TE OGH 1949/6/15 3Ob190/49

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Veröffentlicht am 15.06.1949
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Norm

ABGB §138
ABGB §155
Ehegesetz §43
Ehegesetz §104
Personenstandsgesetz §31
Verschollenheitsgesetz §9
Verschollenheitsgesetz §10

Kopf

SZ 22/94

Spruch

Kinder, die von der Ehegattin eines für tot Erklärten mehr als 302 Tage nach dem Tage geboren sind, der in der Todeserklärung als vermutlicher Todestag des Ehemannes festgestellt ist, gelten als unehelich, auch wenn die Mutter sich nicht wieder verehelicht hat (Nr. 89).

Entscheidung vom 15. Juni 1949, 3 Ob 190/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Raabs a. d. Thaya; II. Instanz:

Kreisgericht Krems.

Text

Das Vormundschaftsgericht der mj. V. E. B., die am 15. Jänner 1949 außer der Ehe geboren ist, stellte auf Antrag der niederösterreichischen Landesberufsvormundschaft im Sinne des § 31 PersStG. fest, daß das erwähnte Kind durch die am 22. Februar 1949 geschlossene Ehe der Kindeseltern I. N. und T. N., geb. B., die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt hat, und ordnete die Beischreibung am Rande des Geburtseintrages an. Infolge Rekurses des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß auf und wies den Antrag auf Feststellung, daß das genannte Kind durch die zwischen den Kindeseltern geschlossenen Ehe die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt habe und deshalb seine Beischreibung anzuordnen sei, ab. Das Rekursgericht ging hierbei von folgenden Erwägungen aus: Die Kindesmutter T. N., verwitwete Na., geborene B., war seit 24. Juli 1938 mit R. E. Na. verheiratet. Mit Beschluß des Kreisgerichtes Krems a. d. D. vom 26. August 1948 wurde R. E. Na. für tot erklärt; als jener Tag, den der Genannte wahrscheinlich nicht überlebt hat, wurde der 2. März 1945 festgesetzt. Trotz der Todeserklärung des R. E. Na. sei die zwischen ihm und der Kindesmutter geschlossene Ehe bestehen geblieben. Es streite lediglich die Vermutung für deren Auflösung; erst durch das Eingehen der zweiten Ehe mit I. N. am 22. Februar 1949 sei die erste Ehe aufgelöst worden (§ 43 EheG.). Die Ehelichkeit des von der Kindesmutter am 15. Jänner 1949 geborenen Kindes V. E., das nach geschlossener Ehe mit R. E. Na. und vor Ablauf des 302. Tages nach Auflösung dieser Ehe geboren wurde, werde für die erste Ehe vermutet (§ 138 ABGB.). Die Behandlung des Kindes als außereheliches Kind, sowie die Beschlußfassung des Gerichtes erster Instanz im Sinne des § 31 PersStG. und die Anordnung der Beischreibung seien daher gesetzwidrig.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Niederösterreichischen Landesberufsvormundschaft Waidhofen a. d. Thaya.

Der Oberste Gerichtshof stellte den erstrichterlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Der Revisionsrekurs, der gemäß § 14 AußstrG. zulässig ist, ist begrundet. Die vom Rekursgericht dargelegte Rechtsanschauung kann vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt werden. Die Todeserklärung begrundet die Vermutung, daß der Toterklärte in dem festgestellten Zeitpunkte gestorben ist (§ 9 Abs. 1 Verschollenheitsgesetz vom 4. Juli 1939, RGBl. I S. 1186, GBlÖ. Nr. 862/1939). Diese Vermutung gilt für alle Rechtsverhältnisse, sie hat daher auch für alle Fragen zu gelten, für die der Tod eines Menschen personenrechtlich von Bedeutung ist. Die Todeserklärung begrundet daher auch die Vermutung, daß der Ehegatte in dem festgestellten Zeitpunkt gestorben ist, die Ehe seit diesem Tage durch Tod gelöst und der überlebende Teil verwitwet ist. Dementsprechend hat der Standesbeamte die Frau, die nicht wieder geheiratet hat, einer Witwe gleichzuhalten und anzunehmen, daß die Ehe durch den Tod des Mannes mit dem festgesetzten Tag aufgelöst ist. Die Vermutung der Eheauflösung gibt auch das Recht zur Wiederverehelichung, weil die Todeserklärung ihrerseits die Vermutung begrundet, daß für den überlebenden Ehegatten das Eheverbot der Doppelehe (§ 8 EheG.) nicht besteht.

Allerdings wird im § 43 Abs. 2 EheG. normiert, daß mit Schließung der neuen Ehe die frühere Ehe aufgelöst wird. Hieraus ist aber keineswegs abzuleiten, daß die erste Ehe bis zur Schließung der neuen Ehe besteht, weil die frühere mit der neuen Ehe aufgelöst werde. Das Gesetz läßt im Falle der Todeserklärung eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 8 zu, wonach niemand eine Ehe eingehen darf, bevor seine frühere Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist. Dieser Grundsatz behält nur dann seine Kraft, wenn beide Ehegatten der neuen Ehe bei Eingehung ihrer Ehe wissen, daß der für tot erklärte Ehegatte noch lebt. In allen anderen Fällen verliert der Grundsatz des § 8 seine Kraft; die neue Ehe ist nicht Doppelehe und führt sogar mit ihrer Eingehung die endgültige, bisher nur vermutete Auflösung der früheren Ehe herbei. Die neue Ehe wird nunmehr auch dann nicht mehr von der Gefahr der Vernichtung bedroht, wenn der für tot erklärte Ehegatte später wieder auftaucht (Kommentar zum Eherecht, Volkmar - Antoni, S. 155 f.). Im übrigen bezieht sich die Bestimmung des § 43 Abs. 2 EheG. nur auf jene Fälle, in welchen die Todeserklärung des ersten Ehegatten durch einen gerichtlichen Beschluß wieder aufgehoben wurde; dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Bestimmungen des § 43 und auch aus § 104 EheG.

Die Todeserklärung hat daher in weiterer Folge auch für die Beurteilung der Rechtsstellung der Kinder der Frau zu gelten, deren Mann für tot erklärt ist. Für die später als 302 Tage nach dem in der Todeserklärung festgestellten Zeitpunkt des Todes des Mannes geborenen Kinder greift daher die Vermutung der unehelichen Geburt im Sinne des § 155 ABGB. in der Fassung der Verordnung über die Angleichung familienrechtlicher Vorschriften vom 6. Februar 1943, DRGBl. I S. 80, Platz. Die vom Rekursgericht vertretene Ansicht, solche Kinder seien Kinder aus einer bestehenden Ehe, beruht auf der rechtsirrtümlichen Auffassung, daß die frühere Ehe erst mit der Schließung der neuen Ehe gelöst wird.

Es war dem Rekurs daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Anmerkung

Z22094

Schlagworte

Auflösung der Ehe durch Todeserklärung, Eheauflösung durch Todeserklärung, Todeserklärung Auflösung der Ehe, Uneheliche Geburt Todeserklärung des Ehemannes der Mutter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0030OB00190.49.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19490615_OGH0002_0030OB00190_4900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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