Norm
ABGB §877Kopf
SZ 22/86
Spruch
Unterschied von Scheingeschäft und Treuhandgeschäft.
Entscheidung vom 8. Juni 1949, 1 Ob 85/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach den Feststellungen beider Untergerichte war die Klägerin mit dem Beklagten verlobt gewesen und hatte sich wegen der ihr als Ausländerin (Volksdeutsche) um die Jahreswende 1945/46 drohenden Aussiedlung entschlossen, ihre Liegenschaftshälfte dem Beklagten zu übertragen. Zu diesem Zwecke wurde nach außenhin vor dem Rechtsanwalte Dr. D. ein Kaufvertrag vom 16. März 1946 geschlossen. Der Beklagte hat den Kaufpreis nicht bezahlt, die Klägerin hat ihn nicht verlangt. Der Beklagte wurde am 27. Juni 1946 als Eigentümer dieser Liegenschaftshälfte grundbücherlich einverleibt. Die Adoption der Tochter der Klägerin durch den Beklagten, verbunden mit einem von diesem zu errichtenden Testament zugunsten dieser Tochter, um ihr die Liegenschaft zu erhalten, war beabsichtigt gewesen. Da aber die Verlobung gelöst wurde, verlangte die Klägerin die Rückstellung der Liegenschaftshälfte.
Das Prozeßgericht hat dem Klagebegehren Folge gegeben, wobei es rechtlich ein Scheingeschäft angenommen hat.
Das Berufungsgericht bestätigte unter Annahme eines fiduziarischen Rechtsgeschäftes.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wie in der Berufung sind auch in der Revision Ausführungen über die angebliche unrichtige rechtliche Beurteilung unterblieben. Aber auch dort, wo die Revision rügt, daß dem Berufungsurteil eine Verwechslung der Begriffe "fiduziarisches Geschäft" und "Sicherungsübereignung" unterlaufen sei, ist sie nicht im Rechte.
Es mag zugegeben werden, daß die unterschiedslose Gleichstellung dieser beiden Begriffe im Berufungsurteil nicht durchaus zutreffend war; dennoch ist die rechtliche Beurteilung des Geschäftes der Streitteile durch das Berufungsgericht unbedenklich. Derjenige, der Rechte als eigene Rechte unter der Bestimmung empfangen hat, sie nicht im eigenen Interesse zu gebrauchen, ist Treuhänder. Dieser (Fiduziar) ist nach außenhin unbeschränkter Eigentümer (Vollberechtigter), jedoch im Innenverhältnis dem Treugeber gegenüber obligatorisch verpflichtet, das Eigentumsrecht als Vollrecht im Interesse des Treugebers oder des Drittbegünstigten (Destinatars) auszuüben. Als solcher wäre nach der ursprünglichen Absicht der Parteien die Tochter der Klägerin in Betracht gekommen. Bei Unerreichbarkeit "des Zweckes" und aus anderen Gründen fällt das Treugut automatisch an den Treugeber zurück. Zu den gleichen Folgerungen gelangt man, wenn man das Treuhandverhältnis nicht nach römischem Vorbild, sondern nach der "deutschrechtlichen Treuhand" betrachtet, insbesondere dort, wo durch das Treuhandverhältnis nur zeitliches Eigentum begrundet werden soll. Auch nach der Konstruktion des Begriffes der "Ermächtigungstreuhand" erwirbt der Treuhänder Eigenrechte, jedoch nur zur Geltendmachung im fremden Interesse. Die vom Berufungsurteil vorgenommene Gleichstellung des "Treuhandverhältnisses" mit der "Sicherungsübereignung" ist aber deshalb nicht grundsätzlich verfehlt, weil letztere einen Sonderfall der Treuhand, nämlich den einer "eigennützigen Treuhand" darstellt, bei welcher nicht nur die Interessen des Treugebers (Begünstigten) zu wahren sind, sondern vom Treuhänder in erster Linie auch eigene Interessen verfolgt werden. Es unterscheiden sich daher Treuhand und Sicherungsübereignung im Innenverhältnis nur dem Zwecke nach. In diesem Zusammenhange sei auch auf die außerordentlich grundliche Zusammenstellung der Rechtsprechung und Lehre in den Aufsätzen Kastners, JBl. 1948, H. 13, und 1949, H. 4, verwiesen.
Im vorliegenden Falle hat die Treuhand ihr Ende zumindest schon dadurch gefunden, daß durch die Auflösung der Verlobung der vorerwähnte "Zweck" weggefallen war, so daß kein Grund für den Beklagten gegeben ist, die Liegenschaftshälfte zu behalten (§ 1435 ABGB.), zumal seine angebliche Gegenforderung, wie das Erstgericht richtig erkannte, mangels Gleichartigkeit und wegen der Bestimmung des § 1440 ABGB. in diesem Verfahren nicht als berechtigt angesehen werden konnte; im übrigen kam die Revision auf diese Gegenforderung nicht mehr zurück, sondern legte das Gewicht vielmehr auf die Behauptung, es habe sich um einen wirklichen und unbedingten Kauf gehandelt.
Obwohl die Revision sowohl ein fiduziarisches Geschäft als auch ein Scheingeschäft (§ 916 ABGB.) ablehnt, muß im Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes darauf verwiesen werden, daß Treuhandverträge nicht Scheingeschäfte sind. Sie können jedoch "Umweggeschäfte" sein. Als ein solches wird von der Lehre (Gschnitzer bei Klang, I. Aufl., zu § 916, S. 437) auch die "Sicherungsübereignung" angesehen. Auch hier wollen die Parteien wirklich Eigentum übertragen; sie täuschen es nicht nur vor. Ihr wirtschaftlicher Zweck ist freilich Sicherung und das adäquate Mittel für diesen Zweck wäre die Pfandbestellung und nicht die Eigentumsübertragung. Gleich der Sicherungsübereignung ist aber auch das fiduziarische Geschäft nicht dadurch zum Scheingeschäft geworden, daß der Berechtigte verpflichtet ist, seine Rechtsstellung nicht zu mißbrauchen. Allerdings schließen beim Scheingeschäft die Parteien nur das verdeckte, verheimlichte Geschäft wirklich, während beim Umweggeschäft nur das offenkundige Geschäft geschlossen wird, das kein anderes Geschäft ist, sondern nur andere Absichten verdeckt. § 916 ABGB. betrifft aber nur das Scheingeschäft. Beim Scheingeschäft decken sich Wille und Erklärung nicht, doch wissen beide Parteien davon. Sie wollen entweder kein Geschäft abschließen oder nur das verdeckte (dissimulierte) Geschäft gelten lassen, somit ein ganz anderes Geschäft, als der Erklärung entnommen werden kann. Haben die Parteien gar kein Geschäft gewollt, dann ist das Scheingeschäft ungültig. Haben sie ein anderes Geschäft hinter dem Scheingeschäft versteckt, dann gilt das dissimulierte Geschäft, das allenfalls nur relativ unwirksam ist, d. h. es ist grundsätzlich gültig, nur äußert es gegen bestimmte Personen, das wäre im vorliegenden Falle - im Hinblick auf die befürchtete, aber tatsächlich nicht eingetretene Beschlagnahme des Vermögens der Klägerin als Ausländerin - der Staat, keine Wirkung. Aber selbst das, was auf Grund eines ungültigen Rechtsgeschäftes geleistet wird, kann gemäß § 877 ABGB. zurückverlangt werden. (Die Voraussetzungen nach § 1174 ABGB. kommen hier überhaupt nicht in Betracht.) Zu untersuchen ist im vorliegenden Falle nur noch die Frage, ob das Rechtsgeschäft zwischen den Streitteilen wegen eines Formmangels ungültig wäre, weil solchenfalls nach § 1432 ABGB. die Leistung nicht zurückbegehrt werden könnte. Es handelt sich jedoch hier nicht, wie schon das Erstgericht betonte, um einen Kaufvertrag zwischen den Brautleuten, welche etwa die Regelung der Vermögensrechte im Hinblick auf die zu schließende Ehe bezweckt, in welchem Falle der Vertrag als Ehepakte der Form des Notariatsaktes bedürfen würde. Eine Ungültigkeit wegen Formmangels wurde nicht behauptet. Aus einem solchen Mangel könnte übrigens nur die Ungültigkeit des Vertrages oder der Rechtshandlung abgeleitet, keinesfalls aber angesichts der Bestimmung des § 1435 ABGB. die Zurückstellung des Vermögens der Klägerin vorenthalten werden (GlU. 13099). Hiezu kommt, daß dort, wo auf Grund eines formlosen Vertrages ein Teil erfüllt hat, dieser das Geleistete wohl zurückfordern, aber nicht vom anderen Teil die Gegenleistung fordern kann (Bettelheim bei Klang zu § 1045, bzw. § 1066 ABGB.). Die Revision beruft sich darauf, es liege über den Kaufvertrag eine Urkunde vor, in der aber von einer Verpflichtung zur Rückübertragung der Liegenschaftshälfte keine Rede sei. Den schriftlichen Vertrag abändernde Vereinbarungen seien mit besonderer Vorsicht aufzunehmen. Vor der III. Teilnovelle waren nun allerdings mündliche Abreden neben einem schriftlichen Vertrage ungültig. Die Novelle hat den § 887 ABGB. aufgehoben, ohne das Gegenteil anzuordnen. Daraus ergibt sich folgendes: Die mündliche Abrede vor dem schriftlichen Vertrage kann dazu verwertet werden, die wahre Natur des schriftlichen Vertrages zu erforschen oder ihn auszulegen. Ein schriftlicher Vertrag kann aber selbst durch eine nachfolgende mündliche Vereinbarung aufgehoben, abgeändert oder ergänzt werden. Wohl hat die bessere Situation immer der, der sich auf die Urkunde beruft, weil den Gegner die Beweislast trifft. Im Zweifel kommt man daher zu dem Ergebnisse, daß bei schriftlichen Verträgen das, was nicht in der Urkunde steht, nicht dem endgültigen Vertragswillen der Parteien entspricht. Man muß aber anderseits daran festhalten, daß nur dort mündliche Nebenverabredungen bedeutungslos sind, wo ein Gesetz Schriftform zwingend vorschreibt, was für den vorliegenden Fall nicht zutrifft.
Es erwies sich daher die Revision in keinem Punkte als zutreffend, weshalb ihr der Erfolg zu versagen war.
Anmerkung
Z22086Schlagworte
Bereicherung ungerechtfertigte, bei Treuhand, Condictio bei Treuhand, Fiduziarisches Geschäft, Unterschied von Scheingeschäft, Kondiktion bei Treuhand, Scheingeschäft, Unterschied von Treuhandgeschäft, Sicherungsübereignung, Unterschied von Treuhand und Scheingeschäft, Treuhandgeschäft, Unterschied von ScheingeschäftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1949:0010OB00085.49.0608.000Dokumentnummer
JJT_19490608_OGH0002_0010OB00085_4900000_000