Index
61/01 Familienlastenausgleich;Norm
FamLAG 1967 §6 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des W L in G, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. Juli 2001, Zl. RV 1140/1-8/2000, betreffend Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für die Zeit ab 1. September 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172.88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde im Instanzenzug dem am 15. Jänner 1958 geborenen Beschwerdeführer die Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab dem 1. September 2000. Sie begründete dies zunächst vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) damit, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Eigenpension (einer Bezugsbestätigung der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ist für August 2000 bei einer Eigenpension in Höhe von S 4.213,-- zuzüglich Ausgleichszulage in Höhe von S 4.964,10 und Pflegegeld in Höhe von S 2.863,-- und "Kinderzu" in Höhe von S 477,-- abzüglich Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von S 362,-- eine Nettopension von S 12.155,40 zu entnehmen) nach einer näher angeführten Berechnung überwiegend für sich selbst aufkommen könne, eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch die Eltern demnach ausgeschlossen sei, zumal auch eventuellen freiwilligen Leistungen der Eltern der Unterhaltscharakter fehle.
Aber auch die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 FLAG, wonach volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie - neben anderen Voraussetzungen - wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und sich nicht in Anstaltspflege befinden, sei nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer sei nämlich zu näher angeführten Zeiten, insbesondere vom 13. März 1978 bis 7. Februar 1979, vom 30. Juli 1979 bis 14. Dezember 1979, vom 14. April 1980 bis 11. Juli 1980 und vom 28. Juli 1980 bis 16. Februar 1981 als Arbeiter erwerbstätig gewesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe eine mehrjährige berufliche Tätigkeit der Annahme entgegen, das Kind sei infolge seiner Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dass der Beschwerdeführer keine Arbeitsleistungen erbracht habe, sondern etwa aus caritativen Überlegungen oder zu therapeutischen Zwecken ohne Erwartung einer Gegenleistung wie ein Dienstnehmer behandelt worden sei, sei auch nicht behauptet worden. "Somit" sei die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten. Dies werde auch durch die niederschriftlichen Angaben des Vaters des Beschwerdeführers bestätigt, wonach der Beschwerdeführer ab März 1978 bei St. beschäftigt gewesen sei. Sein Arbeitgeber sei sehr zufrieden mit ihm gewesen und habe ihn auch nach seinem "Spitalsaufenthalt (Krankenstand u. Spitalsaufenthalt v. 7.2.79 - 29.7.79)" wieder eingestellt. Die Krankheit sei beim Beschwerdeführer "sehr rasch ausgebrochen, ca. 4 Tage, bevor er ins Krankenhaus gekommen" sei. Die Aussage berufe sich diesbezüglich auf einen Anruf der Zimmerwirtin sowie einen solchen des damaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
In seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, 2001/14/0165, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Fall seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach die Bestimmung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 auch in seiner 1992 novellierten Fassung vom aufrechten Bestehen einer Unterhaltspflicht der Eltern ausgeht. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis mit näherer Begründung, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zum Ausdruck gebracht, dass die (auch im vorliegenden Beschwerdefall vertretene) Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe schon deswegen keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, weil die Eltern infolge eigener Einkünfte des Beschwerdeführers nicht überwiegend für seine Unterhaltskosten aufzukommen hätten, in den den Anspruch auf Familienbeihilfe regelnden Bestimmungen des FLAG 1967 keine Stütze findet.
Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht geprüft, ob der Beschwerdeführer einen aufrechten Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern hat oder im Hinblick auf den eigenen Pensionsanspruch von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist.
Die Beschwerde rügt neben der somit zutreffend behaupteten unrichtigen Beantwortung der Frage des Eigenanspruches des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde auch, dass diese den grundsätzlichen Anspruch des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe zu Unrecht verneint habe. Da der Beschwerdeführer "trotz äußersten Entgegenkommens seiner Arbeitgeber nach Vollendung" seines 21. Lebensjahres nicht einmal zwei Jahre tätig gewesen sei, liege eine mehrjährige Beschäftigung im Sinne der im angefochtenen Bescheid zitierten Judikatur nicht vor. Durch den vorliegenden Sachverhalt lasse sich daher nicht die "im amtsärztlichen Gutachten getroffene Feststellung, dass die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei" widerlegen. Aus dem der Behörde vorliegenden amtsärztlichen Gutachten ergäbe sich, dass die Krankheit vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie die Behörde auf Grund der "ungenauen Aussage" des Vaters, eines medizinischen Laien, welche überdies nicht auf eigene Wahrnehmungen, sondern auf "Erzählungen durch dritte Personen" gestützt gewesen sei, das Gegenteil habe feststellen können. Unstrittig sei, dass sich der Beschwerdeführer Anfang Februar 1979 in mehrmonatige stationäre Krankenhausbehandlung habe begeben müssen. Es sei unwahrscheinlich, dass die Krankheit erst ein paar Tage davor ausgebrochen sei. Erfahrungsgemäß dauere es einige Zeit, bis der Betroffene bzw. sein Umfeld eine psychische Krankheit als solche wahrnehme. Auch werde meistens relativ lange zugewartet, bis medizinische Behandlung, "erst recht eine stationäre Behandlung" in Anspruch genommen werde. Aus der Aussage des Vaters könne daher nicht geschlossen werden, dass die Krankheit erst nach dem 15. Jänner 1979 begonnen habe. Auf Grund des der belangten Behörde vorgelegten amtsärztlichen Gutachtens sei vielmehr davon auszugehen, dass die schizophrene Psychose, welche zur Erwerbsunfähigkeit geführt habe, bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei.
Auch dieses Vorbringen ist berechtigt und zeigt im Ergebnis auf, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides dessen Spruch in diesem Zusammenhang nicht zu tragen vermag. Wenngleich vom Beschwerdeführer nicht ausgeführt wurde, woraus er "äußerstes Entgegenkommen" seiner Arbeitgeber ableitet, ist es bei einer Arbeitsleistung von insgesamt 26 Monaten (davon etwa neun Monate vor Vollendung des 21. Lebensjahres und 15 Monate in den darauffolgenden 25 Monaten) tatsächlich verfehlt, sachverhaltsbezogen von einer "mehrjährigen beruflichen Tätigkeit" auszugehen. Es trifft aber auch zu, dass sich in den Verwaltungsakten ein ärztliches Zeugnis bereits aus dem Jahr 1991 findet, in welchem davon ausgegangen wird, dass das festgestellte Leiden, auf Grund dessen der Beschwerdeführer voraussichtlich dauernd nicht fähig sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, seit "etwa 20 Jahren" - im Jahr 1971 war der Beschwerdeführer 13 Jahre alt - bestehe. Auf dieses ärztliche Zeugnis ist die belangte Behörde in keiner Weise eingegangen.
Es trifft daher zu, dass auch die Bescheidbegründung zur Verneinung des grundsätzlichen Anspruches des Beschwerdeführers auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu tragen vermag. Die diesbezügliche Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften musste allerdings vor der oben aufgezeigten, dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Rechtswidrigkeit des Inhaltes zurücktreten, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. Februar 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001140172.X00Im RIS seit
02.06.2005