Norm
ABGB §861Kopf
SZ 22/88
Spruch
Die Erhöhung der Zimmerpreise in den Fremdenverkehrsbetrieben auf Grund einer Verlautbarung der Wirtschaftskammer verpflichtet den Bestandnehmer zur Zahlung des erhöhten Bestandzinses nur dann, wenn der Bestandgeber dieses Begehren ausdrücklich gestellt hat, u. zw. erst nach Ablauf der Kündigungsfrist.
Entscheidung vom 8. Juni 1949, 3 Ob 165/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Zell am See; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Das Erstgericht wies das auf Zuspruch des Betrages von 300 S lautende Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die zufolge einer Verlautbarung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg, Sektion Fremdenverkehr, als zulässig erklärte Erhöhung der Zimmerpreise ab 10. August 1947 um 50% nicht die beklagte Partei verpflichte, im Hinblick auf den unter anderen Bedingungen abgeschlossenen Bestandvertrag diese Erhöhung anzuerkennen.
Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil ab und gab dem Klagebegehren Folge mit der Begründung, daß die als zulässig erklärte Mietzinserhöhung die beklagte Partei zur Zahlung dieses Mehrbetrages verpflichte.
Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichtes:
Das Berufungsgericht kann der rechtlichen Beurteilung des Erstrichters nicht folgen. Die Beklagte ist auf Grund eines zwischen den Streitteilen vereinbarten Bestandvertrages Dauermieter in einem Fremdenverkehrsbetriebe. Für Betriebe dieser Art hat nun die Sektion Fremdenverkehr der Kammer der gewerblichen Wirtschaft auf Grund des Ermächtigungserlasses des Bundesministeriums für Inneres, Zl. 92527/11/47, mit Wirkung vom 10. August 1947 eine generelle Zimmerpreiserhöhung genehmigt, dies im Zuge der damaligen allgemeinen Lohn- und Preisregelung. Eine Sonderregelung wurde nur für eingewiesene Dauermieter mit dem Erlaß des Amtes der Landesregierung Salzburg (Preisbehörde) vom 7. Oktober 1947, Nr. V/4-3802/47, getroffen, wobei die Erhöhung mit 3 S pro Zimmer und Tag begrenzt wurde. Der Bestandgegenstand gehört zu einem Fremdenverkehrsbetrieb. Es muß sich jeder Bestandnehmer bei Eingehung des Dauermietverhältnisses darüber im klaren sein, daß er so wie jeder "Gast" den jeweils gültigen Zimmerpreis zu zahlen haben wird. Ein in der Vorsaison gemietetes Zimmer erhöht sich automatisch mit Beginn der Saison auch für jenen Gast, der es zu dem billigeren Preis schon vor diesem Zeitpunkte bezogen hat. So wie die Lohnregelungsbestimmungen automatisch in Kraft getreten sind und nicht erst einer darauf abzielenden besonderen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedurften, so ist eben auch die gegenständliche Mietzinserhöhung gewissermaßen ex lege eingetreten. Wäre die Rechtsmeinung des Erstrichters zutreffend, so würde in der überwiegenden Zahl der Fälle die beabsichtigte Preisangleichung vereitelt worden sein, weil es eben in das Belieben des Bestandnehmers gelegt wäre, sie zu akzeptieren. Das kann aber nicht der Sinn der Preisbestimmung sein. Das Berufungsgericht hält daher den Bestandgeber für berechtigt, die Zahlung des erhöhten Zinses zu begehren, dies auch gegen den Willen und ohne Zustimmung des Mieters. Da die Parteien das Klagebegehren seiner Höhe nach außer Streit gestellt haben, hat sich das Gericht auf die Erörterung obiger Rechtsfrage zu beschränken und, da es dieselbe im Sinne des Klagebegehrens beantwortet, der Berufung stattzugeben.
Der Oberste Gerichtshof hob auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:
Mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 503 Z. 4 ZPO. macht die Revision geltend, daß das Bestandverhältnis unter Festsetzung eines bestimmten Zinses eingegangen worden sei, daß eine einseitige Erhöhung des vereinbarten Zinses eine Durchbrechung der Grundsätze des Vertragsrechtes in den Bestimmungen der §§ 861 und 869 ABGB. bedeuten würde und daß sonach die beklagte Partei nicht verpflichtet werden könne, den erhöhten Mietzins zu bezahlen.
Es muß der Revision in dem Punkte beigepflichtet werden, daß die Anordnung der Preisbehörde, daß das Fremdenbeherbergungsgewerbe berechtigt sei, ab 10. August 1947 einen 50%igen Aufschlag zu den am 31. Juli 1947 zugelassenen Zimmerpreisen zu berechnen, nicht schon bedeutet, daß beide Vertragsteile eines Bestandvertrages an diese Erhöhung gebunden sind. Die Festsetzung von Höchstpreisen durch die hiezu berufene Behörde steckt lediglich den Rahmen ab, innerhalb dessen zwischen den Vertragsteilen eine Preisvereinbarung zulässig ist.
Wenn ein Bestandvertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossen ist, kann allerdings keiner der Vertragsteile eine Änderung begehren, der Vermieter nicht eine Steigerung, der Mieter nicht die Herabsetzung des vereinbarten Mietzinses (siehe hiezu SZ. III/4 und Klang, 1. Aufl., III, S. 24).
Liegt ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Bestandvertrag vor, dann sind beide Teile berechtigt, ihn unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu kundigen. Die Erklärung des Vermieters, vom nächsten Termin an einen höheren Zins zu begehren, enthält die Kündigung des bisherigen Vertrages, verbunden mit dem Offert eines neuen Vertrages zu den geänderten Bedingungen hinsichtlich der Zinshöhe.
Nimmt der Mieter das Offert an, ist er verpflichtet, vom nächsten Zinstermin an den höheren Zins zu zahlen. Lehnt er aber die Erhöhung des Zinses ab, benützt aber weiter das Bestandobjekt, dann mangelt es an einer wesentlichen Voraussetzung eines gültigen Bestandvertrages im Sinne des § 1090 ABGB., jedoch ist er verpflichtet, für die Benützung des Bestandgegenstandes eine Entschädigung in angemessener Höhe zu leisten. Die Angemessenheit dieser Entschädigung ist im vorliegenden Fall durch die von der Preisbehörde genehmigte Höhe der Zimmerpreise bestimmt und daher nicht weiter zu untersuchen.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß den Urteilen der Untergerichte wesentliche, zur richtigen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes erforderliche Feststellungen mangeln.
Die Untergerichte haben nicht festgestellt, auf welche Dauer der Mietvertrag geschlossen worden ist und welche Kündigungsfristen hiefür in Betracht kommen.
Von diesen Feststellungen und der weiteren, wann die Klägerin die beabsichtigte Zinserhöhung der Beklagten mitgeteilt hat, wird es abhängen, ob das Klagebegehren ganz oder zum Teil begrundet ist. Denn nur dann, wenn die Mitteilung so rechtzeitig erfolgte, daß die darin enthaltene Kündigung unter Beachtung der in Betracht kommenden gesetzlichen Kündigungsfrist für den 31. August 1947 wirksam war, ist die Forderung des höheren Betrages für September 1947 berechtigt. Wurde diese Frist nicht eingehalten, dann ist die Prüfung hinsichtlich der Zinsforderung für Oktober in gleicher Weise vorzunehmen.
Da sonach eine Ergänzung der Feststellungen durch das Erstgericht erforderlich ist, mußten die Urteile der beiden Untergerichte aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Anmerkung
Z22088Schlagworte
Bestandzins Erhöhung in Fremdenverkehrsbetrieben, Kündigung durch Mietzinserhöhung, Mietzinserhöhung in Fremdenverkehrsbetrieben, Preisbehörde Genehmigung zur MietzinserhöhungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0030OB00165.49.0608.000Dokumentnummer
JJT_19490608_OGH0002_0030OB00165_4900000_000