Norm
ABGB §1294Kopf
SZ 22/80
Spruch
Eine bahnfremde Person, die verbotswidrig eine Draisine benützt, trägt an dem Unfall, den sie bei dieser Fahrt erleidet, ein Verschulden. Auch die Bahn trifft ein Verschulden, wenn einer ihrer Angestellten eine solche Benützung der Draisine zugelassen und durch Unachtsamkeit den Unfall herbeigeführt hat (§ 1 Reichshaftpflichtgesetz, § 1304 ABGB.).
Entscheidung vom 25. Mai 1949, 2 Ob 179/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Die Klägerin hatte den Lenker einer vorbeifahrenden Draisine ersucht, sie auf der Fahrt mitzunehmen. Auf dieser Fahrt ereignete sich infolge Unachtsamkeit des Lenkers ein Unfall, bei dem die Klägerin verletzt und geschädigt wurde.
Die erste Instanz hatte das Begehren der Klägerin auf Schadenersatz abgewiesen.
Die zweite Instanz hatte über Berufung der Klägerin diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Dem gegen die Berufungsentscheidung erhobenen Revisionsrekurs hat der Oberste Gerichtshof nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bahnfremden Personen ist die Benützung von Draisinen der Bundesbahn mit Ausnahme der in der Kleinwagenvorschrift 1939 angeführten (für diese Rechtssache nicht in Betracht kommenden) Fälle verboten. Diese Vorschrift ist nicht nur eine Ordnungsvorschrift, sondern enthält auch ein Sicherheitsverbot, durch das vermieden werden soll, daß bahnfremde Personen durch die Benützung der Draisinen einer Gefährdung ihrer körperlichen Sicherheit ausgesetzt werden. Darin, daß die Klägerin die von einem Angestellten der Bundesbahnen gelenkte Draisine benützte und dadurch dem angeführten Sicherheitsverbote zuwiderhandelte, liegt ein Verschulden der Klägerin. Dieses Verschulden wird nicht dadurch aufgehoben, daß der Lenker der Draisine die Benützung derselben durch die Klägerin zuließ. Zu einer solchen Bewilligung waren untergeordnete Organe der Bundesbahnen nicht befugt; darüber mußte sich die Klägerin, die auch eine Fahrkarte nicht gelöst hatte und daher einen Beförderungsvertrag nicht schloß, im klaren sein. Das Verschulden des Beschädigten nach § 1 Reichshaftpflichtgesetz muß keineswegs in einer Handlung bestehen, durch welche die Verletzung bewirkt und unmittelbar herbeigeführt wird, sondern kann auch in einer solchen Tätigkeit gelegen sein, durch welche sich der Beschädigte zu dem Betriebe in eine verbotene Beziehung brachte und auf diese Weise bewirkte, daß ein Betriebsereignis seine Verletzung herbeiführte. Ein solches Verschulden fällt aus den angeführten Gründen der Klägerin zur Last.
Durch das Verschulden der klagenden Partei wurde aber die Haftung der Bundesbahnen für den Unfall, der sich in ihrem Betrieb ereignete, nach § 1 Reichshaftpflichtgesetz nicht zur Gänze ausgeschlossen, weil auch ihren Angestellten ein Verschulden trifft,
u. zw. dadurch, daß er die Benützung der Draisine durch die Klägerin zuließ und durch Unachtsamkeit den Zusammenstoß herbeiführte (11 E Vr 3137/47 des Kreisgerichtes Wels). Es liegt somit geteiltes Verschulden vor und erschien eine Aufteilung des Verschuldens im Verhältnis von 1 : 1 angemessen.
Anmerkung
Z22080Schlagworte
Eisenbahn Haftpflicht, geteiltes Verschulden, Haftpflicht der Eisenbahn, geteiltes Verschulden, Mitverschulden bei Eisenbahnverkehrsunfall, Schadenersatz Eisenbahnverkehrsunfall, geteiltes Verschulden, Verschulden geteiltes, bei EisenbahnverkehrsunfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00179.49.0525.000Dokumentnummer
JJT_19490525_OGH0002_0020OB00179_4900000_000