II. Instanz §220
ZPO §332
ZPO §417
ZPO §463
ZPO §488
ZPO §503 Z2

Kopf

SZ 22/53

Spruch

Von der Zeugenladung darf wegen Nichterlages eines Kostenvorschusses nur dann Umgang genommen werden, wenn die Zeugen, deren Ladung bei Nichterlag des Kostenvorschusses unterbleiben soll, in der Aufforderung zum Erlage namentlich angeführt worden sind. Unterlassung der Ladung wegen Nichterlages des Kostenvorschusses setzt Einholung eines Senatsbeschlusses voraus. § 332 ZPO. gilt auch im Berufungsverfahren. Wenn die Ladung eines Zeugen vom Erlag eines Kostenvorschusses abhängig gemacht worden ist, so darf das Berufungsgericht zwar von der Beweisaufnahme durch Einvernahme dieses Zeugen überhaupt absehen, wenn der Kostenvorschuß nicht erlegt wird; es ist aber nicht berechtigt, die vor dem Erstrichter abgelegte Aussage zu verlesen und anders zu würdigen.

Entscheidung vom 13. April 1949, 1 Ob 172/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Bregenz; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Die Klägerin hat im Hause der Beklagten eine Wohnung gemietet. Sie begehrt im Klagewege, der Beklagten zu untersagen, ihre Bestandrechte dadurch zu stören, daß sie Besuche am Betreten der Wohnung der Klägerin hindere; ferner verlangt sie Feststellung, sie sei berechtigt, in ihrer Wohnung im Hause der Beklagten Besuche privater und wirtschaftlicher Art zu empfangen.

Das Erstgericht hat nach Durchführung von Beweisen sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren abgewiesen. Diese Entscheidung wurde von der Klägerin mit Berufung angefochten. In der Ausschreibung der Berufungsverhandlung verfügte der Vorsitzende:

"Die Beklagte (Frau B.) hat einen Kostenvorschuß von 40 S zur Deckung der Zeugengebühren bis 28. Dezember 1948 beim Landesgericht Feldkirch zu erlegen". Da die Beklagte diesen Betrag nicht erlegt hat, so wurden die von der Beklagten in erster Instanz beantragten und vernommenen Zeugen V. O., H. B. und E. B. nicht geladen.

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung beschloß der Gerichtshof, sämtliche in erster Instanz vernommenen Zeugen, darunter auch die vorerwähnten Zeugen, neuerlich darüber zu vernehmen, ob die Beklagte den Zutritt von auswärts wohnenden Personen zur Wohnung der Klägerin gehindert habe. Der Vorsitzende stellte dann fest, daß die Zeugen H. und E. B. und O. infolge des Nichterlages des Kostenvorschusses nicht geladen wurden und verlas ohne jeden Gerichtsbeschluß die Aussagen der genannten drei Zeugen aus dem erstinstanzlichen Verhandlungsprotokoll; hierauf wurde der in erster Instanz bereits vernommene Zeuge B. im Sinne des gefaßten Beweisbeschlusses neuerlich vernommen und die Aussage der im erstinstanzlichen Verfahren vor dem ersuchten Richter vernommenen Zeugin T. verlesen. Endlich wurde - ohne Beweisbeschluß - A. B. als Zeuge erstmalig vernommen. Auf Grund dieses Beweisergebnisses nahm das Berufungsgericht die behaupteten Störungen als erwiesen an und gab in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils dem Leistungsbegehren statt; die Abweisung des Feststellungsbegehrens wurde bestätigt, genauer, es wurde das Feststellungsbegehren neuerdings abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der gegen dieses Urteil erhobenen Revision Folge und hob das berufungsgerichtliche Urteil auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit dem Revisionsgrund der Z. 2 des § 503 ZPO. beschwert sich die Revisionswerberin darüber, daß die von ihr beantragten Zeugen trotz Wiederholung des Beweisverfahrens nicht neuerlich vor dem Berufungsgericht vernommen und so die Grundsätze der Mundlichkeit und Unmittelbarkeit verletzt wurden. Die Revision ist in diesem Punkte begrundet.

Wenn das Berufungsgericht Beweiswiederholung beschließt, so darf es von der erstrichterlichen Beweiswürdigung nur dann abweichen, wenn es sämtliche in erster Instanz vernommenen Zeugen, soweit sie vor dem erkennenden Gerichte unmittelbar vernommen worden sind, neuerlich selbst einvernimmt (E. v. 16. Mai 1934, GH. 1935, 94 und vom 9. Oktober 1934, ÖRZ. 1934, 223). Das Berufungsgericht durfte daher wohl die Aussage der in erster Instanz im Requisitionswege vernommenen Zeugin T. verlesen, nicht aber die Aussage der in erster Instanz unmittelbar vernommenen Zeugen E. und H. B. und V. O. Dies durfte das Berufungsgericht auch dann nicht, wenn der Beweis durch diese Zeugen wegen Nichterlages des aufgetragenen Kostenvorschusses mit Recht als präkludiert erklärt worden wäre. Dies hätte das Berufungsgericht nur dazu berechtigt, von einer Beweisaufnahme durch diese Zeugen überhaupt abzusehen, nicht aber statt der vorgeschriebenen unmittelbaren Beweiswiederholung die mit ihnen aufgenommenen Beweisprotokolle erster Instanz zu verlesen und abweichend zu würdigen; dadurch wurde der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Beweisverfahrens verletzt.

Überdies lagen auch die formalen Voraussetzungen einer Präklusionserklärung wegen Nichterlages eines Kostenvorschusses nicht vor. Es liegt in der Natur der Sache, daß dem Beweisführer die Zeugen, die wegen Nichterlages eines Kostenvorschusses nicht geladen werden, im Beschluß, womit der Erlag des Vorschusses aufgetragen wird, namhaft zu machen sind; denn es muß dem Beweisführer die Möglichkeit gegeben sein zu beurteilen, welchen Folgen er sich aussetzt, wenn er den Kostenvorschuß nicht erlegt. Auch hätte die Beweisführerin gemäß § 220 Geo. (Aufgehoben durch § 77 Abs. 2 Z. 1 GEAV. (Gerichtliche Einbringungs- und Amtswirtschaftverordnung v. 2. Juli 1948, BGBl. Nr. 185); nunmehr § 25 GEAV.) auf die Folgen aufmerksam gemacht werden müssen, die beim Unterbleiben des Erlages eintreten. Alles das hat aber der Vorsitzende des Berufungssenates nicht getan, sondern nur, ohne auch nur anzudeuten, um welche Zeugen es sich handle, und ohne Hinweis auf die Folgen der Unterlassung des Erlages des Kostenvorschusses die Beklagte, die anwaltlich nicht vertreten war, aufgefordert, "zur Deckung der Zeugengebühren bis 28. Dezember 1948 ..... 40 S zu erlegen". Auch ist aus dem Akte nicht ersichtlich, ob der Vorschrift des § 220 Geo. (Aufgehoben durch § 77 Abs. 2 Z. 1 GEAV. (Gerichtliche Einbringungs- und Amtswirtschaftsverordnung v. 2. Juli 1948, BGBl. Nr. 185); nunmehr § 25 GEAV.) entsprechend der Aufforderung ein mit der Geschäftszahl bezeichneter Erlagschein des Gerichtes angeschlossen worden ist. Ein weiterer Formverstoß liegt darin, daß der Vorsitzende infolge Nichterlages des Kostenvorschusses die Ladung der drei von der Beklagten seinerzeit geführten Zeugen unterlassen hat, ohne vorschriftsmäßig einen Senatsbeschluß einzuholen (Erläuterungen des JM. zu § 332 ZPO.). Auch durfte die Durchführung des Beweisbeschlusses auf Einvernahme der genannten Zeugen wegen Nichterlages des Vorschusses nicht formlos unterlassen werden, sondern es hätte ein förmlicher Beschluß gefaßt werden müssen, der überdies einen Präklusionsantrag der Gegenseite voraussetzte (§ 332 Abs. 2 ZPO.), der gar nicht gestellt worden ist. Endlich hätte der zurückgewiesene Beweis im Urteil gemäß §§ 463, 417 Abs. 3 ZPO. angeführt werden müssen.

Diese gerügten Unterlassungen stellen einen so wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens dar, daß der Revision bereits aus diesen Erwägungen stattgegeben werden mußte, ohne daß es erforderlich war, zu den übrigen Revisionsgrunden Stellung zu nehmen.

Anmerkung

Z22053

Schlagworte

Ausschluß von Beweismitteln mangels Kostenvorschusses, Beweisaufnahme, Unterbleiben mangels Erlages des Kostenvorschusses, Beweismittel Nichterlag des Kostenvorschusses, Beweiswürdigung durch Berufungsgericht, Kostenvorschuß für Zeugengebühren, Präklusion von Beweismitteln mangels Kostenvorschusses, Unmittelbarkeit des Berufungsverfahrens, Beweiswürdigung, Zeugenladung, Nichterlag des Kostenvorschusses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00172.49.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19490413_OGH0002_0010OB00172_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten