Norm
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §71Kopf
SZ 22/60
Spruch
Über Klagen auf Feststellung des Nichtbestandes einer Ehe ist im Eheverfahren zu verhandeln.
Entscheidung vom 26. April 1949, 2 Ob 158/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Ehemann hat in der Klage folgendes Begehren gestellt: Zunächst wurde die Nichtigerklärung der mit der beklagten Gattin vor dem Lagerpfarrer eines DP-Lagers geschlossenen Ehe begehrt: wenn diesem Begehren nicht Folge gegeben werden sollte, war Scheidung dieser Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten begehrt worden. Schließlich wurde das Eventualbegehren gestellt, es werde festgestellt, daß zwischen beiden Streitteilen eine Ehe nicht bestehe.
Das Erstgericht hatte sämtliche Klagebegehren abgewiesen.
Die zweite Instanz bestätigte das erstgerichtliche Urteil, soweit damit die Klagebegehren auf Nichtigerklärung oder Scheidung der Ehe abgewiesen wurden. Dieser Teil der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist rechtskräftig geworden. Dagegen hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil, soweit dieses das Feststellungsbegehren bezüglich des Nichtbestandes der Ehe abgewiesen hatte, sowie das vorausgegangene erstgerichtliche Verfahren aufgehoben und das Klagebegehren, soweit es auf Feststellung des Nichtbestandes einer Ehe ging, zurückgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hätte das Begehren auf Feststellung des Nichtbestandes einer Ehe nicht mit den übrigen Begehren auf Nichtigerklärung oder Scheidung der Ehe verbunden werden dürfen. Eine solche Kumulierung wäre nur zulässig gewesen, wenn alle Ansprüche im selben Verfahren zu verhandeln wären. Für die Feststellung des Nichtbestandes einer Ehe im Sinne des § 228 ZPO. gelte aber nicht das besondere Eheverfahren, sondern das ordentliche Zivilprozeßverfahren. Es liege daher eine unzulässige Verbindung der erwähnten drei Ansprüche in einer Klage vor, die schon vom Erstgericht hätte zurückgewiesen werden sollen.
Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs, der gegen die Zurückweisung des Begehrens auf Feststellung des Nichtbestandes der Ehe ergriffen worden war, Folge gegeben, hat den Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückverwiesen, über die Berufung neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Bestimmung des § 7a JN. zeigt, daß Statusklagen, welche im offiziosen Eheverfahren gemäß dem Hofdekret JGS. Nr. 1595/1819, bzw. der Justizministerialverordnung RGBl. Nr. 283/97 und der Verordnung DRGBl. 1938 I S. 923 zu erledigen sind, mit vermögensrechtlichen Ansprüchen aus dem Eheverhältnis verbunden werden können und von den Gerichtshöfen I. Instanz durch den Einzelrichter zu erledigen sind. Desgleichen ergibt § 49 Abs. 2 Z. 2 a JN., daß Ansprüche auf Leistung des aus dem Gesetz gebührenden Unterhaltes nur insoweit zur Zuständigkeit der Bezirksgerichte gehören, als sie nicht mit Streitigkeiten wegen Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe verbunden sind. Es wäre also auch dann, wenn der Ansicht zugestimmt werden könnte, daß Klagen auf Feststellung des Nichtbestandes einer Ehe nicht im Eheverfahren, sondern im normalen Prozeßverfahren zu erledigen sind, eine Kumulierung gemäß § 227 ZPO. zulässig.
Es ist aber dem Rekurs darin beizupflichten, daß auch solche Feststellungsklagen im Eheverfahren zu behandeln sind. Denn auch in diesem Fall handelt es sich um Statusfragen, in welchen offiziose Cognition ebenso wie im Ehenichtigkeitsverfahren (nach dem ABGB. im Trennungs- und Eheungültigkeitsverfahren) einzutreten hat, weil ein öffentliches Interesse an der Ermittlung des rechtlichen Bestandes einer Ehe besteht. Die Parteien haben nicht die Macht, über das Rechtsverhältnis der Ehegemeinschaft mit jener Autonomie zu verfügen, die ihnen hinsichtlich ihrer sonstigen Privatrechte wirksam zu Gebote steht (vgl. Neumann, S. 1477), und darum bestand schon vor der Erlassung des geltenden Ehegesetzes vom 6. Juli 1938, DRGBl. I S. 807, in Lehre und Rechtsprechung kein Zweifel darüber, daß eherechtliche Statusprozesse dieser Art im Eheverfahren durchzuführen sind. Aus denselben Erwägungen hat die Lehre auch die Errichtung eines Schiedsvertrages nicht nur über die Frage der Gültigkeit einer Ehe, sondern auch über eine Scheidungsklage für unzulässig erachtet (Neumann, ebda., insbes. Anm. 5). Es handelt sich in allen diesen Fällen eben nicht um eine Rechtsstreitigkeit, die einen privatrechtlichen Gegenstand hat.
Auch prozessuale Erwägungen sprechen gegen die Rechtsansicht, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist.
Selbst wenn es richtig wäre, daß eine unzulässige Kumulierung von Ansprüchen vorliegt, von denen einer im ordentlichen, der andere aber in einem besonderen Verfahren (Eheverfahren) zu behandeln ist, würde dem Berufungsgericht dennoch die Möglichkeit fehlen, das Klagebegehren zu P. 3 von Amts wegen zurückzuweisen.
Hat das Prozeßgericht I. Instanz die Klage nicht gemäß §§ 84, 85 ZPO. zur Behebung des in der unzulässigen Klagenhäufung liegenden Formgebrechens zurückgewiesen, so hatte es die Verhandlung nach Verfahrensarten zu trennen und allenfalls mit besonderen Urteilen zu erkennen. Von Amts wegen konnte es, wenn nicht eine von Amts wegen wahrzunehmende Unzuständigkeit vorliegt, die Klage nicht mehr zurückweisen. Das Berufungsgericht konnte seinerseits diesen Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Z. 2 ZPO. nur dann wahrnehmen, wenn er mit Berufung releviert worden war. Denn eine Nichtigkeit im Sinn des § 477 ZPO. stellt eine unzulässige Kumulierung keinesfalls dar. Von einer unheilbaren Unzuständigkeit nach § 240 Abs. 2 ZPO., § 43 Abs. 1 JN., die nach § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO. in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen gewesen wäre, kann nicht die Rede sein, da ja an der Zuständigkeit der Gerichtshöfe I. Instanz in eherechtlichen Statusprozessen gemäß § 50 Abs. 1 Z. 2 JN. nicht zu zweifeln ist und eine Bewertung des Streitgegenstandes zu P. 3 des Klagebegehrens, die niemals stattgefunden hat, für die Zuständigkeitsfrage bedeutungslos war.
Lag aber nur ein einfacher, nicht mit Nichtigkeitsfolge ausgestatteter Verfahrensmangel vor, konnte das Berufungsgericht auf ihn ohne Geltendmachung des Berufungsgrundes der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zufolge §§ 467, 483 ZPO. keinen Bedacht nehmen, da es an die von den Parteien geltend gemachten Berufungsgrunde gebunden ist.
Nun hatte der Kläger zwar das Urteil des Erstgerichtes auch mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten und eventualiter einen Aufhebungsantrag gestellt. Dieser Berufungsgrund richtet sich aber gegen die Unterlassung der Erörterung des vom Kläger behaupteten rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung des Nichtbestandes der zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Ehe im Hinblick auf die mit der Rechtsrüge bekämpfte Ansicht des Erstgerichtes, es liege kein solches rechtliches Interesse vor. Die Kumulierung der beiden Klagebegehren, die der Kläger selbst vorgenommen hatte, wurde von ihm naturgemäß nicht bekämpft, während sich die Beklagte am Berufungsverfahren gar nicht beteiligt hatte.
Das Berufungsgericht konnte darum ohne Überschreitung der ihm durch die ZPO. gesetzten Befugnisse nicht das Klagebegehren P. 3 von Amts wegen zurückweisen.
Anmerkung
Z22060Schlagworte
Eheverfahren, Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe, Eheverfahren Klagenhäufung, Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe, Verfahrensart, Klagenhäufung im Eheverfahren, Kumulierung von Klagen im Eheverfahren, Statusklage, Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe, Verfahrensart, Feststellung des Nichtbestehens einer EheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00158.49.0426.000Dokumentnummer
JJT_19490426_OGH0002_0020OB00158_4900000_000